LIEBIG 14 - Der Countdown läuft...

Wir bleiben Alle

Lasst es krachen, lasst es knallen...
Das Hausprojekt Liebig 14 in Berlin/Friedrichshain steht kurz vor der Räumung. Nach den Gerichtsverhandlungen im November 2009 ist auf juristischer Ebene nichts mehr zu holen. Runde Tische und Verhandlungen mit Politiker_innen haben sich erwartungsgemäß als nutzlos erwiesen. Schließlich wurden Anfang Januar 2011 Räumungsbescheide für den 2. Februar 2011 zugestellt. D.h. an diesem Tag werden die Bullen versuchen, die Bewohner_innen des Hauses zusammen mit der Wohnungseinrichtung, auf die Straße zu werfen. Was jetzt zählt sind Solidarität und entschlossener Aktionismus. Dies ist ein Aufruf, der sich an radikale Bezugsgruppen und Zusammenhänge sowie an Einzelpersonen richtet. Dabei geht es uns nicht nur um das Haus Liebig 14, sondern vor allem um die Ideen, die hinter diesem Projekt stehen. Wir stellen euch ein mögliches Aktionskonzept vor und liefern auch inhaltliches dazu.


Dezentral und unkontrollierbar

Wir werden uns nicht auf angemeldete Aktionen verlassen, sondern spontan, teuer und unkontrollierbar sein. Unser Antiräumungskonzept heißt: Dezentrale Aktionen.
Angemeldete Demos, werden durch Bullen, Vorkontrollen und Kameras isoliert, überwacht und stehen einer Räumung nicht direkt im Wege. Wir machen unsere Aktionen wann, wo und wie wir es wollen, bei Nacht und Nebel oder spontan auf der Straße. Was nicht angemeldet wird, sondern ständig in der ganzen Stadt passieren könnte, entzieht sich der Kontrolle durch Bullen und bietet somit weniger Angriffsfläche für Repression. Aktionismus ist für uns ein Weg, die Anfang Februar zu erwartenden Ereignisse nicht unkommentiert stehen zu lassen und zu zeigen, dass das Projekt Liebig 14 mehr ist als die Menschen, die drin Wohnen.
Es wurde versucht über Dialoge, Verhandlungen und mit Kompromissbereitschaft den Erhalt des Projekts Liebig 14 zu erwirken, was gescheitert ist. Was uns noch bleibt, ist unsere Solidarität und die aktionistische Ebene. Die Initiatoren für die Scheiße sind: die Hauseigentümer Edwin Thöne und Suitbert Beulker sowie die Justizbehörden, der Senat und die Bullen. Die drohende Räumung sehen wir aber vor allem als Folge des profitorientierten Aufwertungswahns in den Städten und damit als Folge kapitalistischer Verwertungslogik. Wir meinen, dass es Sinn macht, diesem kapitalistischen Normalbetrieb wo und wie es nur geht Steine in den Weg zu legen. Nicht, weil wir Anfang Februar die Revolution vom Zaun brechen wollen, sondern um die Diskrepanz aufzuzeigen zwischen dem „sozialen Anspruch“, welcher uns immer wieder von vielen Seiten (z.b. vom rot-roten Berliner Senat) vorgebetet wird und der Realität. Oder die Diskrepanz zwischen einem „Recht auf Wohnraum“ und dem Preis, der dafür bezahlt werden soll. Diese Widersprüche wollen wir ansprechen, sichtbar machen und überwinden.
Wir wünschen uns Aktionen, die sich auf die drohende Räumung beziehen, und die den emanzipatorischen Anspruch der Menschen, die das Hausprojekt Liebig 14 beleben, unterstreichen. Nicht weil wir die besseren Menschen sind, sondern damit unsere Intentionen nicht durch die Reduzierung auf Gewalt diskreditiert werden. Da militante Aktionen selten selbsterklärend sind, oder zumindest in der Öffentlichkeit nicht als das Wahrgenommen werden wofür sie eigentlich stehen, halten wir es für unumgänglich, das sie erläutert werden. So ist es möglich, das aus vielen kleinen Funken ein Flächenbrand entsteht, der auch in der Gesellschaft als das aufgegriffen werden kann was er ist: Solidarität mit dem akut von Räumung bedrohten Hausprojekt Liebig 14 und keine, wie so oft betitelte „sinnlose Randale“. Es sollte daran gearbeitet werden, dass unsere Politik mehr zum gesellschaftlichen Diskurs wird. Wir denken auch, dass dadurch dem Versuch der Kriminalisierung und Isolation emanzipatorischer Politik entgegen zu wirken ist. Um unsere Vorstellung einer anderen Gesellschaft in eine öffentliche Diskussion zu bringen sollten alle Wege der Kommunikation genutzt werden – Indymedia und die Interim einerseits, auflagenstarke Zeitungen und Massenmedien andererseits.
Solidaritätsbekundungen aus allen möglichen anderen Orten, in welcher Form auch immer, stellen eine Räumung in einen größeren Kontext und schaffen eine größere Öffentlichkeit.

Gentrifizierung und Kritik an der Kritik

Die drohende Räumung der Liebig 14 ist von Politik und Staat gewollt, aber auch Teil des Prozesses der „Gentrifizierung“ und damit folge kapitalisitscher Verwertungslogik. Was in der Stadt einen Großteil der dort lebenden Menschen betrifft, ist im Prinzip dasselbe, was die Bewohner_innen der Liebigstr. 14 betrifft. Aufwertung durch Sanierung und Modernisierung ist der erste logische Schritt, wenn es darum geht aus Wohnraum einen möglichst hohen Profit zu schlagen. Steigende Mieten und dadurch die Verdrängung der Menschen, die sich diese nicht mehr leisten können oder wollen sind die Folge. Doch es regt sich bereits Widerstand gegen Aufwertung, Mietsteigerungen, Verdrängung und Bebauung, der in den unterschiedlichsten Formen sichtbar wird. Das finden wir auch Grundsätztlich gut, jedoch kritisieren wir, dass sich die Kritik an der Umstrukturierung häufig auf den eigenen Kiez, sowie die direkten Auswirkungen dieser diffusen Logik beschränkt. Dabei werden dann oft „Yuppies“, oder zumindest die Politik, Investor_innen und Hauseigentümer_innen als Verantwortliche deklariert. Dies greift zu kurz, denn es verkennt die Totalität kapitalistischer Verwertungslogik. Zudem lenken Personifizierungen von den Grundproblemen ab. Da der Prozess der „Gentrifizierung“ nur in Gesellschaften möglich ist, in denen die Bedürfnisbefriedigung über Markt- und Konkurrenzmechanismen organisiert werden, darf eine umfassende Kritik nicht erst bei der Verdrängung von Menschen durch Mietsteigerungen anfangen, sondern muss die kapitalistische Gesellschaftsordnung an sich angreifen. Der Begriff „Gentrifizierung“ eignet sich aber, um die Grundzüge dieser kapitalistischen Gesellschaft Anhand eines konkreten Problems zu kritisieren, das alle betrifft - nämlich das bezahlen von Miete.
„Gated Communitys“ und „Safety Living“ werden als Antwort auf zukünftig zu erwartende Soziale Spannungen präsentiert. Doch dass sich dadurch Probleme weder verschieben, noch lösen lassen, sondern diese noch verschärfen, dürfte klar sein.

Für eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Zwänge

Wir wissen nicht, wann und wie die Abschaffung von Nationalstaatlichkeit, die Kollektivierung von Produktionsmitteln und die Emanzipation aller Individuen stattfindet. Aber wir haben eine Vorstellung davon, wie eine andere Gesellschaft aussehen könnte und außer Zweifel steht für uns, dass dazu die gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse überwunden werden müssen!
Als Möglichkeit für eine linksradikale Kritik an den momentan herrschenden Verhältnissen zählt für uns ein „Freiraum“, in dem Menschen versuchen können, die Idee einer hierarchiefreien Gesellschaft ohne Unterdrückungsmechanismen umzusetzen. Hierbei ist auch ein Begegnungsraum nötig, der es ermöglicht sich zu treffen, gemeinsam zu organisieren und zu vernetzen.
Unter einem „Freiraum“ verstehen wir Orte, an denen sich jeder Mensch frei von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Identität, etc. bewegen kann. Da diese Formen der Unterdrückung in unserer Gesellschaft alltäglich reproduziert werden, ist es wichtig, Räume zu schaffen und zu erhalten, in denen diese in frage gestellt, diskutiert und reflektiert werden, sowie eine Loslösung davon praktiziert werden kann. Unserer Meinung nach, ist es aber vor allem wichtig nicht nur all diese tollen Ansprüche zu haben und zu versuchen, sie umzusetzen, sondern der Anspruch sollte es auch sein, einen „Output“ zu haben. D.h., sich nicht die eigene schöne Welt aufzubauen, schließlich gibt es kein richtiges Leben im falschen, sondern zu versuchen mit den Ideen die hinter den Projekten stehen in die Gesellschaft zu intervenieren. Wir sind uns sehr wohl bewusst darüber, dass die Projekte, die sich selbst das Label „Freiraum“ geben, häufig den Ansprüchen, die wir theoretisch unter diesem Begriff einordnen hinterherhinken, darum wollen wir kurz unsere Sicht der Dinge erläutern: Wir wollen den Begriff verwenden, um der Utopie eines Raumes ohne Unterdrückung einen Namen zu geben. D.h. wir sehen hinter dem Begriff „Freiraum“ einen Optimalzustand, den es anzustreben gilt, der jedoch nicht erreicht werden kann, da wir alle in einer kapitalistischen Gesellschaft mit all ihren Unterdrückungsformen sozialisiert sind. Darum verwenden wir den Begriff auch, um einen Raum zu beschreiben, in dem Menschen den Anspruch haben einen „Freiraum“ zu schaffen. „Den Anspruch haben“ heißt für uns dann aber auch, sich aktiv mit Herrschaftsverhältnissen auseinander zu setzen und auch die eigene Rolle darin selbstkritisch ständig zu reflektieren. Ein Raum wie die Liebig 14 bietet auch die Möglichkeit, das Prinzip der Selbstverwaltung praktisch umzusetzen und im kleinen Maßstab lebbar zu machen. Zur individuellen Vereinzelung im Kapitalismus stellt die kollektive Wohnform zudem einen Gegenpol dar, die auch Illegalisierten einen Schutzraum bieten kann.

Repression – business as usual?

Den Verlust eines solchen Freiraumes werden wir nicht hinnehmen! Ein Angriff auf Hausprojekte bedeutet für uns nicht nur einen Angriff auf autonome Strukturen in Berlin, sondern auch ein Angriff auf alle Menschen, die hinter den Ideen einer ganz anderen, emanzipatorischen Gesellschaft stehen.
Des weiteren sehen wir in der Bedrohung der Liebig 14 die Fortführung staatlicher Repression gegen autonome Strukturen und auch gegen Einzelpersonen. Aber auch anderswo wird geräumt, gerazzt und verhaftet. Besetzte Häuser in Erfurt, Hamburg, Wien, Wilhelmshaven, Dresden, Münster, Oldenburg, Wien, Magdeburg und Wittenberg wurden geräumt. Die Bullendichte im Kiez um die Liebig 14 ist so hoch, dass sich die Anwohner_innen an den Kopf fassen. Bei solch einer Überpräsenz ist es zwangsläufig, dass auch mal Bullen durchdrehen und wild um sich schießen, wie in Berlin und anderswo in letzter zeit mehrmals geschehen.
Der bürgerliche Staat und die Ökonomie stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander – kein Kapitalismus funktioniert ohne eingriffe des Staates. Andererseits ist auch der Staat selbst ein Akteur im Kapitalismus. Eine emanzipatorische Gesellschaft, erreichen wir nur durch die Abschaffung des bürgerlichen Staates und der kapitalistischen Verhältnisse. Repression begreifen wir auch als eine Art Selbsterhaltungsstreben des bestehenden. Darin, und in der Ablehnung hierarchischer Strukturen allgemein, gründet unsere Verweigerung gegenüber dem bürgerlichen Staat und auch gegenüber seinen Repräsentant_innen. Das geht, von der Ablehnung von Forderungen an Politiker_innen, bis zur Freude über Angriffe auf Bullenwachen. Wir erkennen weder diesen Staat als Entscheidungsträger an, noch seine Politiker_innen die sich als unsere Stellvertreter_innen ausgeben. Wir akzeptieren nicht, dass andere Menschen entscheiden wie und wo wir zu leben haben. Es liegt uns fern, mit dem Staat in einen Dialog zu treten oder Forderungen zu stellen. Wir müssen unsere Anliegen in einem Prozess der Selbstorganisation und im Konsens aller betroffenen Menschen umsetzen.
Sollte die Liebig 14 geräumt werden haben die „Verantwortlichen“ aus Justiz, Polizei und Politik das Problem, denn die werden sich in der Öffentlichkeit für die hohen Kosten einer Räumung und ihre Folgen rechtfertigen müssten. Soziale Probleme, die diese Gesellschaftsordnung hervorruft, lassen sich nicht durch Räumungen aus der Welt schaffen – genauso wenig wie unsere Vorstellungen einer anderen Gesellschaft.

Wir haben schon längst keinen Bock mehr auf diesen Staat und seine Repression, wir haben keinen Bock auf Unterdrückung und Konkurrenz und wir haben keinen Bock auf Kapitalismus und seine neoliberalen Versprechen. Eine Räumung der Liebig 14 kommt für uns überhaupt nicht in Frage. Deshalb ist es wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen und klar zu machen, dass „die Häuser“ mehr sind als ihre Bewohner_innen und dass eine Räumung eine verdammt teure Sache werden kann.

Der Countdown läuft...

 



Autonome Gruppen sagen: [Wir bleiben Alle]



Infotelefon: 0157 87210777 sowie 0176 38341342
Infotelefon und Infopoint sind während der Demo am 29.01 um 15:00 am Kottbusser Tor sowie von Dienstag 01.02. um 16:00 bis Donnerstag 03.02 16:00 ständig besetzt.

email Infopunkt: wba-actionweeks@riseup.net

Schlafplatzbörse: schlafplatzberlin@riseup.net

nützliche Internetseiten: liebig14.blogsport.de, wba.blogsport.de, l14soli.blogsport.de