Bergisch Gladbach/Leverkusen. Bitte bilden Sie die Vergangenheitsform von "ermorden" und "flüchten": Ein von der Arbeitsagentur Bergisch Gladbach vermittelter Sprachkurs entsetzt Psychologen. Von Peter Clement
"Zuweisung in eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" steht über dem offiziellen Schreiben der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach. Der Adressat - ein Asylbewerber aus Leichlingen - freute sich sehr, als er im Dezember vergangenen Jahres diese Post bekam. Eröffnete ihm das Schreiben doch die Chance, sich für einen Beruf zu qualifizieren.
Bitte Präteritumsformen von "ermorden" und "flüchten" bilden
Zu dem Programm "Perspektive für Flüchtlinge" zählte auch ein Sprachkurs. Doch als der Schwarzafrikaner diesen besuchte, erhielt seine Freude einen Dämpfer. In den Arbeitsmaterialien fanden sich Sätze wie "Die Geiselnehmer ........ ihre Geisel ohne mit der Wimper zu zucken" oder "Die Flüchtlinge ...... vor der anrückenden Armee." Zur Lösung der Aufgaben mussten die Teilnehmer die Präteritumsformen der Verben "ermorden" und "flüchten" in die Sätze einfügen.
Der Asylbewerber brachte eines der Arbeitsblätter nach Hause und zeigte es seinem deutschen Nachhilfe-Lehrer. Der Ehrenamtler war fassungslos und beschwerte sich sofort.
Traumatherapeuten entsetzt über Vokabeln
Dr. Murat Ozankan ist Leiter der Ambulanz für Migranten an der LVR-Klinik Langenfeld. Der Oberarzt dachte zunächst an einen schlechten Scherz, als er von den Arbeitsmaterialien erfuhr. "Es fällt mir schwer zu glauben, dass so etwas möglich ist", sagt er. Mit solchen Sätzen zu arbeiten, sei unverantwortlich: "Die Teilnehmer dieser Kurse sind oft noch traumatisiert von dem, was sie in ihren Heimatländern erlebt haben. Es kann durchaus sein, dass die in den Aufgaben angesprochenen Themen einen Prozess in Gang setzen, der ihre Ängste wieder verstärkt", warnt er.
Trauma-Therapeutin Dr. Dima Zito vom Psychosozialen Zentrum (PSZ) Düsseldorf teilt Ozankans Besorgnis. "Sätze mit Gewalt- und Kriegsthemen haben in einem Deutschkurs für Flüchtlinge absolut nichts verloren", sagt die Ärztin. Die Arbeitsagentur zeigte sich am Dienstag um schnelle Aufklärung bemüht. Eine Sprecherin versicherte, man werde sich mit dem Träger der Kurse zusammensetzen und die Situation aufarbeiten. "Wir tun alles dafür, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt." Je nach Ergebnis der Überprüfung werde man auch die Zentrale der Arbeitsagentur in Nürnberg informieren, damit diese bundesweit warnen könne.
Der Kursus wird von einem in Hennef beheimateten Verein angeboten, der im Internet damit wirbt, "dass unsere Qualitätsstandards stets den neuesten Erfordernissen entsprechen". Der Kursleiter bestätigte gestern auf Anfrage, er habe die Übungsblätter von der Internet-Plattform "mein-Deutschbuch.de" heruntergeladen. Deren Materialien verwende er öfter.
Kein Ansprechpartner beim Betreiber
Neben den jetzt beanstandeten finden sich dort noch weitere Übungssätze, wie: "Gewalt und Machtmissbrauch (zwangen) das Volk zur Flucht" oder "Das Unfallopfer (wand) sich vor Schmerzen".
Der Betreiber von "mein-Deutschbuch.de" ist vor drei Monaten gestorben - die Agentur, die den Internet-Auftritt betreut, bat um Verständnis, "dass wir zurzeit keinen Ansprechpartner nennen können".
Dem Leichlinger Asylbewerber und seinem Nachhilfelehrer ist das egal. Für sie zählt nur, dass sich so etwas im Sprachkurs nicht wiederholt.