Österreichische und deutsche Politiker warnen vor paramilitärischen Neonazi-Gruppen in Sachsen, Ungarn und Österreich - Die Neonazi-Site Alpen-Donau.Info soll Teil dieses Netzwerkes sein
Wien/Dresden - Karin Köditz ist enttäuscht und empört. Die Abgeordnete der Fraktion Die Linke im sächsischen Landtag hatte - der Standard berichtete - eine Anfrage an den sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) zu den Umtrieben ehemaliger Neonazi-Größen aus Österreich in Sachsen und zu den Verbindungen eines NPD-Funktionärs aus Chemnitz zur Neonazi-Homepage Alpen-Donau.Info eingebracht. Und von Ulbig hätte sie klare Worte erwartet, was er darüber wisse.
Denn in der Anfrage ging es unter anderem auch um die beiden Österreicher Gottfried Küssel und Hans-Jörg Schimanek jun., die beide in den 1980ern und 90ern in der militanten österreichischen, neonazistischen Wehrsportgruppe "Volkstreue außerparlamentarische Opposition" (Vapo) aktiv waren. Beide halten sich seit einigen Jahren beruflich (im Bauwesen) und als Referenten auf einschlägigen Treffen immer wieder im sächsischen Raum auf. Im Zuge der Ermittlungen gegen Alpen-Donau.Info fand eine Hausdurchsuchung in Küssels Wohnung statt.
In seiner knappen Antwort berief sich Ulbig auf "Belange des Geheimschutzes", die in besagter Causa gewichtiger seien als der "Informationsanspruch der Abgeordneten".
"Entweder die Staatsregierung hat in den vergangenen Jahren gröblichst ihre Pflicht verletzt und verfügt tatsächlich über keine weiteren Informationen, oder sie führt die Öffentlichkeit bezüglich des Gefahrenpotenzials bewusst in die Irre", kritisiert Köditz, "beides wäre gleichermaßen skandalös." Die Politikerin will nämlich konkrete Informationen über den Aufbau von "Strukturen mit dem Charakter der früheren Wehrsportgruppen" haben - in Sachsen aber auch in Süddeutschland und in Ungarn.
Zu paramilitärischen Übungen, Waffenansammlungen und Treffen mit österreichischen, ungarischen und deutschen "Kameraden" in Ungarn liegen auch dem Grün-Parlamentarier Karl Öllinger Informationen und Fotos vor. Er richtete seinerseits im Vorjahr bereits zwei Anfragen an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Doch aus dem Ministerium hieß es, es lägen keine "Informationen über Wehrsportübungen in Österreich seit dem Jahr 2000 und über eine Teilnahme österreichischer Aktivisten bei Wehrsportübungen im Ausland" vor.
Nachfrage in Sachsen
Für Köditz droht "die Entwicklung eines tendenziell rechtsterroristischen Milieus". Deshalb brachte sie am Freitag eine Nachfrage bei Ulbig ein: Sie will wissen, was die Regierung "zur Zusammenarbeit der sächsischen NPD, einzelner Regionalgliederungen der Partei oder Parteimitgliedern mit Strukturen der extremen Rechten in Österreich oder Exponenten der dortigen extremen Rechten" wisse.
Und: "Welche über den Kontakt zum Bundesamt für Verfassungsschutz hinaus reichenden Maßnahmen hat die Staatsregierung seit 2004 ergriffen, um zu verhindern, dass der frühere Einfluss österreichischer Neonazis wie Gottfried Küssel und Hans-Jörg Schimanek in Ostdeutschland und speziell in Sachsen wiederhergestellt wird?" (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Printausgabe, 5.3.2011)