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                    12.10.2010        
        BERLIN/HAMBURG (Eigener Bericht) - Führende deutsche Massenmedien 
stellen sich offen in den Dienst der Berliner Militärpropaganda. 
Jüngster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein sogenannter 
sicherheitspolitischer Kongress, den das Hamburger Wochenblatt "Die 
Zeit" für Mitte Oktober ankündigt. Das Ziel der Veranstaltung besteht 
nach Aussage der Organisatoren darin, Mittel und Wege zu finden, 
"Kampfeinsätze in einem fernen Land" gegenüber der Öffentlichkeit zu 
legitimieren. Als Referenten angekündigt sind "führende 
Persönlichkeiten" aus Politik, Militär, Wissenschaft, Klerus und 
Rüstungsindustrie; den Auftaktvortrag soll der deutsche 
Verteidigungsminister halten. Eine in inhaltlicher Ausrichtung und 
personeller Besetzung ähnliche Konferenz hat die Wirtschaftszeitung 
"Handelsblatt" erst unlängst in Berlin durchgeführt. Im Einklang mit 
Medien, die der Bundeswehr nahe stehen, wurde dort gefordert, die 
deutschen Streitkräfte gegen "unberechtigte Kritik" in Schutz zu nehmen.
 Thema waren darüber hinaus gravierende Probleme, mit denen sich die 
politisch-militärische Führung beim Umbau der Bundeswehr zur weltweit 
agierenden Interventions- und Besatzungsarmee konfrontiert sieht. 
Während Vertreter der deutschen Streitkräfte eine "Überforderung" der 
Truppe beklagten, bemängelten namhafte Rüstungsmanager die ihrer Ansicht
 nach "gestörte Kommunikation" zwischen Politik und Wirtschaft. Ging die
 "Handelsblatt"-Tagung noch ohne öffentliche Proteste vonstatten, haben 
Hamburger Kriegsgegner nun angekündigt, die Teilnehmer der 
"Zeit"-Konferenz "gebührend zu empfangen".
Die Debatte vorantreiben
Für den 18. und 19. Oktober kündigt das Wochenblatt 
"Die Zeit" eine Konferenz zum Thema "Internationale Sicherheitspolitik" 
in Hamburg an. Die Veranstaltung soll in den Räumlichkeiten des Grand 
Elysee-Hotels und der Bundeswehr-Universität stattfinden; geladen sind 
den Organisatoren zufolge "führende Persönlichkeiten" aus Politik, 
Militär, Wissenschaft, Klerus und Rüstungsindustrie, darunter auch der 
deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Wie 
Guttenberg ausführt, soll die Konferenz insbesondere zur Klärung der 
Frage beitragen, "wie die öffentliche Debatte über Ziele und Interessen 
deutscher Sicherheitspolitik vorangebracht werden kann". Ähnlich äußert 
sich auch "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe; seiner Auffassung nach bedarf 
es massenwirksamer Begründungen zur Legitimation von "Kampfeinsätze(n) 
fern vom eigenen Land".[1]
Orientierungsmedium
Nach Angaben der "Zeit", die sich selbst als 
maßgebliches "Orientierungsmedium" bezeichnet, werden die 
Konferenzteilnehmer insbesondere die Transformation der Bundeswehr zur 
weltweit agierenden "Einsatzarmee" diskutieren. Zum Thema referieren 
sollen unter anderem Friedrich Lürßen, Chef der Bremer Lürssen-Werft und
 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und 
Verteidigungsindustrie, Ulrich Schlie, Leiter des Planungsstabs des 
Bundesverteidigungsministeriums und Rudolf Scharping (SPD), der sich in 
seiner Funktion als deutscher Verteidigungsminister während des 
NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 mit massiver Gräuelpropaganda 
hervorgetan hat. Führende deutsche Rüstungskonzerne unterstützen die 
Durchführung der Konferenz finanziell und logistisch, unter ihnen EADS, 
Krauss-Maffei Wegmann und ThyssenKrupp. Die Deutsche Bahn AG firmiert 
als "Mobilitätspartner" der Veranstaltungsbesucher, die Eintrittspreise 
in Höhe von mehr als 1.300 Euro zu entrichten haben.[2]
Die Zukunft des Krieges
Erst unlängst hat die Wirtschaftszeitung 
"Handelsblatt" eine in Bezug auf inhaltliche Ausrichtung und personelle 
Beteiligung ähnliche Konferenz in Berlin abgehalten. Zu den Sponsoren 
der Veranstaltung zählten neben dem Bundesverband der Deutschen 
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie die Waffenschmieden Thales, 
Rhode und Schwarz, ESG, MBDA, Krauss-Maffei Wegmann und EADS/Eurocopter.
 Zentrale Themen waren auch hier der Umbau der Bundeswehr zur weltweit 
agierenden "Einsatzarmee" und die "Zukunft des Krieges" ("Future of 
War"). Als Referenten geladen waren hochrangige Militärs, Politiker und 
Rüstungsindustrielle, unter ihnen auch der Leiter der "Gruppe 22" im 
Bundeskanzleramt, Brigadegeneral Erich Vad.[3] Vad, der Kontakte zur 
extremen Rechten unterhalten hat und durch positive Bezüge auf den 
NS-Juristen Carl Schmitt aufgefallen ist [4], sprach über das Konzept 
der "vernetzten Sicherheit" - die Einbindung der Außen- und 
Entwicklungspolitik in die Kriegführung nebst der verfassungswidrigen 
Verschmelzung von Militär, Geheimdiensten und Repressionsbehörden.
Überfordert
Ausführlich zu Wort kam auch der Generalinspekteur der
 Bundeswehr, Volker Wieker. Analog zur jetzt angekündigten 
militärpolitischen Konferenz des Wochenblattes "Die Zeit" forderte 
Wieker, die Bundeswehr gegen "unberechtigte Kritik" in Schutz zu nehmen.
 Der General spielte damit nicht zuletzt auf die von NATO-Truppen in 
Afghanistan begangenen Massaker an Unbeteiligten an - er 
charakterisierte die dortigen Aufständischen als einen Gegner, der "sich
 zum eigenen Schutz mit unterdrückter Zivilbevölkerung umgibt". 
Gleichzeitig verwies Wieker auf die seiner Ansicht nach gravierenden 
Probleme beim Umbau der Bundeswehr zur weltweit agierenden 
Interventions- und Besatzungsarmee; die entsprechende Transformation 
habe die Streitkräfte "überfordert", erklärte der General.[5] Von der 
Rüstungsindustrie forderte Wieker in diesem Zusammenhang 
"Ausrüstungsstrategien, die die Bedarfe rascher und besser befriedigen",
 zumal der Feind "moderne Technik" schneller nutze, "als wir darauf 
reagieren können". Die anwesenden Waffenproduzenten verlangten 
ihrerseits einen "kontinuierliche(n) und offene(n) Dialog zwischen 
Politik, Administration und Industrie" mit dem Ziel der "Optimierung der
 bestehenden Beschaffungsverfahren" und der "aktive(n) Gestaltung der 
Exportförderung".[6]
Nicht willkommen
Während die "Handelsblatt"-Tagung abgesehen von diesen
 internen Auseinandersetzungen störungsfrei verlief, mobilisieren 
Hamburger Kriegsgegner zu Protesten gegen die angekündigte Konferenz der
 "Zeit". Wie einem Demonstrationsaufruf zu entnehmen ist, wolle man den 
anreisenden "Kriegsprofiteuren und -propagandisten" zeigen, "dass sie 
nicht willkommen sind", und sie "gebührend empfangen".[7]
[1], [2] ZEIT Konferenz Internationale Sicherheitspolitik, 18./19. Oktober 2010, Hamburg (Programmheft)
[3] 7. Handelsblatt Konferenz Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie, 5./6. Oktober 2010, Berlin (Programmheft)
[4] s. dazu Der Militärberater der Kanzlerin
[5] Staatssekretär Schmidt und General Wieker auf der Handelsblatt-Konferenz; ww.bmvg.de 06.10.2010
[6] Handelsblatt Sicherheitskonferenz. Eine neue Rolle für die Bundeswehr, eine neue Situation für die Verteidigungsindustrie; AeroBrief 37/2010
[7] Keine Kriegskonferenz in Hamburg! deutschlandfuehrtkrieg.blogsport.de
[3] 7. Handelsblatt Konferenz Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie, 5./6. Oktober 2010, Berlin (Programmheft)
[4] s. dazu Der Militärberater der Kanzlerin
[5] Staatssekretär Schmidt und General Wieker auf der Handelsblatt-Konferenz; ww.bmvg.de 06.10.2010
[6] Handelsblatt Sicherheitskonferenz. Eine neue Rolle für die Bundeswehr, eine neue Situation für die Verteidigungsindustrie; AeroBrief 37/2010
[7] Keine Kriegskonferenz in Hamburg! deutschlandfuehrtkrieg.blogsport.de
