Von Frank Döring und André Pitz
Die Justiz hat bislang offenbar keine schlüssige Antwort auf die illegale Besetzung von Gebäuden und Grundstücken. Dies legt ein Beschluss des Landgerichts Leipzig zum Umgang mit dem „Black Triangle“ nahe, welcher der LVZ vorliegt. Seit Juni 2016 halten Linksautonome das alte Umspannwerk der Deutschen Bahn, ein etwa 10 000 Quadratmeter umfassendes Areal am Gleisdreieck an der Arno-Nitzsche-Straße, besetzt. Rechtliche Schritte scheiterten bislang – weil die Hausbesetzer nicht namentlich bekannt sind.
Es klingt wie eine Justizposse: Die Deutsche Bahn als Eigentümerin des Areals betreibt seit Längerem die Zwangsvollstreckung aus einer erlassenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts. Danach wurde den Besetzern aufgegeben, die Grundstücksfläche „zugänglich zu machen, zu räumen und herauszugeben sowie es zu unterlassen, sie zu betreten oder zu befahren“. Nach Angaben des Unternehmens befinden sich auf dem Grundstück „für den Bahnbetrieb notwendige Anlagen, die eine ständige Zugänglichkeit erfordern“. Zudem würden erhebliche Gefahren dadurch bestehen, dass die ursprünglich gesicherten und von der Deutschen Bahn ungenutzten Gebäude nicht verkehrssicher sind.
Allerdings lehnte die Obergerichtsvollzieherin den Antrag der Bahn auf Zustellung des Beschlusses und Zwangsräumung bereits am 9. August 2016 ab. Die Gründe: „Weil die Antragsgegner nicht identifizierbar seien, eine Dokumentation von Räumungsgut in Bezug auf einzelne Schuldner nicht möglich sein dürfe und die Zustellung an die Antragsgegnerin wegen Unbestimmtheit nicht möglich sei.“
Die Bahn legte dagegen Beschwerde ein. Ihrer Ansicht nach greife die Ansicht des Amtsgerichts, die Zwangsvollstreckung bedürfe der Einhaltung formaler Rechtspositionen, zu kurz. „Der Gläubigerin verbleibe zur Durchsetzung ihrer grundgesetzlich geschützten Rechte nur die Zwangsvollstreckung; sie stehe andernfalls letztendlich ohne staatliche Hilfe da“.
Doch die Gerichte – die 8. Zivilkammer des Landgerichts wies die Beschwerde der Bahn zurück – beziehen sich auf die Zivilprozessordnung. Danach darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, „wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind“. Bei einer illegalen Hausbesetzung scheint das allerdings eine eher unüberwindliche Hürde zu sein.
Und damit nicht genug: Selbst wenn die Bahn am „Black Triangle“ mutmaßliche Eindringlinge stellen und identifizieren würde, wäre aus Sicht des Gerichts „nicht sicher feststellbar, ob eine auf dem Gelände angetroffene Person zu der Gruppe der Antragsgegner gehört“ oder eben nur eine außenstehende Person ist, die zeitweise zu Besuch ist. Die Gerichtsvollzieherin müsse sicher feststellen können, wer zum sogenannten „Kulturkollektiv Arno-Nitzsche“, wie sich die Besetzer nennen, gehöre. Bloße Anwesenheit am Schwarzen Dreieck genügt nach dieser rechtlichen Auffassung offenbar nicht, da entscheidend sei, wer sich dauerhaft dort aufhält.
„Auch das Amtsgericht hatte bereits darauf hinwiesen, dass die Unmöglichkeit der hinreichend genauen Bezeichnung der Besetzer dazu führen dürfte, dass gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und damit der Schutz des Eigentums der Polizei obliegt“, heißt es in dem Landgerichtsbeschluss. Was jedoch nicht dazu führe, dass eine staatliche Zwangsmaßnahme wie die beantragte Räumung „ohne Prüfung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzung durch das hierfür zuständige Rechtsorgan angeordnet und durchgeführt werden dürfte“.
Eingedenk dieser Malaise halten die Leipziger Zivilrichter das Problem für „eine klärungsbedürftige Frage, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen von Hausbesetzungen zu erwarten ist“. Wie berichtet, wurde deshalb der Bundesgerichtshof angerufen. „Es werden unterschiedliche Auffassungen hierzu vertreten und es liegt noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor“, so das Landgericht in seinem Beschluss vom Oktober 2016. Seit November liegt die Rechtsbeschwerde beim BGH. „Der Senat wird darüber beraten und einen Beschluss fassen“, hatte Sprecherin Angela Haasters vor zwei Wochen gegenüber der LVZ mitgeteilt. „Wann eine Entscheidung ergeht, ist derzeit nicht absehbar.“
Unterdessen harren die Besetzer des „Black Triangle“ der Dinge. Und dies ganz offenbar wieder etwas gelassener: In den nächsten Tagen lädt man erneut Gäste ins verbarrikadierte Umspannwerk am Gleisdreieck ein. Auf dem Programm stehen Essen und ein Punk-Konzert.