Berlin droht dieses Jahr wieder ein gewalttätiger 1. Mai

Erstveröffentlicht: 
11.04.2017

Linke Demonstranten wollen ihren Aufmarsch nicht ankündigen – und womöglich durch das „Myfest“ in Kreuzberg laufen.

 

Drei Wochen vor dem 1. Mai bahnt sich erneut ein Konflikt zwischen den Veranstaltern der üblichen linksextremen Demonstration, dem beliebten Straßenfest "Myfest" und der Polizei an. Die Veranstalter wollen die große und zum Teil gewalttätige Demonstration weder anmelden noch die Strecke mit der Polizei abstimmen. Stattdessen kündigten sie am Montag an, möglicherweise mit vielen Tausend Teilnehmern durch Kreuzberg und über das überfüllte "Myfest" laufen zu wollen. Die Demonstration soll wie üblich am Maifeiertag um 18 Uhr beginnen. Starten wollen die Veranstalter am Oranienplatz in Kreuzberg, das Ziel ist Neukölln.

 

Die Polizei hatte seit vielen Jahren eine Strecke durch das Zentrum Kreuzbergs und das "Myfest" abgelehnt und auf die Sicherheit der feiernden Menschen verwiesen. Das "Myfest" und die dadurch für Demonstrationen gesperrte Oranienstraße war eine der Maßnahmen, mit denen Senat, Bezirk und Polizei die früher heftigen Krawalle und Straßenschlachten von Linksautonomen weitgehend eingedämmt hatten. 

 

Veranstalter rechnen dieses Jahr mit viel Zulauf


Ein Sprecher der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" sagte: "Es ist eine Option, dass es durchs Fest geht." Aus politischen Gründen werde man die Demonstration aber nicht mehr anmelden. Mehr Informationen zur geplanten Strecke gebe es erst in der letzten Woche vor dem 1. Mai. "Wir lassen uns nicht spalten, wir treten für eine solidarische Welt ein. Dafür gilt es, die Verhältnisse zu beseitigen, die Rassismus und Faschismus hervorbringen, in denen die Menschen nach ihrem Wert für die Wirtschaft eingeteilt werden und in denen Menschen trotz weltweiten Überflusses verhungern", erklärte Marko Lorenz, Sprecher des Vorbereitungsbündnisses.

 

Man rechne in diesem Jahr mit viel Zulauf, weil aktuelle Themen wie die ständigen Mietensteigerungen, die Angst vor einem Rechtsruck in Europa und der G20-Gipfel im Sommer in Hamburg viele Menschen bewegen würden, hieß es weiter.

 

In linksgerichteten Internet-Foren wird bereits zum "Kampf um Berlin" aufgerufen. Als Gründe werden steigende Mieten, Luxussanierungen, Zwangsräumungen und die "lange vom Senat geleugnete Wohnungsnot" genannt. Zudem sieht die Szene mehrere linke Projekte wie den Kiezladen Friedel 54 und die Rigaer Straße 94 akut von der Räumung bedroht. Im vergangenen Jahr hatten nach Einschätzung der Polizei etwa 13.000 Menschen an der Demons­tration teilgenommen, 2015 rund 18.000 Teilnehmer. 

 

2016 liefen 800 Mai-Demonstranten trotz Verbots übers Myfest


Schon 2016 hatten die Initiatoren der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" ihre Ankündigung wahr gemacht und waren trotz eines gerichtlichen Verbotes mitten durch das "Myfest" gezogen. Etwa 800 Menschen waren über das Festgelände gelaufen. Mehrere Tausend Personen schlossen sich an. Über Adalbertstraße und Waldemarstraße ging es zum eigentlichen Startplatz des Aufzuges am Moritzplatz, wo sie sich mit den anderen Teilnehmern der Demonstration vereinigten und gemeinsam auf die Strecke gingen, die von der Polizei festgelegt und vom Verwaltungsgericht bestätigt worden war.

 

Die Polizei wollte eine Eskalation offenbar vermeiden und ließ die unangemeldete Spontandemo unbehelligt durch das Myfest ziehen. Größere Zwischenfälle gab es nicht, vereinzelt wurde Pyrotechnik gezündet. Die Eingänge zum Myfest hatte die Polizei zuvor vorübergehend abgesperrt.

 

Die Polizei hatte bereits vor einer Woche angekündigt, dass sie trotz fehlender Anmeldung mit einer Demons­tration rechne und auf alles vorbereitet sei. "Das Sicherheitskonzept steht fest, es ist ähnlich wie letztes Jahr", sagte Polizeipräsident Klaus Kandt. Demons­trationen sind ohne Anmeldung nur als spontane Veranstaltungen erlaubt. Sonst müssen sie nach Paragraf 26 des Versammlungsgesetz angemeldet werden. Nähere Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Maifeiertag, der Walpurgisnacht und den Kundgebungen und Umzügen will die Polizei in der kommenden Woche mitteilen. 

 

"Myfest" soll dieses Jahr etwas kleiner ausfallen


Die gewalttätigste Demo der letzten fünf Jahre in Berlin eskalierte indes nicht an einem Maifeiertag, sondern in Friedrichshain. In der Nacht zum 10. Juli 2016 wurden von 1830 eingesetzten Polizisten 123 verletzt. Es gab insgesamt 86 vorläufige Festnahmen und 124 eingeleitete Strafermittlungsverfahren. Hintergrund war der Streit um das besetzte Haus Rigaer Straße 94 und der striktere Umgang der Polizei nach einer dort verübten Gewalttat.

 

Das "Myfest" rund um die Oranienstraße, das 2015 wegen Überfüllung kritisiert wurde, soll etwas reduziert werden. "Aus Sicherheitsgründen und um die Belastungen für Nachbarn zu minimieren, gibt es in diesem Jahr deutlich weniger Standplätze", so die Veranstalter. Flaschen und Dosen sind verboten – auch wenn sich viele Verkäufer und Besucher oft nicht daran halten.