Auftakt im Ländle

Erstveröffentlicht: 
16.12.2010

Auftakt im Lände

Die NPD will Ende März bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg in allen 70 Wahlkreisen antreten. Fast die Hälfte der nötigen rund 10.000 Unterschriften fehlen aber noch. Die Parteispitze macht Druck.

 

Allein die auffälligen Aufkleber an manchen Fahrzeugen fielen ins Auge. Die anreisenden Gäste dagegen sahen unauffällig aus. Vor dem zugeschneiten Gasthof Bertholdshöhe im Ortsteil Villingen im baden-württembergischen Schwarzwald-Baar-Kreis parkten am 5. Dezember über zwanzig Autos aus dem gesamten Ländle. Familien mit Kindern, ältere Herrschaften in altmodischen Anzügen und einige kräftigere, junge Männer eilten schnell in das in hellen Tönen gestrichene Gebäude auf dem Hügel. An einem schwarzen Landrover prangte neben der Deutschlandfahne eine Irminsul sowie der Spruch „So sind wir“ – eine Liedzeile der extrem rechten Hooliganband „Kategorie C“. Ein blauer Passat aus Balingen zeigte das Symbol der ariogermanischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ am Heck. Eine ähnliche Aufkleber-Variante mit zwei nordischen Vögeln, die den christlichen Fisch greifen, klebte am Rückfenster eines Fiats.

 

Hier feierte an diesem winterlichen Sonntag der Landesverband der württembergischen NPD sein „Julfest“. Organisiert von der einflussreichsten Neonazi-Aktivistin der Region, Edda Schmidt aus Bisingen, Chefin der NPD-Unterorganisation Ring Nationaler Frauen (RNF) sowie dem Landeschef der Partei Jürgen Schützinger, der auch Mandatsträger in der Region Villingen-Schwenningen ist. Mehrere größere Neonazi-Veranstaltungen fanden bereits im Gasthof Bertholdshöhe statt: der Landesparteitag 2006, die Jahreshauptversammlung des NPD-Kreisverbandes sowie im Juli ein großes Rechtsrock-Konzert mit rund 200 einschlägigen Gästen sowie unter anderem den Bands „Frontalkraft“ aus Brandenburg und „Hetzjagd“ aus Bremen.

 

„Spitzensammler“ der Partei schon in Sachsen-Anhalt eingebunden

 

Die NPD in Baden-Württemberg versucht, die eigene Kameradenmannschaft mit einem gemütlichen Beisammensein in „feierlicher Kleidung“ nicht nur kulturell, sondern auch politisch in Stellung zu bringen. Am 27. März sind Landtagswahlen und es fehlen in vielen der 70 Landkreise noch die nötigen Unterschriften zur Aufstellung der Direktkandidaten.

 

Nur in rund 20 Prozent der Wahlkreisen gilt die NPD-Arbeit bisher als „vollendet“, knapp über die Hälfte haben genug Stimmen gesammelt. In Baden-Württemberg existiert die Besonderheit, dass es keine Landeslisten gibt. Will die NPD in allen Wahlkreisen Kandidaten aufstellen, dann benötigt sie jeweils 150 Unterschriften, also insgesamt über 10 000 Gönner. Zudem kann der Landesverband, der maßgeblich von Alexander Neidlein und Janus Nowak gesteuert wird, nicht auf Hilfe von außen rechnen. Die „Spitzensammler“ der Partei sind zur Zeit in den bereits begonnenen Vorwahlkampf zur Landtagswahl am 20. März in Sachsen-Anhalt eingebunden. In Wahlkreisen wie Stuttgart, Backnang, Heilbronn, Main-Tauber, Schwäbisch-Hall, Konstanz, Singen oder Lörrach gilt der Antritt der NPD bereits als gesichert, in Rottweil und Villingen-Schwenningen wurden sogar mehr Unterschriften als nötig gesammelt.

 

„Alte Omis höflich ansprechen“

 

Seit dem Sommer machen Landesgeschäftsführer Neidlein und der stellvertretende Vorsitzende Nowak Druck, unter anderem auch, so heißt es intern, um die Republikaner „endgültig in die Knie zu zwingen“. „Also ran an den Speck. Lasst uns die guten und besten Wahlkreise zumachen“, fordert Neidlein. Nowak mahnt Anfang Oktober, dass die Kameraden die Fleißarbeit der Unterschriftenwerbung nicht für die Parteikader machen würden, „sondern für unsere gemeinsame Sache und unser gemeinsames Ziel!“ Locker empfiehlt er ihnen, „sich einfach nur gut angezogen, sauber und nüchtern“ an die Arbeit zu machen und „irgendwelche alten Omis höflich“ anzusprechen. Er warnt: „Sicher gibt es auch Gebiete, wo man nicht unbedingt sammeln sollte.“

 

Der selbstständige Programmierer Nowak hat bereits ein NPD-Mandat im Böblinger Kreistag. Im November musste sich der mehrmals verurteilte 32-Jährige erneut wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten. Im früheren „Backstage Rockclub“ im Weikersheimer Ortsteil Elpersheim lebt der frühere Kroatien-Söldner und einflussreiche NPD-Drahtzieher Alexander Neidlein. Ehrenamtlich hilft der 35-jährige Neonazi im örtlichen Tierheim aus.

 

Mitgliederschulung zum Thema Nachkriegspolitik

 

Bei den letzten Wahlen in Baden-Württemberg waren als Kandidatinnen neben der braunen Ländle-Ikone Schmidt immer auch junge Frauen aufgestellt worden. Die meisten kamen und gingen. Zur Landtagswahl 2011 will die 1979 in Kasachstan geborene Friseurmeisterin Nelly Rühle aus Schwäbisch-Hall antreten. Schlechter sieht es zur Zeit noch bei Tanja Haupt aus Schwäbisch Gmünd aus, in ihrem Wahlkreis wurden erst 21 Prozent der notwendigen Stimmen ergattert. Von den 50 000 Euro an erhofften Spenden sind nach Angaben von NPD-Landesschatzmeister Klemens Lockfisch bisher gerade mal 11 754 Euro eingegangen.

 

In den vergangenen Monaten war einiges los in Baden-Württemberg. Anfang Juli fand eine Mitgliederschulung mit Dr. Hermann Alfred Denzel zum Thema Nachkriegspolitik statt. Der Jagdflieger Reinhold Leidenfrost und Neonazi Christian Worch wurden für September im „Nationalen Zentrum“ in Söllingen-Rheinmünster angekündigt. Im Raum Waiblingen wollte der Vater von Edda Schmidt und ehemalige Angehörige der SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ Sepp Biber über den SS-Dichter Kurt Eggers referieren, Frank Rennicke im Anschluss seine Szenelieder anstimmen. Der Eintritt wurde mit 10 Euro angegeben. Dabei schien es den Veranstaltern notwendig, darauf hinzuweisen, dass „sich dem Anlass entsprechend“ gekleidet werden solle und in Gegenwart des Kameraden Biber „ein ordentliches Benehmen an den Tag zu legen“ sei.

 

„Das Brauchtum unserer Ahnen“ festhalten

 

Regelmäßig werden in einigen Regionen NPD-Stammtische abgehalten. In Pforzheim wurde zudem gekegelt, um neue Mitglieder anzuwerben. In Rastatt gab es einen nationalen Volleyball-Wettkampf und Mitte August fand das alljährliche „SV Astika Sommer-Fußballturnier“ des „Netzwerks Karlsruhe“ statt. Ende September organisierte die NPD-Aktivistin Schmidt im Enzkreis eine völkische „Erntedankfeier“, um „das Brauchtum unserer Ahnen“ festzuhalten.

 

Sorgen bereitet den NPD-Anführern der Kreis Pforzheim. Nachdem dort einer der Kader die „NPD-Arbeit“ beendet hatte, fehlt seither ein offizieller Vorstand. Der Kreisverband wird von Karlsruhe-Land mitbetreut. Intern heißt es beschwichtigend, man sei in Pforzheim in einer „Aufbauphase“, neue zuverlässige Leute würden gesammelt werden. Zudem lautet eine Parole: Es könne „ja nicht sein, dass die Moslems eine Moschee nach der anderen bauen dürfen und wir unfähig und gelähmt nur zuschauen können!“

 

16.12.2010 - Andrea Röpke/Maik Baumgärtner