Kann es sein, dass ein Neonazi mehr als 22 Kilogramm Zutaten für die Herstellung von Sprengstoff hortet und dann nicht bestraft wird? Darüber muss auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Lörrach das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entscheiden.
FREIBURG Thomas B. aus Weil am Rhein 
hatte Chemikalien, Zündschnüre, Bauteile für Fernzünder sowie 
Sprengstoff-Fachliteratur angeschafft. Es sei die größte derartige Menge
 an Bomben-Grundstoff, die je bei einem Neonazi gefunden wurde, sagten 
die Ermittler bei seiner Verhaftung im August 2009. Binnen Stunden hätte
 B. eine gefährliche Rohrbombe bauen können. Die Staatsanwaltschaft 
erhob Anklage wegen Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens.
Doch Anfang April wies das Landgericht Freiburg den zentralen Punkt der 
Anklage zurück. Die Vorbereitung eines Anschlags sei nicht weit genug 
fortgeschritten, es fehle ein konkretes Ziel. Ein Prozess sei daher nur 
wegen anderer Delikte wie Verletzung des Waffenrechts möglich. Die 
Richter beriefen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). 
Damals ging es um einen maoistischen Türken, der Sprengstoff für 
Gesinnungsgenossen aufbewahrt hatte. Der BGH entschied, dies sei noch 
kein Vorbereiten eines Sprengstoffverbrechens. Die geplante Tat müsse 
bereits "hinsichtlich des Angriffsziels und des Zeitpunkts" in ihren 
wesentlichen Umrissen feststehen.
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Gegen die Freiburger Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft 
Rechtsmittel eingelegt. "Die BGH-Entscheidung stammt ja schon von 1977. 
Nach so langer Zeit sollte man das mal überprüfen", sagte 
Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer zur BZ. Nach Ansicht der Staatsanwälte 
sollte die Bombe gegen politische Gegner eingesetzt werden, insbesondere
 gegen die der linken Szene zugerechneten Freiburger Antifa-Gruppe. 
Jetzt muss das OLG entscheiden. Die Antifa, die den Fall ins Rollen 
gebracht hat, verweist auf von ihr abgefangene E-Mails. So schrieb 
Thomas B. im April 2008 an den örtlichen NPD-Chef: "Ich hätte gerne die 
Namen und Adressen von wichtigen politischen Gegnern." Als der NPD-Mann 
ihn aufforderte, das linke Freiburger Zentrum KTS auszuspionieren, war 
B. dazu bereit. Parallel dazu kaufte er Chemikalien wie 
Wasserstoffperoxid und Nitromethan.
Eigentlich ist seit 2009 die Beschaffung von Komponenten zur Herstellung
 von Sprengstoff strafbar, aber nur, wenn sie zur Vorbereitung einer 
schweren staatsgefährdenden Gewalttat dient. Die Staatsanwaltschaft 
wollte diesen Paragraphen hier nicht anwenden; ein Angriff auf die 
Antifa sei nicht staatsgefährdend, hieß es auf Nachfrage. Das kann man 
auch anders sehen. Denn die neue Vorschrift entstand in einer Zeit, in 
der Terroristen Hochhäuser, U-Bahnen und Vorortzüge angriffen, um Angst 
zu verbreiten. So gesehen dürfte auch ein Attentat auf die linke Szene 
die "Innere Sicherheit" erschüttern.
