Das 4. Fachkommissariat (Staatsschutz) der Polizeiinspektion (PI) Göttingen verfügt(e) mindestens bis ins Jahr 2015 über fünf offensichtlich ungesetzlich angelegte Aktenordner mit personenbezogenen Daten über Linke in Göttingen. In der verdeckt angelegten Datensammlung sind Namen, Adressen, körperliche Merkmale, Religionszugehörigkeit, Arbeitsplätze, Informationen über SocialMedia-Profile, Gruppenzugehörigkeiten und Fotos von hunderten Betroffenen enthalten.
Ein Zusammenhang der Daten zu laufenden Ermittlungen gegen die Betroffenen oder bestimmten Ereignissen bestand offenbar nicht. Die Nachweise über die Existenz dieser Datensammlung sind Gegenstand der Akte eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Göttingen. Diese ermittelt allerdings nicht gegen die Beamten des 4. FK wegen der rechtswidrig erhobenen Daten, sondern gegen einen indes pensionierten Beamten des 4. FK, der seit Jahren gegen die Datenerhebung behördenintern protestierte und Fotos der Aktenordner sowie Kopien einiger Inhalte zu Beweiszwecken angefertigt hat.
Dem 63-jährigen Ex-Polizisten wird versuchte Erpressung, versuchte Nötigung und Verwahrbruch vorgeworfen, weil er die Beweise zu eigenen Zwecken nutzen und die Polizeiinspektion damit habe unter Druck setzen wollen. Der Hamburger Strafverteidiger Christian Woldmann, der zusammen mit dem Göttinger Kollegen Sven Adam die Verteidigung des pensionierten Beamten übernommen hat, hält die Vorwürfe für absurd. „Das Anfertigen von Kopien und Fotos zur Beweissicherung erfüllt keinen Straftatbestand“ so Woldmann. Dass der Polizeibeamte zwei Jahre nach seiner Pensionierung einen Erpressungsversuch gestartet haben soll, ist schon nach Aktenlage blanker Unsinn.
Er hat stets und bis heute lediglich intern 
        gegen eine offenkundig rechtswidrige Praxis der Datensammlung protestiert.“ 
        Es liegt daher nahe, dass das Ermittlungsverfahren den Beamten diskreditieren 
        und von den massenweise rechtswidrig erhobenen Daten ablenken sollte. 
        Denn die Größe der Datensammlung übertrifft sogar diejenige der in der 
        80ern rechtswidrig erhobenen, angeblich vernichteten und in den 90ern 
        wieder aufgetauchten sog. Spudok-Dateien. „Für eine Datensammlung in dieser 
        Größe und Tiefe gibt es im Niedersächsischen Gefahrenabwehrrecht keine 
        Rechtsgrundlage und kann es auch nicht geben. Diese Datenerfassung ist 
        mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung schlicht nicht vereinbar“, 
        stellt RA Sven Adam fest. Er hat deshalb für zunächst acht Betroffene 
        am vergangenen Mittwoch auch Klagen gegen die Polizeidirektion Göttingen 
        beim Verwaltungsgericht Göttingen (z.B. Az.: 1 A 169/17, 1 A 17017, 1 
        A 171/17 etc.) eingereicht, die Beschlagnahme der Aktenordner beantragt 
        und volle Akteneinsicht verlangt. 
        
        Die Polizeidirektion Göttingen ist zwar verfahrensrechtlich zuständig, 
        dürfte von der Datensammlung des 4. FK der Polizeiinspektion Göttingen 
        selbst aber keine Kenntnis gehabt haben. „In Antworten der Polizeidirektion 
        auf Auskunftsersuchen werden diese Daten nicht erwähnt. Dass die Datensammlung 
        entgegen der sonstigen Praxis nicht digital geführt wird, belegt, dass 
        diese Datenerfassung für den Rest der Polizei unbekannt bleiben sollte. 
        Das 4. FK scheint insoweit ein Eigenleben entwickelt zu haben“ vermutet 
        Adam zunächst abschließend und vorbehaltlich anderer Erkenntnisse aus 
        der zu erwartenden Akteneinsicht.
