Radikalisierung bei der Deutschen Burschenschaft
Florian Diekmann im Gespräch mit Jürgen Zurheide
Aufgetauchte Papiere weisen auf rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft hin. Die Protokolle zeichnen das Bild eines Verbandes, der eine Minderheit an rechtsextremen Burschenschaften und Bünden überhaupt nicht in den Griff bekäme, sagt Spiegel-Journalist Florian Diekmann.
Jürgen Zurheide: Die rechtsextremen
Umtriebe bei den deutschen Burschenschaften, also jener Organisationen,
die an Universitäten immer noch anzufinden sind, sorgen ja immer wieder
für Schlagzeilen. Kürzlich mussten wir darüber berichten, dass es
sogenannte Ariernachweise in diesen Reihen geben soll oder gegeben hat.
Dann kamen ja immer die Hinweise, na ja, das sind einige Verwirrte,
einige Verirrte innerhalb der Burschenschaften, die den Rest der Gruppe
diskreditieren. Ist das wirklich so? Die Frage kann man heute etwas
intensiver stellen, denn es sind neue Papiere aufgetaucht, die hat der
Kollege Florian Diekmann vom "Spiegel". Der ist jetzt bei uns am
Telefon, schönen guten Morgen, Herr Diekmann!
Florian Diekmann: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide:
Ja, Herr Diekmann, was haben Sie denn da für Papiere bekommen - die
werfen ja ein seltsames Licht, wenn man da drüberschaut -, was haben Sie
bekommen und was steht drin?
Diekmann:
Wir haben eine ganze Reihe von Papieren bekommen. Wir haben eine
Unmenge von Dokumenten aus den letzten zwölf Jahren der Deutschen
Burschenschaft, also des Dachverbandes mit insgesamt 120 Mitgliedsbünden
erhalten, aus denen sich schon ein einzigartiges Bild zusammensetzt
über das Innenleben dieser Deutschen Burschenschaft. Man kann sagen, vor
allem kennzeichnet diese Protokolle und gerade in den letzten Jahren
auch Strategiepapiere, die eben da uns vorliegen, das Bild eines
Verbandes, der eigentlich personell ausgeblutet ist, der unter starkem
Mitgliederschwund leidet und der vor allem das Problem hat, dass er eine
Minderheit - es ist wirklich eine Minderheit - an rechtsextremen
einzelnen Burschenschaften und Bünden eben überhaupt nicht in den Griff
bekommt, sondern dass die eine dominierende Rolle im Verband ausüben.
Zurheide:
Ohne das jetzt besonders ganz vertiefen zu wollen, geben Sie mal so
kleine Beispiele von diesen rechtsextremen Gruppen und ich glaube, so
muss man sie ja wohl bezeichnen, wenn man liest, was Sie da schreiben.
Was findet man da innerhalb dieses Bundes?
Diekmann:
Na ja, es hat eben sehr viel damit zu tun, was eben vor einem Monat für
große Aufregung gesorgt hat, diese Anträge, die auf dem Burschentag,
also dem jährlichen Parlament der Deutschen Burschenschaft, gestellt
wurden, in denen es darum ging, dass eben Nachkommen von nichtdeutschen,
wie sie es nennen, Eltern nicht Mitglied in der Deutschen
Burschenschaft werden dürfen, und das Ganze eben dann auch begründet
wurde mit eigentlich rassetheoretischen Begründungen. Und so in dieser
Art finden sich einige Belege innerhalb dieser Dokumente. Das
Bemerkenswerte darin ist eigentlich, dass das Entsetzen darüber und die
Benennung desselben ja aus der Deutschen Burschenschaft selbst kommen.
Das sind interne Dokumente, die vor allem belegen, dass einzelne Bünde
und Burschenschaften immer wieder auffallen, durch richtig rassistisches
und rechtsextremes Gedankengut, wie das eben wörtlich in diesen
Berichten selbst genannt wird. Und es kommt mitunter eben auch zu
Ausfällen auf den Burschentagen gegenüber anderen Burschenschaften
selbst. Es gibt den Fall eines dunkelhäutigen Mitglieds einer
Burschenschaft, der vor zwei Jahren auf dem Burschentag 2009 eben auch
rassistisch diskriminiert wurde auf so einem Burschentag, und in dieser
Form findet man einige Vorfälle. Im Großen gesehen, besteht eigentlich
die rechtsextreme Fraktion innerhalb der Deutschen Burschenschaft vor
allem aus einer Untergruppierung, die sich Burschenschaftliche
Gemeinschaft nennt und die gerade ihr 50-jähriges bestehen feiert. Und
das sind etwa 40 Bünde, die zur Hälfte aus Deutschland und Österreich
kommen, die eigentlich nur ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb dieses
Verbandes haben, von Anfang an, das steht so in ihrem
Gründungsprotokoll, nämlich die absolute Betonung des volkstumsbezogenen
Vaterlandsbegriffs, und dahinter steckt nichts anderes als eben die
Betonung genau dieser abstammungshergeleiteten Definition des
Deutschseins. Und daraus leiten sich natürlich viele andere
rechtsextreme Positionen ab.
Zurheide:
Die Kollegen der "Frankfurter Rundschau" haben heute wohl in ihrer
Samstagsausgabe einen Hinweis, dass in einem der Schreiben zu lesen ist,
wie während eines jeden Burschentages war auch dieses Mal wieder lautes
Sieg-Heil-Geschreie im Brunnenkeller zu hören. Das ist so die Diktion,
in der das stattfindet?
Diekmann:
Das lässt sich vermuten. Ich kann nur sagen, was aus den Dokumenten
hervorgeht, und es gibt Entsetzen über das Verhalten einiger
Burschenschaften und auch ganzer Bünde auch bei öffentlichen
Veranstaltungen, die eben auch das Ansehen des Verbandes stark in den
Schmutz ziehen, so wird das empfunden. Und das wird dann schon so
ausgedrückt, dass es zum Beispiel Verhaltensweisen oder auch
Redewendungen sind, die gerade noch so am Rand des Erlaubten sind und
gerade noch geschickt versucht wird, solche Dinge wie wirklich
offensives Sieg-Heil-Gegröle zu vermeiden, sozusagen Dinge, die ich
schlecht nachprüfen kann, weil ich natürlich bei diesen Gegebenheiten
nicht vor Ort war. So etwas wird aber immer wieder berichtet, und wie
gesagt, die Dokumente lassen den Rückschluss zu, dass es genau Vorfälle
dieser Art sind.
Zurheide: Kommen
wir doch mal zu der Frage, wie der Oberverband der Deutschen
Burschenschaft, von dem Sie sagen, dass die meisten das eben genau nicht
wollen, versuchen, mit diesen Rechtsauslegern umzugehen. Ist das aus
Ihrer Sicht ernst gemeint, dass man das eindämmen will?
Diekmann:
Das ist durchaus ernst gemeint, man muss sich aber ganz genau ansehen,
wer das eigentlich eindämmen möchte und wie dieser Dachverband der
Deutschen Burschenschaft überhaupt organisiert ist. Man darf sich das
nicht vorstellen wie ein straff zentral organisierten Verband, wenn man
das vergleicht - auch wenn das natürlich ein bisschen schwierig ist -
mit dem Deutschen Fußballbund, wo man eine starke Zentrale hat und
wiederum Landesverbände. Die Deutsche Burschenschaft ist vielmehr
eigentlich ein sehr loser Zusammenschluss der einzelnen
Burschenschaften. Für ein Mitglied einer solchen Burschenschaft gibt es
zuerst mal vor allem und im Vordergrund stehend die eigene
Burschenschaft, und der Dachverband der Deutschen Burschenschaft, der
ist für die meisten weit weg. Das ergibt sich auch aus Gesprächen, die
man mit einzelnen Burschenschaftlern führt. Und es gibt eben überhaupt
gar keine Organisationsform eigentlich innerhalb dieser Burschenschaft,
die es ermöglichen würde, hier wirklich auch konzertiert vorzugehen. Das
Problem, das die wenigen eher liberal ausgerichteten und auch hier
stark engagierten Bünde haben, ist eben, dass sie sich nicht so gut
organisiert haben und organisieren konnten, wie eben diese
burschenschaftliche Gemeinschaft, die halt 40 Bünde umfasst. Die eine
Minderheit darstellt, aber eben die dominierende Minderheit darstellt.
Der Rest der Deutschen Burschenschaft ist eben eine sehr stark
zersplitterte Landschaft an untereinander befreundeten Mitgliedsbünden,
aber das sind oft nur Kartelle von vier oder fünf Mitgliedsbünden und
nichts, was eine geschlossene Einheit eben gegen diese rechtsextremen
Ausfälle darstellen kann.
Zurheide:
Das heißt, wenn ich da jetzt einen Strich drunterziehe, Herr Diekmann,
ist es wahrscheinlich schwierig, auch für diejenigen, die so was nicht
wollen, das zu verhindern, oder?
Diekmann:
Es ist ihnen bisher noch überhaupt nicht geglückt. Es ist sehr
aufschlussreich, wenn man in das Strategiepapier der sogenannten
Stuttgarter Initiative guckt, beziehungsweise in Protokolle und deren
Sitzungen. Die Stuttgarter Initiative ist eben ein Zusammenschluss von
einer Handvoll - das sind fünf, sechs, sieben Bünde, die sich eigentlich
dieser starken rechtsextremen Minderheit der Burschenschaftlichen
Gemeinschaft entgegenstellen möchten. Und in diesen Protokollen springt
einem eigentlich die Hilflosigkeit entgegen. Man ist fassungslos über
das, was eben gefordert wird, über das, was in Anträgen begründet wird,
man ist vor allem aber fassungslos darüber, dass das im Rest des
Verbandes bei den anderen Mitgliedsbünden, die eben weder der
Burschenschaftlichen Gemeinschaft angehören noch der Stuttgarter
Initiative, dass das keinen Aufschrei erzeugt.
Zurheide:
Das war Florian Diekmann, Kollege beim "Spiegel", über rechtsextreme
Umtriebe in einem Teil der Deutschen Burschenschaft. Ich bedanke mich
für das Gespräch! Auf Wiederhören, tschüss!
Diekmann: Danke, tschüss!