Kriegsspielchen mit Folgen

Am Tag der offenen Tür Ende Mai hatten die Gebirgsjäger in Bad Reichenhall Kinder auf ein Miniatur-Dorf zielen lassen. (© dapd/Rabatz)
Erstveröffentlicht: 
07.06.2011

Soldaten haben Kinder am Tag der offenen Tür der Kaserne in Bad Reichenhall mit Waffen auf ein Miniatur-Dorf zielen lassen - zum Entsetzen einiger Parlamentarier in Berlin. Die Gebirgsjäger aus Bayern müssen sich nun im Bundestag rechtfertigen. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet.  Von Heiner Effern und Katja Riedel

 

Die Waffenspiele am Tag der offenen Tür in der Bad Reichenhaller General-Konrad-Kaserne sorgen für einen politischen Schlagabtausch in Berlin. "So etwas muss disziplinarrechtliche Konsequenzen haben", fordert Rainer Arnold, Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch. Dort soll die Bundeswehr die Parlamentarier über die Vorfälle informieren.

 

Die Opposition sei in ihrer Kritik "vorschnell und unsachlich", entgegnet Florian Hahn, der für die CSU im Verteidigungsausschuss sitzt. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus ist bereits eingeschaltet, wollte aber nichts sagen, bevor er nicht die Fakten genau kennt. Die Staatsanwaltschaft Traunstein prüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

 

Die Gebirgsjäger in Bad Reichenhall hatten am Tag der offenen Tür am 28. Mai Minderjährige mit echten Zielerfassungssystemen von Panzerfäusten auf ein Miniatur-Dorf zielen lassen, auf dessen Ortsschild "Klein-Mitrovica" stand. Daneben konnten die jungen Besucher Gewehre und Pistolen in Anschlag bringen. Im Zweiten Weltkrieg waren Gebirgsjäger in der kosovarischen Stadt Mitrovica an einem Massaker an Einheimischen beteiligt. Von 1999 an waren Gebirgsjäger als Mitglieder der Friedenstruppen wieder im Kosovo stationiert.

 

Die Staatsanwaltschaft Traunstein nahm wegen der Waffenspiele Vorermittlungen auf. "Wir prüfen derzeit, ob eine Straftat vorliegt und wenn ja welche", sagte ein Sprecher. In Frage kommen ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Volksverhetzung. Dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft am Mittwoch nicht äußern. "Wir versuchen jetzt erst mal, möglichst schnell den Sachverhalt aufzuklären", sagte der Sprecher.

 

Für den SPD-Verteidigungsexperten Arnold ist auf keinen Fall zu tolerieren, dass der "Begriff Mitrovica so verwendet wird und die Waffenbegeisterung von Jugendlichen zur Werbung für die Bundeswehr genutzt wird". Eine Vorschrift der Bundeswehr besagt, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren der Zugang zu Waffen zu verwehren ist.

 

Der CSU Verteidigungspolitiker Hahn fordert disziplinarrechtliche Konsequenzen nur für den Fall, dass die Verwendung des Ortsschilds Mitrovica bewusst mit Hinblick auf das Massaker im Zweiten Weltkrieg erfolgt sei. Die anderen Vorwürfe hält er für künstlich hochgekocht. "Von einem gezielten Angriff auf ein Dorf kann aus meiner Sicht nicht die Rede sein."

 

Die ersten Untersuchungsergebnisse der Bundeswehr sollen schon Ende dieser Woche präsentiert werden. Ein Sprecher des Gebirgsjägerbataillons 23, das seinen Hauptsitz in Bad Reichenhall hat, bestätigte, dass auch interne disziplinarrechtliche Untersuchungen eingeleitet seien, die der Kommandeur des Bataillons, Brigadegeneral Johann Langenegger persönlich leite. Langenegger war auch für die Organisation des Tages der offenen Tür verantwortlich. Der Brigadegeneral ermittelt also gegen sich selbst.

 

Die Gebirgsjäger sind eine Elitetruppe der Bundeswehr, als solche galten sie schon in der Wehrmacht. Ein problematisches Erbe, das in den vergangenen Jahren zusätzlich durch mehrere Skandale angereichert wurde. Im Jahr 2003 posierten Gebirgsjäger aus Mittenwald in Afghanistan mit Leichenteilen für Fotos. Im vergangenen Jahr wurden Soldaten in Mittenwald von Kollegen gezwungen, rohe Schweineleber zu essen.