Die
Autonome Antifa Freiburg im Gespräch Aufgrund offensiver Pressearbeit
und qualitativer »Outingaktionen« gegen diverse Neonazistrukturen, hat
die Autonome Antifa Freiburg einiges Aufsehen erregt. Für uns ein guter
Grund über ihre Arbeit und Motivation zu sprechen. Das Interview wurde
anonym geführt.
Bitte stellt euch doch mal kurz vor.
Die
Autonome Antifa Freiburg ist eine Gruppe im Autonomen Zentrum KTS
Freiburg. Sie besteht aus SchülerInnen, StudentInnen, ArbeiterInnen,
BäuerInnen und Faulpelzen. Die Gruppe unterstützt sehr unterschiedliche
Projekte der radikalen Linken. Das Spektrum der Themen, mit denen wir
uns beschäftigen, umfasst neben der Antifapolitik auch
Antirepressionsarbeit, Antimilitarismus, Bildungspolitik, den Kampf um
Freiräume, Umweltpolitik, Antirassismus und Medienarbeit, insbesondere
im Rahmen der Internetseite »Indymedia linksunten«. Die Gruppe wurde im
Februar 2007 gegründet. Sie ging aus einer Spaltung der Antifa Freiburg
hervor, die es seit Dezember 2003 gab. Während die Antifa Freiburg sehr
heterogen war, ist die Autonome Antifa Freiburg eine anarchistische,
basisdemokratische und antikapitalistische Gruppe. Wir hegen ganz
generell ein kriminelles Selbstverständnis und organisieren neben
Antifaaktionen auch Hausbesetzungen, Demonstrationen und direkte
Aktionen. Militanz ist bei uns kein Thema sondern Konsens.
Welche
Projekte habt ihr über einen längeren Zeitraum verfolgt, wo lagen eure
größten Erfolge und an was arbeitet ihr zur Zeit?
Bezüglich
unserer Antifaarbeit haben wir vier Schwerpunkte: Breitenoutings,
Regionalaktionen, Kampagnen und Recherche. Mit Breitenoutings meinen wir
die Veröffentlichung von Demofotos hunderter Neonazis auf Indymedia mit
der Möglichkeit für andere Antifas, diese Fotos um Informationen zu
den abgebildeten Neonazis zu ergänzen. So haben wir beispielsweise 2007
in Frankfurt über 600 Neonazis geoutet, was für viel Aufmerksamkeit
sorgte. In Sempach in der Innerschweiz haben wir 2008 Fotos von rund 250
Neonazis veröffentlicht und damit einen Großteil der deutschschweizer
Neonaziszene zum ersten Mal in die Öffentlichkeit gezerrt. Auch hier gab
es ein großes Presseecho und die TeilnehmerInnenzahlen von Neonazidemos
in der Schweiz sind seitdem rückläufig. Unsere bekannteste Aktion mit
regionalem Bezug war das Outing des »JN-Bombenbauers« (JN =
Jugendorganisation der NPD) aus Weil am Rhein. Wir hatten den Neonazi
über einen längeren Zeitraum beobachtet und seine Anschlagspläne
öffentlich gemacht, nachdem er konkret mit Bomben experimentierte. Er
saß daraufhin in Untersuchungshaft und ihm wird in Kürze der Prozess
vor dem Landgericht gemacht. In Freiburg haben wir zum Beispiel die
Teilnahme eines CDU-Stadtrats an einer Neonaziveranstaltung
skandalisiert. Er wurde daraufhin nicht wiedergewählt. In einem anderen
Fall veröffentlichten wir ein Video, in dem ein Redakteur einer
Lokalzeitung und der extrem rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« in
einem Hakenkreuzpullover Orgel spielt. Am folgenden Tag wurde er von der
Lokalzeitung entlassen. Von 2007 bis 2009 arbeiteten wir an einer
Kampagne gegen den NPD Kreisverband Freiburg-Südlicher Oberrhein. Dabei
haben wir Treffpunkte aufgedeckt, mittels Social Engineering
Informationen gesammelt und durch virtuelle Unterwanderung für eine
starke Verunsicherung unter NPD-Mitgliedern und -SympathisantInnen
gesorgt. Nach und nach haben wir Mitglieder geoutet, sie lächerlich
gemacht und isoliert. Gleichzeitig war Antifapolitik für eine breite
Öffentlichkeit wahrnehmbar. Zum Abschluss haben wir den Freiburger
Vorsitzenden geoutet, der daraufhin den Kreisverband mit einer
öffentlichen Erklärung auflöste. Zwar gibt es noch immer Neonazis in
Freiburg, sie sind aber marginalisiert und haben keinen politischen
Einfluss. Wir sind zufrieden mit der Pro-Antifa-Stimmung, die durch
langjährige linksradikale Politik geschaffen wurde. Die aktuelle
öffentliche Kampagne richtet sich gegen das Neonaziforum »thiazi.net«.
Hier haben wir statt Breitenoutings bei einer Vielzahl von Neonazis das
Mittel des Tiefenoutings exponierter Personen gewählt – obwohl wir auch
schon mal einen Moderator in einer Kurzmeldung auf unserer Website
outen. Von zwei ModeratorInnen und einem sächsischen NPD-Kreisrat
veröffentlichten wir soziale Daten, Psychogramme sowie
Neonaziaktivitäten und bewirkten damit eine weitgehende Verunsicherung
vieler Neonazis. Da wir uns als Moderator einloggen konnten, hatten wir
Zugriff auf viele interne Daten dieses größten deutschsprachigen
Neonaziforums. Wir sind bei solchen Gelegenheiten immer wieder
erstaunt und belustigt über das Klima des gegenseitigen Bespitzelns,
unsolidarischen Lästerns und tiefsitzenden Misstrauens, das unter
Neonazis herrscht. Dieses Klima versuchen wir durch das Säen von Angst,
Unsicherheit und Zweifel zu verschlechtern.
Was
für Überlegungen stecken hinter eurem Politikstil? Einerseits seid ihr
eine »klassische« Stadtantifa, andererseits befindet Ihr euch ja z.B.
mit euren Hacks auf Neonazi-Server schon weit jenseits des legalen
Rahmens...
Wir mögen die Trennung zwischen Recherche
und Aktionen nicht. Dadurch entstehen Wissenshierarchien und oft werden
Chancen durch mangelhaften Informationsaustausch vertan. Da aber nicht
alle Antifas alle Dinge gleich gut können, setzen wir stark auf
Skill-Sharing und praktischen Erfahrungsaustausch: wir bilden uns und
andere. Dabei betonen wir insbesondere bei unerfahreneren GenossInnen
die mit unvorsichtiger Recherche einhergehenden Gefahren und zeigen
immer auch Abwehrtechniken auf. Und wenn man sich selbst zu schützen
weiß, kann man auch die Schwachstellen der Feinde besser erkennen und
ausnutzen. Kriminalisiert werden wir aber meistens nicht wegen unserer
Internetaktivitäten sondern wegen anderer linksradikaler Aktionen. Wir
beteiligen uns etwa an der Organisation unangemeldeter Demonstrationen
und rufen gezielt zur Vermummung auf. Wir haben zwar den Eindruck, dass
unsere starke Präsenz in der Öffentlichkeit einen gewissen Schutz vor
Repression bietet, aber dennoch müssen wir uns regelmäßig mit
Antirepressionsarbeit beschäftigen.
Welche guten
bzw. schlechten Erfahrungen habt ihr mit eurer Arbeit gemacht und warum
habt ihr euch für eine solche Form der Arbeit entschieden? Was können
andere daraus lernen?
Unsere Antifaarbeit ist
erfolgsorientiert und lässt sich am Schaden messen, den wir den Neonazis
zufügen. Dabei wählen wir das jeweils angemessenste Mittel, haben aber
natürlich auch die Nebeneffekte und die Repression im Auge. Häufig
setzen wir auf offensive Pressearbeit und nutzen neben unseren eigenen
Medien (wie unserer Website, die Internetseite »Indymedia« und freie
Radios) auch bürgerliche Zeitungen, Radio- und Fernsehsender. Unsere
eigene Website wurde mehrmals zensiert und verklagt, weshalb wir im
Frühjahr 2010 zu einem isländischen Provider migriert sind.
Hat
Bündnisarbeit mit anderen Antifa-Gruppen, regional wie überregional,
Gewerkschaften etc. bei euch eine hohe Priorität, oder versteht Ihr euch
eher als Freelancer, die mit Ihren speziellen Fähigkeiten einen eigenen
Weg gehen?
Wir wollen keine Elite sein und arbeiten grundsätzlich mit allen Linken zusammen, die Neonazis schaden wollen. Für uns sind Bündnisse aber kein Mittel, um gesellschaftlichen Einfluss zu bekommen. Wir versuchen immer mit Leuten vor Ort zusammenzuarbeiten, allerdings haben wir auch schlechte Erfahrungen gemacht. Insbesondere der DGB hat uns mehrmals verraten und sich als Bündnispartner diskreditiert. Wir sind im Antifaschistischen Aktionsbündnis Baden-Württemberg organisiert, denn für uns ist die kontinuierliche und solidarische Zusammenarbeit linksradikaler Antifagruppen wichtig. Nur gemeinsam können wir den Neonazis Einhalt gebieten und für die soziale Revolution kämpfen.
Mehr Informationen unter: Autonome Antifa Freiburg