Eine kleine Gruppe Menschen hat heute Abend im Hauptbahnhof für das Recht zu demonstrieren demonstriert. Ziemlich meta, findet Martin, der bei der Demo dabei war.
Es ist so eine Art Metademo, die für Donnerstagabend 
18:00 Uhr am Hauptbahnhof beginnen soll: Für das Recht zu demonstrieren,
 und zwar auch in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden wie zum 
Beispiel Bahnhöfen.
Niemand möchte sich als Veranstalter outen – 
sonst wäre es ja keine echte Freiburger Demo – aber die 
Bildungsstreik-Initiatoren der PH haben am Mittag zu der Demo 
eingeladen. Bei der Bildungsstreikdemo im Juni letzten Jahres hatten 
zahlreiche Schüler das Gleis 1 des Hauptbahnhofs besetzt, denen jetzt 
strafrechtliche Folgen ins Haus stehen.
Fünf nach 6 haben sich 
acht Demonstranten zusammengefunden. Ein Bollerwagen mit 
Lautsprecheranlage und Revolutionsmusik ist aber schon da, das ist die 
Hauptsache. Die Polizei steht an jeder Straßenecke und 
in der Bahnhofshalle. Kleinere Mannschaften haben sich schon eine Stunde
 zuvor über die ganze Länge der Eisenbahn- und Bertoldstraße verteilt.
Zehn
 nach sechs schließen sich die Rollgitter der Bahnhofsunterführung. Ein 
geplanter Zug der Demonstranten durch das Untergeschoss des Bahnhofs ist
 damit ausgeschlossen. „Die halten uns ja für sehr gefährlich“, ist aus 
dem Grüppchen der Demonstranten zu hören. Außerdem bildet die Polizei 
eine Mauer an der Fußgängerampel unmittelbar vor dem 
Bahnhofs-Haupteingang. Die Demonstranten sind immer noch so wenige, dass
 sich Passanten nicht erschließt, ob die Polizei nur gegen Freiburger 
Ampelmännchenmissachter durchgreift. Passanten, die höflich fragen, 
werden durchgelassen. Viele lachen lauthals über das unverhältnismäßige 
Aufgebot.
Derweil werden die Personalien dieses 
Reporters durch die Polizei aufgenommen. Er ist gerührt, weil ihm das 
Ausweiszeigen immer sehr intim und erbaulich vorkommt. Der Staat, der 
ihn zwar umsorgt, aber sonst keine Notiz vom Einzelnen nimmt, schreibt 
sich seine Adresse auf.
Die Polizei verbittet sich, Porträtfotos 
von Kollegen auf fudder zu sehen. Mit einem ähnlichen Wunsch kam schon 
ein Demonstrant zu mir. Die sollen sich doch alle vermummen meinetwegen!
 Inzwischen sind genug Demonstranten da, um das ellenlange Transparent 
zu entrollen. „Gegen repressive Gewalt, für gelebte Protestkultur“ steht
 darauf. Das andere Transparent, das zwei Frauen tragen, lautet: „Gegen die repressive Kackscheiße“.
Demonstranten treten in Verhandlungen mit der Polizei. 
Das Bahnhofsgebäude gehöre zum größeren Teil einem privaten Unternehmen 
und nicht der Bahn, deshalb sei es kein öffentlicher Raum im Sinne des 
aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Das ist die 
Interpretation der Polizei. Die Demonstranten lassen sich auf den 
Kompromiss ein, auf Bahnsteig 1 ihre Kundgebung abzuhalten. „Wohlgemerkt
 nicht auf Gleis 1, sondern Bahnsteig 1!“, betont die Polizei. Zum 
Bahnsteig dürfen sie nur um die Halle herumlaufen.
Am Bahnsteig 
gibt es ein ähnliches Bild wie an der Ampel: Eine Mauer aus Polizisten 
sperrt den Zugang zum Gleis ab. Alle Züge für Gleis 1 wurden umgeleitet,
 der Bahnsteig ist verlassen, nur ein paar Reisende schauen erstaunt 
umher und suchen eine Tür, die sich öffnet. „Ich will zu einem Café!“, 
protestiert einer weinerlich.
Die Kundgebung handelt von 
Solidarität mit den zu Bußgeldern verdonnerten Gleisbesetzern, von 
weniger Repression und mehr Demonstrationsfreiheit und schließlich auch 
vom „Z“ als gefordetem Freiraum für Jugendkultur.
Demonstrieren 
müsse man überall dürfen, wo sich Menschen aufhalten, heißt es aus 
Flüstertüte. „Und nicht auf Geisterbahnsteigen, die extra gesperrt und 
leer geräumt wurden.“
