Eine Aktion für den Frieden

Erstveröffentlicht: 
09.01.2011

Neulich lernte ich zwei Amerikanerinnen kennen, eine war 82, die andere über 90, und beide noch aktiv. Eine ihrer Gruppen heißt »Grannies for Peace«. Sie schilderten eine Aktion, die mir dermaßen gefiel, daß ich überlegt habe, ob sie nicht nachzuahmen wäre. Sie ist sehr einfach.

 

Nach geschickter Pressevorbereitung trifft sich eine Gruppe älterer Frauen, je älter desto besser, mit Schildern und Faltblättern bewaffnet vor einem Rekrutierungsbüro der Bundeswehr. Sie blockieren den Zugang und verlangen, selbst eingezogen zu werden. Gegenüber der Presse nennen sie etwa folgende Gründe:

 

Erstens: Wenn wir in die Bundeswehr eintreten, kann man junge Männer und Frauen davor verschonen, in Afghanistan oder sonstwo zu sterben und zu töten. Ihr jüngeres Leben soll nicht riskiert werden.

 

Zweitens: Wenn wir gehen, brauchen Offiziere nicht an Schulen und Hochschulen Kinder und Jugendliche für das Töten zu begeistern. Statt zu lernen, wie man Panzer und Jagdflieger bedient, sollen sie besser lernen, wie man Staubsauger, Gartenhacken und Solarheizer bedient.

 

Drittens: Wir brauchen keine Körperrüstung, keine teuren Panzerwagen. Das eingesparte Geld soll Schulen, dem Gesundheitswesen, bezahlbaren Wohnungen und Umweltprojekten zugute kommen. Das bringt es mehr Jobs als in der Militärindustrie.

 

Viertens: Wir würden uns gut mit den Omas und anderen afghanischen Frauen verständigen. Auch sie wollen ihre Söhne und Enkel vor dem Sterben retten, den Krieg also beenden. Wie wir wollen sie gleiche Rechte für Frauen. Mit uns würden sie am ehesten reden. Unter uns sind einige Türkinnen, Araberinnen und andere, auch wir Deutschstämmige wären dort bereit, mal eine Kopfbedeckung zu tragen. Tun viele von uns sowieso.

 

Fünftens: Wir sind bereit, auf diese Art unserem Lande zu dienen, und glauben, das wäre eine gute Art.

 

Der Nutzeffekt einer solchen Aktion ist klar: Die Menschen müßten über die Unmöglichkeit, ja Frechheit unserer Idee lachen (was die Menschen gern tun), aber sie würden auch ins Nachdenken kommen, ob darin nicht manche Wahrheit liegt. Man könnte eine beliebige Zahl von Rekrutierungsstellen an verschiedenen Orten aussuchen, am besten wohl ohne die Aktion anzukündigen, man könnte sich aber auch auf Berlin konzentrieren. Man dürfte die Auslandspresse nicht vergessen – und man könnte ruhig sagen, daß die Idee aus New York stammt. Übrigens blockierten die »Grannies for Peace« direkt am Times Square ganz stur den Weg zum Rekrutierungsamt, sie wurden deswegen verhaftet und verbrachten mehrere Stunden im Gefängnis, was sich günstig auf die Publicity auswirkte. Es dauerte ein Jahr, bis sie in letzter Instanz als »unschuldig« freigesprochen wurden.

 

Es wäre nicht falsch, wenn die Großmütter von Kindern und Enkelchen begleitet würden, doch nur sie selber sollten blockieren (und eventuell verhaftet werden). Ältere Modeartikel (Hüte!) würden den Kameraleuten besonders gefallen.

 

Victor Grossman