Seit SPD und Grüne im Jahr 2003 alle Beschränkungen in der Leiharbeit beseitigt haben, ist die Zahl der Menschen, die von Leihfirmen auf dem Markt vermietet werden, von 300.000 auf 900.000 (2010) gestiegen. Viele von ihnen wurden von den Arbeitsagenturen gezwungen, sich von den Menschenhändlern für Niedriglöhne vermieten zu lassen. LeiharbeiterInnen verdienen im Schnitt 30% weniger als ihre KollegInnen bei den Entleihfirmen. Eine Ursache für die Dumpinglöhne waren die Gefälligkeitstarifverträge der Christlichen Gewerkschaften.
Am 14. Dezember hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit aberkannt (Az: 1 ABR 19/10). Damit sind alle Tarifverträge unwirksam, die von der CGZP alleine abgeschlossen wurden. Das schriftliche Urteil des BAG liegt noch nicht vor.
Sofortiger Rechtsanspruch auf „equal pay“
Alle LeiharbeiterInnen, für die die jetzt unwirksamen Tarifverträge galten, oder in deren Arbeitsverträgen auf diese Bezug genommen wird, haben ab sofort einen Rechtsanspruch darauf, nach den gültigen Tarifverträgen, oder sonstigen Regelungen der Entleihfirmen bezahlt und behandelt zu werden. Selbstverständlich gehören dazu neben dem normalen Lohn auch Zulagen, variable Zuschläge, Prämien usw. Außerdem können die betroffenen LeiharbeiterInnen ggf. rückwirkend für die vergangenen 3 Jahre Anspruch auf Gleichbehandlung geltend machen (s.u.).
Betroffen sind Beschäftigte, die in den vergangenen Jahren unter den CGZP-Tarifverträgen z.B. mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) oder dem Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. (BDV) arbeiten mußten. Außerdem all jene, in deren Arbeitsverträgen auf diese Tarifverträge Bezug genommen wurde.
Der rechtliche Hintergrund 
Schon in den Vorinstanzen hatten das Arbeitsgericht Berlin und das LAG 
Berlin-Brandenburg festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Die
 dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden hat das BAG jetzt abgewiesen.
In seiner Pressemitteilung begründet das BAG seine Entscheidung damit, dass Tarifverträge auf Arbeitnehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisation) abgeschlossen werden können.
Die CGZP ist aber keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesez (TVG), weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften (CGB, DHV und GÖD) nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.
200.000 - 300.000 LeiharbeiterInnen hoffen auf Nachzahlungen 
Wenn kein gültiger Tarifvertrag für ein Leiharbeitsverhältnis angewandt 
wurde, gilt für die betroffenen LeiharbeiterInnen, dass Vereinbarungen, 
die sie für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechter 
stellen, als die vergleichbaren Beschäftigten im Betrieb, unwirksam 
sind. 
Gemäß Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) §10 (4) können 
LeiharbeiterInnen in diesem Fall (Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem
 Verleiher nach § 9 Nr. 2 ) vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb 
des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers 
geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des 
Arbeitsentgelts verlangen. 
LeiharbeiterInnen, die nach CGZP-Tarif bezahlt wurden, haben damit 
Anspruch auf die gleichen tariflichen Bedingungen wie die 
Stammbelegschaften. Je nach angewandtem Tarif- oder  Arbeitsvertrag 
besteht daher für viele Beschäftigte die Möglichkeit, die Differenz an 
Lohn, Zulagen, Urlaubstagen etc rückwirkend geltend zu machen. 
Da die CGZP-Tarifverträge (zumindest die bis 2009 abgeschlossenen) wegen
 Tarifunfähigkeit nichtig sind, sind auch dort festgelegte 
Ausschlussfristen nichtig. Die Geltendmachung der Ansprüche kann daher 
vermutlich bis zu 3 Jahre (§ 195 BGB) rückwirkend erfolgen! 
Alle LeiharbeiterInnen sollten zügig prüfen ob in ihren Arbeitsverträgen
 auf die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft CGZP Bezug genommen wird 
und ggf Klage beim Arbeitsgericht einreichen. 
Achtung miese Tricks 
Seit 01. Januar 2010 haben neben der Tarifgemeinschaft CGZP auch die 
Pseudogewerkschaften CGM, DHV und GÖD die Tarifverträge in der 
Leiharbeit mit unterschrieben. Ob diese neuen Tarife vom BAG Urteil mit 
erfasst werden ist noch nicht bekannt, es ist aber zu erwarten, dass sie
 erstmal weiter gültig sind. 
CGZP und DGB-Tarifgemeinschaft 
Die CGZP hat mit etwa 1.600 Firmen der Verbände AMP und BVD, aber auch 
mit kleinen Verleihern Tarifverträge abgeschlossen, die für zwei- bis 
dreihunderttausend LeiharbeiterInnen angewendet wurden. Von den rund 
800.000 LeiharbeiterInnen, die im Jahr 2008 in Deutschland im 
Durchschnitt beschäftigt waren, waren nach Angaben der FAZ 1.383 
Personen Mitglieder der Christlichen Gewerkschaften der CGZP.
Für rund 500.000 heutige LeiharbeiterInnen gelten nicht die Tarifverträge der CGZP, sondern die Deals, die die DGB-Tarifgemeinschaft mit den beiden großen Menschenhändlerverbänden iGZ und BZA abgeschlossen hat. Diese Tarifverträge sind an manchen Punkten minimal besser, d.h. die Dumpinglöhne sind teilweise um einige Cent pro Stunde höher. Der Mitgliederstand der DGB-Gewerkschaften in der Leiharbeit dürfte sich aber aus gutem Grund ebenfalls im mikroskopischen Bereich bewegen.
Mindestlohn – die (er)Lösung?
Von dem BAG Urteil gegen die CGZP profitieren diese LeiharbeiterInnen nicht, denn erst in diesem Jahr hat die DGB-Tarifgemeinschaft ihre eigenen Dumpingverträge verlängert. Umso absurder ist die vorgetragene Freude von verdi- und DGB Funktionären. Sie haben - selbst wenn sie es wollten - keine Möglichkeit mehr, die Leiharbeitsindustrie durch die Verweigerung eines Tarifabschlusses zu „equal pay“ und „equal treatment“ zu zwingen. Auch wenn sie ihre Tarifverträge jetzt fristgerecht kündigen würden, würden diese nachwirken, Jahr für Jahr, wie in Stein gemeißelt.
So ist es kein Wunder, dass von DGB, verdi und IG Metall schon seit längerem ein Mindestlohn für die Leiharbeitsindustrie gefordert wird. Es wäre ein Ausweg aus ihrem selbst verschuldeten Dilemma – allerdings auf Kosten der LeiharbeiterInnen. Denn ein staatlich verordneter Mindestlohn wird immer weit unter den Löhnen und Arbeitsbedingungen in den Entleihfirmen liegen und damit das Gegenteil von „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sein. Es wäre die Fortsetzung der Massendiskriminierung unter anderem Namen.
Für die Gewerkschaften der FAU gilt weiterhin, dass wir den gewerblichen Menschenhandel für ein Verbrechen halten und die umgehende Abschaffung der Leiharbeit fordern!

