Linksextremisten machen Jagd auf NPD-Funktionäre

Erstveröffentlicht: 
26.06.2011

Vermummte Gewalttäter lauerten in Berlin mehreren Vorstandsmitgliedern auf. Autonome veröffentlichen Fotos und Adressen im Internet. Auf Neonazi-Seiten wird nun Rache geschworen.

 

Drei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl eskaliert die Gewalt zwischen Links- und Rechtsextremisten. Am Sonnabend wurden zwei führende Politiker der Berliner NPD von Autonomen angegriffen und verletzt. Der Landesvorsitzende Uwe Meenen erhielt mittags vor dem S-Bahnhof Bornholmer Straße einen derartigen Schlag ins Genick, dass er zu Boden ging. Fünf mit Tüchern und Schals Vermummte traten den am Boden Liegenden und sprühten ihm Reizgas in die Augen, bevor sie flüchteten. Meenen wurde im Krankenhaus behandelt.

 

Zwei Stunden zuvor hatten fünf bis sechs Angreifer im Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt NPD-Vorstandsmitglied Sebastian Thom beim Verteilen von Wahlbroschüren niedergeschlagen.

 

Als der 24-Jährige am Boden lag, prügelten und traten die nach Polizeiangaben „mit Sonnenbrillen und schwarzen Tüchern“ vermummten Täter weiter auf ihn ein. Thom erlitt Prellungen und Schürfwunden. Zwischen beiden Taten gibt es neben dem Vorgehen und der Täterbeschreibung eine weitere auffallende Parallele: Beide Opfer wurden beraubt. Thom entrissen die Täter einen Beutel mit NPD-Broschüren, Meenen das Buch „Antifa heißt Angriff“, das in einem rechtsextremen Verlag erschienen ist.

 

In der Nacht zu Donnerstag war in Neukölln bereits der NPD-Kandidat Jan Sturm von fünf schwarz Vermummten vom Fahrrad gerissen und mit Flaschen und Stöcken verprügelt worden. Auch der 46-Jährige wurde verletzt. Damit wurden innerhalb von 62 Stunden drei der insgesamt zehn NPD-Kandidaten für die Wahl im September niedergeschlagen und verletzt. Aufgrund der Maskierungen der Täter hat Polizeisprecher Frank Millert kaum Zweifel, dass die „Angriffe auf rechtsextreme Funktionäre“ geplant waren. Die Polizei prüft nun, ob es sich bei allen Attacken um dieselben Täter handelte.

 

Die Adressen von Neonazis und Rechtsextremisten sind bis ins Detail im Internet zu finden. Zahlreiche selbst ernannte „Antifaschisten“ veröffentlichen regelrechte Steckbriefe von mehr oder minder bekannten Rechten. Nachdem im Januar die NPD die Vereinigung mit der DVU gefeiert hatte, veröffentlichte eine Antifagruppe wenig später die Fotos sämtlicher 107 Teilnehmer des Parteitags. Nur bei wenigen fehlen die Namen. Auf der Seite heißt es drohend: „Neonazi sein heißt Probleme zu bekommen.“ Die Privatadresse Sturms zum Beispiel hatte die Neuköllner „Antifa“ vor Jahren im Internet veröffentlicht, ebenso den Namen seiner Stammkneipe.

 

Laut Millert sind „die verstärkten Wahlkampfaktivitäten der rechten Parteien“ Auslöser der jüngsten Attacken: „Dadurch sind die Parteien für die Linksextremisten stärker wahrnehmbar.“ Allerdings betonte der Sprecher, dass es auch in der Vergangenheit „immer wieder gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten auf Rechtsextremisten gab, bei denen es zu erheblichen Körperverletzungen kam“.

 

In der linken Szene heißt es, dass die Nazis mit ihrer aggressiven Demonstration in Kreuzberg die Wut geschürt hätten. Wie berichtet, hatte Mitte Mai etwa ein Dutzend Neonazis auf Gegendemonstranten eingeprügelt. Nach Angaben der Antifa waren Sturm und Thom bei der Demo dabei. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt hatte nach dem Angriff auf Sturm „die Bildung von Schutzmannschaften“ gegen „Linksextremisten und sogenannte Migranten“ gefordert. Auf Neonazi-Seiten wird nun Rache geschworen.

 

Bereits vor der Abgeordnetenhauswahl 2006 hatte die Polizei einen deutlichen Anstieg von Attacken registriert. 2006 waren es 370 Taten, bei den Bundestagswahlen 2005 nur 171 Taten. Begonnen hatte die jüngste Serie Anfang des Monats: Vier Vermummte hatten eine Versammlung von „Pro Deutschland“ in Treptow angegriffen und den Ex-Landeschef der DVU, Torsten Meyer, verletzt.