Am 3. Juni 2017 soll in Karlsruhe der 9. „Tag der Deutschen Zukunft“ (TDDZ) stattfinden. Dabei handelt es sich um eine Neonazi-Kampagne, die einmal jährlich an wechselnden Orten in der Bundesrepublik stattfindet.
Warum Karlsruhe?
Obwohl Karlsruhe im Vergleich mit vielen ostdeutschen Städten nicht als 
rechte Hochburg bezeichnet werden kann, existiert in Karlsruhe und 
Umgebung eine gut vernetzte extrem rechte Szene. Seit mehr als drei 
Jahrzehnten gehören dazu auch Neonazi-Strukturen. Deren Kern war einige 
Jahre lang die „Kameradschaft Karlsruhe“, die später als 
„karlsruher//netzwerk“ firmierte, welches teilweise in einem 
Kreisverband von „Die Rechte“ aufging.  Ein heute wieder weitgehend in 
Vergessenheit geratener Skandal war, dass die „Kameradschaft Karlsruhe“ ursprünglich von zwei Undercover-Polizeibeamten mit aufgebaut wurde.
Zudem ist Karlsruhe bis heute der letzte in Baden-Württemberg 
verbliebene, regelmäßige Aufmarsch-Ort von PEGIDA bzw. dessen 
Abspaltung, die seit einiger Zeit als „Karlsruhe wehrt sich“ auftritt.
Diese Demonstrationen haben Karlsruhe bisher über 40 Mal heimgesucht. 
Auf ihrem Höhepunkt hatten sie über 350 TeilnehmerInnen und inzwischen 
sind diese Zahlen auf wenige Dutzend geschrumpft.
Doch dass Rechte hier unter Polizeischutz immer wieder relativ ungestört
 demonstrieren konnten, mag durchaus auch dazu beigetragen haben, dass 
der 9. TDDZ in Karlsruhe stattfindet. Sicherlich ist Karlsruhe aber auch
 als Sitz des Bundesverfassungsgericht wichtig. Dort wurde vor kurzem 
erst beschlossen, die NPD nicht zu verbieten, auch wenn die RichterInnen
 der Partei ihre Verfassungsfeindlichkeit attestierten.
Wer kommt denn da?
Der TDDZ wurde aus der freien Neonazi-Szene heraus gegründet. Er fand 
bereits achtmal statt: 2009 in Pinneberg, 2010 in Hildesheim, 2011 in 
Braunschweig, 2012 in Hamburg, 2013 in Wolfsburg, 2014 in Dresden, 2015 
in Neuruppin und 2016 in Dortmund mit fast 1.000 TeilnehmerInnen. 
Maßgeblich involviert war von Anfang an der parteiunabhängige Neonazi 
Dieter Riefling aus Hildesheim. Inzwischen wird die Veranstaltung aus 
dem Umfeld der Partei „Die Rechte“ organisiert, dem auch Riefling nahe 
steht. Diese Neonazi-Kleinstpartei wurde im Mai 2012 von dem bundesweit 
agierenden Neonazi-Kader Christian Worch aus Parchim 
(Mecklenburg-Vorpommern) gegründet. Worch ist auch einer der für den 
Karlsruher Aufmarsch angekündigten RednerInnen. Er ist seit Anfang der 
1990er Jahre  bundesweit aktiv. Der ehemalige Notariatsgehilfe konnte 
laut eigenen Angaben durch eine Erbschaft auf eine geregelte Arbeit 
verzichten und seine gesamte Zeit in die Nazi-Bewegung stecken.
Anfangs noch ein Versuch, auch Reste der in der NPD aufgegangenen DVU zu
 sammeln, fungierte „Die Rechte“ bald als Auffangbecken für Mitglieder 
verbotener Kameradschaften und NPD-Abtrünnige. In Baden-Württemberg 
liegt der Schwerpunkt des im August 2013 gegründeten Landesverband von 
„Die Rechte“ im badischen Landesteil. Kreisverbände existieren im 
Enzkreis, in Weil am Rhein, im Rhein-Neckar-Kreis und in Karlsruhe. Der 
Karlsruher Kreisverband wurde am 5. Januar 2014 gegründet und hat auf 
regionaler Ebene der NPD bereits den Rang abgelaufen.
Dazu passt, dass Manuel Mültin aus Karlsruhe der Anmelder des TDDZ 2017 
ist. Mültin, Jahrgang 1986, ist seit September 2015 Landesvorsitzender 
von „Die Rechte“. Für seine Partei kandidierte er erfolglos zur 
Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg in den Wahlkreisen 29 (Bruchsal) 
und 31 (Ettlingen). Erfahrungen als Versammlungsleiter sammelte er 
bereits beim  „Tag der Heimattreue“ am 19. März 2016 in Bruchsal.
Besonders Gliederungen von „Die Rechte“ trommeln für eine Beteiligung
 am TDDZ. Daneben werden aber auch VertreterInnen von der 
Parteien-Konkurrenz NPD und „III. Weg“ anreisen – ebenso wie so genannte
 „Freie Kräfte“, also Neonazis ohne Parteibuch.
Im Gegensatz zu anderen rechten Demonstrationen handelt es sich beim 
TDDZ aber nicht um eine Veranstaltung mit der Beteiligung von „Besorgten
 Bürgen“, sondern um ein reines Neonazi-Event. Der TDDZ entfaltet seine 
Attraktivität fast ausschließlich in der Neonazi-Szene. Daran werden 
auch im Vorfeld in einigen Vierteln Karlsruhes oder anderswo verteilte 
Flyer kaum etwas ändern.
So wird der TDDZ auch ein Sammelpunkt für die neonazistische Szene in
 Baden-Württemberg sein. Ein Event von einer Größe, wie es seit der 
süddeutschlandweiten Demonstration am 1. Mai 2011 in Heilbronn nicht 
mehr stattgefunden hat.
Im Vergleich mit den 1990er Jahren ist die neonazistische Szene in 
Baden-Württemberg allerdings verhältnismäßig klein. Die neonazistische 
Rechte fühlt sich derzeit zwar einerseits durch die AfD-Wahlerfolge im 
Südwesten und die Mobilisierungserfolge von PEGIDA und Co. bestärkt. 
Andererseits grenzen sich in Westdeutschland immer noch viele Rechte wie
 die AfD von organisierten Neonazis ab.
Für deren relative Schwäche sind auch antifaschistisches Engagement und 
zumindest teilweise staatliche Repression verantwortlich. Insbesondere 
Versuche, Treffpunkte wie NPD-Parteizentralen oder 
Konzertveranstaltungsorte in Baden-Württemberg einzurichten, scheiterten
 immer wieder auf Grund antifaschistischer Intervention. Im Vergleich 
dazu existierten im süddeutschen Nachbar-Bundesland Bayern bereits 
mehrere solcher Treffpunkte.
Doch auch Demonstrationen sind Treffpunkte. Sicherlich werden 
bundeslandweit und bundesweit Neonazis anreisen, um am TDDZ 
teilzunehmen. Anders als bei PEGIDA sind sie hier nicht nur geduldet, 
sondern es ist „ihr“ Event.
Mobilisierung nach Karlsruhe
Mit Info-Ständen wird deshalb versucht, innerhalb der Szene nach 
Karlsruhe zu mobilisieren. Am 1. April 2017 soll in der „Region 
Südwestdeutschland“ sogar ein Rechtsrock-Konzert als Soli- und 
Mobilisierungsveranstaltung für den TDDZ stattgefunden haben. 
Angekündigt waren die Neonazi-Bands „Carpe Diem“ (Esslingen), „FLAK“ 
(Raum Bonn), „Germanium“ (Rhein-Neckar-Kreis) und „Breakdown“ (Alzey in 
Rheinland-Pfalz).
Außerdem wurde der Aufmarsch durch Stände auf mehreren Szene-Veranstaltungen beworben. Zu dieser Werbung schreibt das SPD-nahe Infoportal „Blick nach Rechts“: „Auch auf anderen Szeneveranstaltungen und Rechtsrock-Konzerten wird mit Infoständen für den TddZ geworben, so zum Beispiel bei dem unter der Regie von „Blood&Honour“ und der „Hammerskin“-Bewegung stattgefundenen „Defend Europe“-Auftritt mehrerer Bands am 18. März im kleinen französischen Ort Heudicourt-sous-les-Cotes/Lothringen. […]“
Die Verbundenheit der TDDZ-Kampagne mit der neonazistischen Musik-Szene zeigt sich zudem in Soli-CD-Samplern, die seit einigen Jahren das Chemnitzer Label „PC Records“ veröffentlicht. Die CD zum diesjährigen TDDZ ist seit Ende Mai dieses Jahres im Umlauf. Darauf zu finden sind Lieder von „Blutlinie“, „Kein Potpourri der Fröhlichkeit“, „Old Glory“, „WUT“, „Pionier“, „Germanium“, „Der Oberberger und Flak“, „Breakdown“, „FreilichFrei“, „Entropie“, „Sturmkrieger“, „Raritäten“, „Renitenz“ und „Anthrazit“. Mit den Worten „Unterstützt also die Jungs in Baden!“ wirbt PC Records für die „bunte Mischung“ mit 17 Liedern. Bereits Ende Januar 2017 hatte das Liedermacher-Duo „Freiheitskämpfer“ (Philip Tschentscher, in der Vergangenheit meist als „Reichstrunkenbold“ unterwegs) und „Der Rebell“ (Nico Schiemann) bei einem „Die Rechte-Treffen“ das „Kampagnenlied“ für den diesjährigen TddZ vorgestellt.
Aufmarschort Durlach
Als Aufmarschort für den TDDZ steht inzwischen Karlsruhe-Durlach fest. 
Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) hielt Durlach 
bereits im Vorfeld als Aufmarschort für „prinzipiell geeignet“. Den 
älteren aus der rechten Szene dürfte der Stadtteil gut bekannt sein. 
Durlach fungierte bereits früher als Aufmarschort. So führte am 8. Mai 
2007 die Kameradschaft Karlsruhe eine angemeldete Gedenkveranstaltung 
auf dem Durlacher Turmberg durch.
Ein Jahr später geriet Durlach wieder in Zusammenhang mit rechten 
Umtrieben in die Schlagzeilen, als Bemühungen der NPD bekannt wurden, 
dort ein Schulungszentrum zu etablieren. Diese Versuche konnten 
allerdings erfolgreich abgewendet werden.
In Durlach befindet sich auch eine Landeserstaufnahmestelle für 
Flüchtlinge. Möglicherweise spielt auch das eine Rolle für die 
Ausrichtenden der TDDZ-Demonstration bei der Wahl des Stadtteils.
Auf jeden Fall erhöht sich dadurch die Gefahr von rassistischen Übergriffen durch größere Gruppen an- und abreisender Neonazis.
Auch in der Innenstadt wäre aber eine erhöhte Gefährdung gegeben. Dort 
findet nämlich am 3. Juni eine Christopher-Street-Day-Parade statt.
Die Verlegung des TDDZ nach Durlach nimmt diesem zwar die Kulisse der
 Innenstadt und erschwert die Anreise. Gleichzeitig werden so aber auch 
die Ausgangsbedingungen für den Gegenprotest schwieriger. Das gilt 
besonders für Blockaden der Zivilgesellschaft, die sich beim letzten 
Aufmarschversuch der Nazis in Karlsruhe als wirkungsvolles Mittel 
erwiesen. Als sich am 25. Mai 2013 in etwa 200 Neonazis unter dem Motto 
„Freiheit für alle Nationalisten – Freiheit für unsere Kameraden“ 
versammelten, verhinderte eine solche Blockade des Treffpunkts am 
Karlsruher Bahnhof effektiv den Start der Demonstration.
Trotzdem ist unklar, wie die Neonazis von ihrem mutmaßlichen 
Anreisepunkt am Hauptbahnhof nach Durlach finden werden. Für die 
Annahme, dass sich die Polizei auch die Begleitung solcher 
Reisebewegungen der Neonazis per Bus zutraut, spricht der 
Ausnahmezustand, der seit einigen Tagen angekündigt wird. So sollen 
größere Teile Durlachs komplett abgesperrt und nur für BewohnerInnen 
nach Ausweiskontrolle zugänglich gemacht werden. Die Polizei kündigt 
außerdem an, mit einer Zahl von 3000 bis 4000 Beamten, Pferden, Hunden 
und Wasserwerfern vor Ort zu sein.

