Die inzwischen verbotene Neonazi-Organisation "Blood and Honour" soll das NSU-Trio unterstützt haben. ARD-Recherchen ergaben jetzt: Der Deutschland-Chef der Organisation war offenbar V-Mann des Verfassungsschutzes - empfohlen aus Berlin.
Das Landeskriminalamt Berlin soll den ehemaligen Deutschland-Chef der 
verbotenen Neonazi-Organisation "Blood and Honour" in den 1990er Jahren 
an den Verfassungsschutz vermittelt haben. Einen entsprechenden geheimen
 Vermerk des Landeskriminalamtes konnten Journalisten der 
ARD-Politikmagazine "Report Mainz", "Report München" und "Exakt"
 einsehen. Sie ziehen daraus den Schluss, dass der Ex-Chef von "Blood 
and Honour" ein V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen ist.
Das Bundesinnenministerium hatte die Organisation "Blood and Honour" im 
Jahr 2000 verboten. Sie soll eines der wichtigsten Unterstützernetzwerke
 des rechtsterroristischen NSU gewesen sein.
Aktivisten von "Blood and Honour" haben dem NSU-Trio Wohnungen zur 
Verfügung gestellt; einem ehemaligen Spitzenfunktionär wird vorgeworfen,
 mit der Beschaffung einer Waffe für den NSU beauftragt worden zu sein. 
Deutschland-Chef soll auch nach 2000 aktiv gewesen sein
Der Deutschland-Chef von "Blood and Honour" 
hat laut Sicherheitsbehörden die Strukturen in Deutschland wesentlich 
mit aufgebaut. Er zeichnete nach Behördenerkenntnissen mutmaßlich auch 
für die "Blood and Honour"-Publikationen verantwortlich. In einem Heft 
der Organisation wurde auch der sogenannte führerlose Widerstand als 
Prinzip propagiert - so wie es später der NSU umsetzte.
Der genannte geheime Vermerk entstand den Recherchen zufolge nach einem 
Gespräch des Landeskriminalamtes Berlin mit einem anderen V-Mann, dem 
sächsischen "Blood and Honour"-Aktivisten Thomas S. Dieser hatte 
angegeben, dass der Deutschland-Chef von "Blood and Honour" in der Szene
 unter Spitzelverdacht stehe, da er bei einem Strafverfahren eine 
vergleichsweise milde Strafe von 3.000 Mark erhalten habe. Daraufhin 
vermerkt das LKA Berlin wörtlich: "[Der Deutschland-Chef von 'Blood and 
Honour'] wurde durch das LKA 514 an das BfV vermittelt. Es ist 
anzunehmen, dass dies im anhängigen Strafverfahren dafür sorgte, dass 
die Entscheidung für den Erlass eines Ordnungsgeldes der einer 
Verurteilung vorgezogen wurde."
Die Frage ist, ob der Deutschland-Chef von "Blood and Honour also 
aufgrund seiner mutmaßlichen V-Mann-Tätigkeit von den Behörden geschützt
 wurde. Den ARD-Politikmagazinen liegen dazu mehrere vertrauliche 
Aussagen verschiedener Verfassungsschutz-Behörden zu seiner Person vor. 
Auffällig sei, dass die Behörden mehrfach behaupten, der "Blood and 
Honour"-Chef sei im Frühjahr 2000 aus der Szene ausgestiegen bzw. 
unterhalte nur noch lose Kontakte, hieß es. Im gleichen Jahr wurde 
"Blood and Honour" vom Innenministerium verboten.
Nach Recherchen von "Fakt", "Report Mainz" und "Report München" war der "Blood and Honour"-Chef jedoch weiterhin in der Szene aktiv war. Demnach schickte 
ihm das Bundesinnenministerium im September 2000 persönlich die 
Verbotsverfügung der Vereinigung zu - in seiner Eigenschaft als deren 
Anführer. Mindestens bis ins Jahr 2007 unterhielt er nach Recherchen der
 ARD-Politikmagazine noch intensive Kontakte in das mittlerweile im 
Untergrund agierende "Blood and Honour"-Netzwerk. 
Behörden halten sich bedeckt
Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilt auf 
ARD-Anfrage mit, da die Fragen den operativen Kernbereich der VP-Führung
 beträfen, könnten hierzu keine Auskünfte erteilt werden. "Dies gilt 
sowohl für den Fall einer Zusammenarbeit des BfV mit der von Ihnen 
benannten Person als auch für den Fall einer nicht erfolgten 
Zusammenarbeit." Ähnlich antwortete das Landeskriminalamt Berlin auf die
 Anfrage der ARD-Politikmagazine. Der ehemalige Deutschland-Chef von 
"Blood and Honour" reagiert auf eine schriftliche Anfrage der Magazine 
nicht. In einem Telefonat sagte er lediglich, das sei "alles Quatsch".
Der Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan 
Kramer, sagt im Interview mit den ARD-Politikmagazinen: "Es ist 
unbestritten, dass wenn sie den  Vorstandsvorsitzenden als V-Person 
führen, es schwierig wird. Wenn wir eine Grenze überschreiten, wo es 
nicht nur um Informationsgewinnung, sondern auch um Steuerung geht, wenn
 auch nur das Risiko besteht, da würde heute jeder halbwegs gare 
Behördenleiter sofort die Reißleine ziehen und sagen: Das geht überhaupt
 nicht."
Martina Renner, für Die Linke im Innenausschuss des Bundestages, fordert
 nun Aufklärung: "Das ist nicht irgendwie der 12., 13. Spitzel im 
Netzwerk des NSU. Wir haben hier eine zentrale Figur von 'Blood and 
Honour' mit Kenntnis zu europaweiten und bundesweiten 
rechtsterroristischen Aktivitäten. Das Problem ist, die 
Untersuchungsausschüsse haben bisher keine Unterlagen zum ehemaligen 
Deutschland-Chef von 'Blood and Honour' gesehen. Dass er Spitzel gewesen
 sein soll, muss geklärt werden, wie lange war er es, wer wusste davon 
im Bundesamt, was hat er berichtet zu militanten Strukturen und was 
wusste er zum NSU? Das muss auf den Tisch."
Die Recherchen von "Fakt", "Report Mainz" und "Report München" belegen 
noch weitere V-Leute im NSU-Unterstützernetzwerk "Blood and Honour". In 
Sachsen berichtete eine dortige Top-Quelle dem Landesamt für 
Verfassungsschutz regelmäßig sogar von internen Führungstreffen. Die 
Berichte fallen auch in die Zeit, in der "Blood and Honour" Sachsen das 
NSU-Trio unterstützt haben soll.
