Das „revolutionäre Energiekonzept“ der schwarz-gelben Regierung: Atomkraft im nationalen Energiemix – eine Waffe in der imperialistischen Staatenkonkurrenz
	Wann: Donnerstag, 17. März 2011, 19.30 Uhr
Wo: Karlsruhe, Planwirtschaft, Werderstraße 28
Jetzt hat die deutsche Regierung nach „langem Ringen“ längere Laufzeiten
 für AKWs und ein „revolutionäres Energiekonzept“ (Röttgen) beschlossen.
 Energieunternehmen streiten weiter in Riesenanzeigen um das Pro und 
Kontra. SPD und Grüne werfen der Regierung vor, die Handlungsfreiheit 
der Politik an Stromkonzerne zu verkaufen, werben damit für sich als 
souveränere politische Chefs der Nation und drängeln sich schon mal an 
die Führung der Berliner Demonstrationen gegen das Atomprogramm. Schwer 
zu sagen, ob AKW-Gegner daran glauben und deshalb schreiben: „Die 
Bundesregierung ist mit ihren Atomplänen in der Defensive und uneins.“ 
(Aufruf zur Demo in Berlin). „Angela Merkel hat einen riesigen Fehler 
gemacht, als sie sich bei Nacht und Nebel von den Strombossen die 
Atompolitik diktieren ließ. Damit kommt sie selbst bei ihren eigenen 
Wählerinnen und Wählern nicht durch.“ (Jochen Stay von der Organisation 
Ausgestrahlt.)
Über das öffentliche Gezeter darüber, wie souverän die Schwarz-Gelben 
eine neue deutsche Energiepolitik durchbringen, ist sträflich in den 
Hintergrund geraten, um was es bei dieser Entscheidung geht und welche 
Interessen und Streitpunkte da in Deutschland überhaupt nur noch zählen.
1.
Mitten in der Marktwirtschaft, in der die Versorgung der Menschen Objekt
 des Geschäftemachens konkurrierender Kapitale ist, wird die 
Energieversorgung planmäßig betrieben. Die Konkurrenz der 
Energiekapitale ist staatlich gelenkt, weil für das Wirtschaftswachstum,
 aus dem der Staat den Zuwachs seines Geldes und seiner Macht schöpft, 
das freie Verfügen über jede erforderliche Menge Energie notwendig ist. 
Der Energiepreis ist Bestandteil der Kosten jeden Geschäfts, fördert 
oder bremst also den Konkurrenzerfolg des nationalen Kapitals im 
internationalen Markt. Die Sicherstellung der Energieversorgung fürs 
Kapital schenkt natürlich Otto Normalverbraucher nichts; er muss für den
 Strom zahlen, damit die Energiekapitale rentabel sind.
2.
Deutschland will „Energiesicherheit“ herstellen, d.h. es will möglichst 
über alle Energiequellen verfügen, auch wenn sie im Nahen Osten oder in 
Sibirien liegen. Energiepolitik ist also eine imperialistische 
Angelegenheit. Die nationale Abhängigkeit von Öl und Gas, über das 
andere Staaten verfügen, wird nicht einfach hingenommen. Umgekehrt: Die 
„Rohstoffländer“ sollen davon abhängig sein, dass Deutschland ihnen 
ihren Stoff abkauft. Die dafür notwendige energiepolitische 
Machtposition hat sich diese Nation mit ihrem Atomenergieprogramm 
verschafft.
Mit dem unkalkulierbaren atomaren Risiko für den Standort Deutschland 
und dessen menschliches Inventar wird dabei von den politisch 
Verantwortlichen kalkulierend umgegangen. Durchaus aufwendige 
Katastrophenpläne zum Schutz der Volksgesundheit sind nicht zu 
verwechseln damit, dass der Staat den Leuten gesundheitliche Schäden 
erspart.
3.
Heute wird ein Viertel des nationalen Strombedarfs mit Atomstrom 
gedeckt. Deutschland ist Atommacht, seine Nukleartechnologie ist führend
 auf dem Weltmarkt. Zusätzlich wird mit einer „strategischen 
Energiepartnerschaft“ mit Russland den USA das Monopol der Aufsicht über
 die Weltenergiereserven streitig gemacht. Auf Basis dieses 
energiepolitischen Erfolgsweges leistet die Nation es sich zunächst 
unter Rot-Grün, die nukleare Option zu relativieren. Ein „historischer 
Beschluss zum Ausstieg“ wurde von Schröder &Co. gefasst. Der war 
kein Ausstieg, sondern eine rechtssichere Betriebsgenehmigung mit 
Fristen.
4.
Deswegen kippt die schwarz-gelbe Regierung den Kern dieses Beschlusses 
auch nicht, wenn sie jetzt um 8 bis 14 Jahre längere Laufzeiten für 
nützlich hält. Die neue Regierung, die wie die alte keine neuen AKWs in 
Deutschland plant, will „den Weg in das regenerative Zeitalter gehen und
 die Technologieführerschaft bei den Erneuerbaren Energien ausbauen“. 
Dabei geht es ihr erstens um ein weiteres Standbein der 
Energiesicherheit durch Energie in rein nationaler Verfügung, zweitens 
um eine Weltmarktoffensive mit neuen Umwelt- und vor allem 
Energietechnologien und drittens um das Durchsetzen von Markt öffnenden 
Konkurrenzstandards weltweit. Die Rettung der Menschheit vor der 
„weltweiten“ Klimakatastrophe ist der treffliche Titel für 
imperialistische Energiepolitik. So werden Ökonomie und Ökologie 
kapitalistisch versöhnt: Profite aus den Atommeilern tragen bei zum 
Kapital für das Geschäft mit „erneuerbarer“ Energie. Das meint 
„Brückentechnologie“ im Kapitalismus, eben keine Technik.
5.
Wie gewaltig die Ansprüche dieser deutschen Energiepolitik sind, bekommt
 die Regierung bei der Umsetzung zu spüren. Die Regierung hat es 
wirklich nicht leicht: Andere mächtige Nationen öffnen sich in 
Kopenhagen und anderswo gar nicht Merkels Klimaappellen und ihren 
deutschen Geschäftemachern mit „grüner“ Energie im Gefolge, sondern 
kämpfen für ihre konkurrierenden Energiepläne weltweit. Da muss 
Deutschland nachrechnen, ob es in Konkurrenz zu den anderen Nationen 
nicht fahrlässig zu kurz von seinen AKWs profitiert und dem nationalen 
Kapitalwachstum nicht zu schnell zu viel Aufwendungen fürs „Umsteuern“ 
zumutet.
P.S.: Wer da meint: „Unser Widerstand zeigt Wirkung: Die Bundesregierung ist mit ihren Atomplänen in der Defensive und uneins.“ (Aufruf zur Demo in Berlin), oder: „Wir rechnen damit, dass die gesellschaftliche Mehrheit auch die Bundesregierung zum Einlenken bringt“, sagt Jochen Stay von der Organisation Ausgestrahlt – der hat nicht aufgepasst. Der Standpunkt der AKW-Gegner kommt in den Abwägungen der deutschen Atom- und Energiepolitik einfach gar nicht vor. Warum ihr dann weiter das Gegenteil nachsagen?


