Spitzel haben es in der linken Szene besonders leicht, wie die aktuellen Beispiele von Mark Kennedy, "Danielle Durand" oder "Simon Brenner" zeigen.
Der
 Spion, Verräter oder V-Mann ist der lichtscheue Tatzeuge des 
Überwachungsapparates. Die Chroniken seines Tuns reichen für gewöhnlich 
bis zum "Urspitzel Judas" zurück - und enden bei den jeweils aktuell 
enttarnten "Undercover-Agenten".   
      Kürzlich sind drei dieser "Lumpen" (K. Marx) 
aufgeflogen: In der Heidelberger Linken ein "verdeckter Ermittler des 
LKA", der sich nach einem Wiener Krimiroman-Kommissar Simon Brenner 
nannte. In der europäischen Umweltschutzbewegung, ausgehend von England,
 der "Agent provocateur" des Scotland Yard: Mark Kennedy alias Stone, 
auch "Flash" genannt, weil er so spendabel und umtriebig war (er 
verfasste in sieben Jahren 2.000 Dossiers über linke Aktivisten und 
Gruppen in 22 Ländern).   
   
   Und in der österreichischen Tierschutzbewegung eine "verdeckte 
Ermittlerin" mit dem Decknamen Danielle Durand, die gerade als Zeugin 
vor Gericht stand, wo ihr vorgeworfen wurde, mit den von ihr 
Bespitzelten "sexuelle Beziehungen taktischer Natur" eingegangen zu 
sein. Die ersten beiden Staatsspitzel waren vor ihrer Enttarnung auch in
 der Berliner Linken aktiv. In der sogenannten Spitzelzentrale, der 
Anarchokneipe Baiz, traf ich mich mit zwei Leuten, die ihnen Quartier 
boten. "Simon Brenner" wohnte um den 1. Mai 2010 bei einem Studenten aus
 der "linksjugend ['solid]": Meas. Er schätzte den Spitzel als jemand 
ein, "der gerade politisch eingestiegen und neugierig ist". Er kannte 
ihn bereits aus Heidelberg.   
      Meas hatte dort die SDS-Gruppe mit aufgebaut, 
und der "verdeckte Ermittler" war als einer der Ersten bei ihnen 
aufgetaucht. Seine Tätigkeit als Provokateur übte er in zwei Richtungen 
aus: Einmal, indem er in den Berichten an seine LKA-Führungsoffiziere 
die Gefährlichkeit der von ihm Bespitzelten übertrieb, und zum anderen, 
indem er versuchte, Letztere zu kriminellen Handlungen zu bewegen. Als 
Meas z. B. in einer SDS-Sitzung erwähnte, dass er ein Fahrrad brauche, 
riet "Simon Brenner" ihm, sich doch eins am Bahnhof zu klauen. Und als 
er von einem besonders pazifistisch eingestellten Genossen erfuhr, dass 
dieser Chemie studierte, erreichte er, dass die Polizei bei dem 
"Chemiker" eine Hausdurchsuchung durchführte - weil der angeblich Bomben
 bauen würde. Zur Rückendeckung seines Spitzels ließ der Innenminister 
verlauten, dieser habe "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür geliefert, 
dass die von ihm Ausspionierten "künftig Straftaten begehen".   
      "Und dies alles trotz der verfassungsrechtlich
 garantierten Trennung von Geheimdienst und Polizei", schimpft Meas, der
 den Spitzel als einen "übermotivierten jungen Typen" bezeichnet, "mit 
dem man sich viel unterhalten konnte und der sich für die Probleme 
interessierte. Er war total sympathisch - und hat sich ohne Skrupel in 
das Privatleben eingemischt, sich auf Basis von Freundschaften 
eingeschlichen." Einer der Linken, der nach Simon Brenners Enttarnung 
bei seinem "Verhör" in Heidelberg dabei war, wunderte  sich, "dass einer
 so entfremdet von sich leben kann - und das ist dann sein Beruf. Im 
Grunde tut er mir leid." Eine Heidelberger Kommilitonin Brenners, die 
mit ihm zu Demonstrationen nach Berlin gefahren war, tut sich nun eher 
selbst leid: Sie fühlt sich von ihm "belogen und betrogen". Im 
Nachhinein will allerdings seine spießige Wohnungseinrichtung und sein 
Musikgeschmack sie bereits stutzig gemacht haben.   
      Der vom "Engländer" - Mark Kennedy - 
bespitzelte Berliner Genosse Wolf, der ihn ebenfalls, zusammen mit 
dessen Freundin, mehrmals beherbergt hatte, bezeichnet ihn ebenfalls als
 einen  "liebenswerten Menschen". Wolf, der ein Tattoostudio betrieb, wo
 sein Spitzel sich jedes Mal, wenn er ihn besuchte, "behandeln" ließ, 
wurde von Mark Kennedy zu einer großen dreitägigen Geburtstagsparty in 
Herfordshire mit 250 Leuten und vielen Entertainern eingeladen.    
      Mark Kennedy bekam für seinen Spitzeleinsatz 
insgesamt 2 Millionen Euro von seiner "Firma", der er dafür mehrmals 
täglich Bericht erstatten musste. Sein ganzes Equipment und seine 
szenetypischen Accessoires  waren vom Feinsten, er besaß darüber hinaus 
ein Boot und ein Haus, wo er mit seiner Freundin wohnte. Während er sich
 in der Ökobewegung durch sein Engagement (das ein "Agent 
provocateur"-Einsatz war) sowie durch allerlei Hilfsdienste - von 
Transporten über Zugblockaden bis zum Anbringen von Protesttransparenten
 an Kränen - äußerst beliebt gemacht hatte, stand er nach seiner 
Enttarnung und seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst plötzlich ohne 
Freunde (und Freundin) da. Die englische Presse sieht in ihm eher ein 
"Opfer" als einen "Täter".   
      Nachdem er aufgeflogen war, "switchte" er laut
 "Indymedia" nach einer Schrecksekunde sofort vom "Scene-Jargon" zur 
"Polizeisprache", das galt auch für Simon Brenner. Diese "Sprache"  
beherrschte Kennedy sowieso besser, denn seine "linke Ideologie" war, 
ebenso wie die von Brenner, eher "unterentwickelt". Anders bei den 
Spitzeln in leitenden Funktionen der Neonazi-Organisationen (u. a. bei 
der NPD), die keine doppelte  Denkweise für ihren Einsatz brauchen - und
 deswegen so gut wie keine Probleme haben, ihre "zwei Identitäten 
auszubalancieren", wie der englische Guardian das nennt.   
      Den Beamten von Scotland Yard und vom BKA ist 
es verboten, bei ihrer Spitzeltätigkeit in der Linken mit den 
Aktivistinnen sexuell zu verkehren. Brenner und Kennedy flogen deshalb 
auf, weil ihre Freundinnen hinter ihre Doppelexistenz kamen - und sie 
dann ihrerseits verrieten. Es sollte uns zu denken geben, dass 
ausgerechnet die Spitzel als die besten und engagiertesten Genossen 
galten. Ein englischer Freund von Kennedy meint sogar: "Er war zu gut, 
um wahr zu sein!" Sein Berliner Freund Wolf äußert sich ähnlich: "Er 
fiel durch seine große Hilfsbereitschaft auf. Obwohl ich enttäuscht von 
ihm bin, glaube ich doch nach wie vor, dass seine Freundschaft mit 
einigen Leuten ernst gemeint war."    
      Michel Foucault definierte die Freundschaft 
einmal als "die Summe all der Dinge, über die man einander Freude und 
Lust bereiten kann". Das Problem, auf das die linke Bewegung ziele, sei 
"das der Freundschaft", die zwischen Männern zerstört wurde und zwischen
 Männern und Frauen noch nie bestand. Dieses "Problem" stellte Foucault 
in den Horizont einer "Ethik - als einer Form, die man seinem Verhalten 
und seinem Leben zu geben hat". Die bisherige "Suche nach einer Form von
 Moral, die für alle annehmbar wäre - in dem Sinne, dass alle sich ihr 
zu unterwerfen hätten", habe sich als eine "Katastrophe" erwiesen. Eine 
solche linke "Moral" läuft im Endeffekt auf das hinaus, was die 
Psychotherapeutin Angelika Holderberg in dem Aufsatzband "Nach dem 
bewaffneten Kampf" schrieb: "In einer Diskussion mit ehemaligen 
RAF-Leuten fiel irgendwann der bedeutsame Satz ,In der RAF hat es keine 
wirklichen Freundschaften gegeben'." Dieses Defizit ist das Einfallstor 
für Spitzel!   
   Im Falle 
der drei aufgeflogenen V-Leute kommt hinzu: Sie haben Gruppen der 
"Öko-Bewegung" ausspioniert. Und dabei handelt es sich um "Single 
Issue"-Initiativen, also um Gruppen von Tierschützern, "Klimakämpfern", 
Anti-AKWlern oder Gentechkritikern. Diese zeichnen sich dadurch aus, 
dass sie sich zum einen die diesbezüglich herrschende Wissenschaft 
unkritisch aneignen - also Darwinismus, Atomphysik, Geochemie, Genetik, 
die sie dann freilich gegen ihre praktischen Anwender richten -, und 
sich zum anderen um der Effektivität ihres Engagements willen auf 
jeweils ein "Issue" konzentrieren. Dies ist ein weiteres Einfallstor für
 Spitzel, die bloß das dazu notwendige Grundwissen, bestehend aus 
borniertester Naturwissenschaft, auswendig lernen müssen, um 
einigermaßen mitreden und dann auch -handeln zu können. Das Wissen, die 
Erfahrungen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und vor allem die 
Marx'sche Warenanalyse stehen in diesen Gruppen nicht (mehr) zur 
Diskussion. Das macht den Spitzeln ihre Arbeit leicht, die als 
Polizisten sowieso mit naturwissenschaftlichen Versatzstücken ("harten 
Fakten") geschult werden, während sie in soziologischer Hinsicht eher 
Analphabeten sind.
