Verwaltungsgericht rügt "Ulmer Kessel" bei Anti-NPD-Demo

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Erstveröffentlicht: 
01.12.2010

Rund 300 Nazi-Gegner hat die Polizei in Ulm anlässlich eines NPD-Aufmarsches eingekesselt. Ein Einsatz, der rechtswidrig war, wie ein Gericht urteilte.

 

Ulm 1. Mai 2009. In Ulm marschieren etwa 1000 Jungnationale durch die Straßen der Münsterstadt, 20 000 Bürger stehen dagegen. In einer Seitengasse weitab des Aufmarsches kesselt die Polizei in den Morgenstunden rund 300 Personen ein, die als schwarzer Block bezeichnet werden. Die meisten davon werden mindestens acht Stunden festgehalten und anschließend mit einem Platzverweis für die gesamte Innenstadt belegt. Drei haben jetzt gegen die Einkesselung durch die Polizei geklagt - und Recht bekommen.

 

Die schriftliche Begründung des Urteils steht zwar noch aus, die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes gab das Verwaltungsgericht in Sigmaringen gestern allerdings schon bekannt. Nach Informationen der SÜDWEST PRESSE haben die Richter das Versammlungsrecht höher eingestuft als das Polizeirecht. Es konnte in der fast siebenstündigen Verhandlung nicht nachgewiesen werden, dass die Stadt Ulm oder der die Gegendemonstration anführende DGB die Polizei aufgefordert hätten, die Personengruppe festzusetzen und von dem Zug auszuschließen.

 

Auch die Angaben der Polizei, der Vorgang sei richterlich angeordnet worden, ließ sich nicht belegen. Vielmehr haben die am 1. Mai 2009 diensthabenden Richter schriftlich erklärt, ein solches Vorgehen niemals zugelassen zu haben.

 

Ulms Polizeichef Karl-Heinz Keller nannte das Urteil "wenig zufriedenstellend". Er rechtfertigte die Festsetzung der rund 300 Personen mit Informationen, dass einzelne von ihnen aus dem Demonstrationszug heraus Straftaten planten. Er sprach überdies von "schweren Ausschreitungen", die der Einkesselung des so genannten schwarzen Blocks vorausgegangen seien.

 

Für den Anwalt der drei Kläger ist dies eine "unsägliche Verdrehung". Auf keinem einzigen der von der Polizei selbst angefertigten Videoaufzeichnungen seien Gewalttaten zu erkennen, sagte Thomas Oberhäuser. Er nannte den Polizeieinsatz völlig überzogen und eine durch nichts gerechtfertigte Freiheitsberaubung. Von einer Strafanzeige gegen den Polizeichef sieht er aber ab, weil er bei viel Aufwand kaum einen Ertrag für seine Mandanten sieht.