Wie eine Frauenseite rechte Propaganda als weibliche Selbstermächtigung verkauft

Erstveröffentlicht: 
04.04.2017

"Frauenpanorama" lockt mit Beziehungstipps, Traumabewältigung und Inhalten für die Frau "von nebenan". Hinter der freundschaftlichen Ansprache versteckt sich allerdings Neonazi-Rhetorik.

 

Attraktive Männer blicken in Loft-Wohnungen sitzend auf die Skyline, die neuesten Fashion-Trends hängen auf der Kleiderstange und nachdenkliche Frauen betrachten sehnsüchtig die Sonnenuntergänge am Meer: Fotos aus irgendeinem Bildarchiv, die den Zeitgeist der modernen Frauen "die im Leben stehen, so wie Sie und ich" treffen sollen. Eingebettet in ein pink-schwarz-weißes Webdesign präsentiert sich die Homepage Frauenpanorama.de als modernes Lifestyle-Magazin für die selbstbewusste Frau von nebenan.

 

Es geht um Urlaub, um Kochrezepte, um die stylischsten Outfits fürs Büro. Vor allem aber um alleinerziehende Mütter und fremdgehende Männer. Hin und wieder beschäftigt sich ein Artikel mit politischen Themen, vordergründig jedoch liest sich die Seite wie ein 101 Guide für Single-Mütter, die von ihren Männern sitzengelassen wurden.

 

Geschenkt, dass das Frauenbild trotz aller anderslautenden Versprechungen altbekannte Klischees bedient und das Ganze als emanzipierten Kampf alleinstehender Frauen verkauft. Das deutlich dringlichere Problem ist, dass sich hinter all der vermeintlichen Frauenpower rechte Propaganda verbirgt. Kaum merklich kommen nicht nur semi-professionelle Krimi-Autorinnen und Start-Up-Gründerinnen zu Wort, sondern auch gut organisierte Neonazi-Kader. So alternativ und emanzipiert sich das "Frauenmagazin" auch gibt, die Inhalte offenbaren sich vor allem als populistisch und antidemokratisch.

 

Eine der Frauen, die auf der Homepage ihr Weltbild verbreiten können, ist Monique Schober. Die junge, alleinerziehende Mutter hat Frauenpanorama im Dezember unter dem Titel "Ich kann das Wort Einzelfall nicht mehr hören" ein Interview gegeben, mit dem sie als Kämpferin gegen "die Etablierten" stilisiert wird. Darin spricht sie nicht nur von ihrem Alltag, sondern auch davon, was sie "wütend macht": Geflüchtete.

 

"Wirtschaftsflüchtlinge lassen es sich in unserem Land gut gehen und unsere Rentner leben am Existenzminimum", sagt Schober überzeugt. Das Narrativ passt zum ideologischen Hintergrund der in Bayern lebenden Frau. Schober ist Organisatorin und Mitbegründerin der NPD-nahen Initiative "Franken wehrt sich", die mehrere rassistische Kundgebungen organisierte. Wie Schober selbst erwähnt, ist sie ebenfalls Teil der Bürgerinitiative "Wir lieben Franken".

 

Sie ist nicht die einzige Frau, die auf Frauenpanorama eine Bühne für rechte Propaganda erhält. Ein anderes Interview fokussiert sich auf zwei Aktive der als Hilfsorganisation inszenierten Initiative "Ein Volk hilft sich selbst": wie schon der Name erahnen lässt, eine Hilfsorganisation von Deutschen für Deutsche. Die Organisation steht dem rechtsextremen Netzwerk THÜGIDA, dem Thüringer Ableger von PEGIDA, nahe. Nicht nur bekannte Neonazikader wie der Ex-NPDler und heute bei Die Rechte organisierte Alexander Kurth sind darin aktiv, sondern auch Uta Nürnberger, AfD-Mitglied aus Leipzig, die ebenfalls zum Thügida-Bundesvorstand gehört.

 

Unter dem Deckmantel der Hilfe für sozial Schwache werden bei "Ein Volk hilft sich selbst" klassisch rassistische Argumentationsmuster bedient. Eine der beiden interviewten Frauen ist die szenebekannte Aktivistin Angela Schaller, die auf Frauenpanorama loslässt, was ihrer Meinung nach politisch alles schiefläuft. Ihre Aussagen lesen sich dabei wie die ausformulierte Fassung von gesammelten PEGIDA-Plakaten. Schaller spricht von "Alten, Kranken und Armen", die "oft alleine und vollkommen überfordert" seien, während es "zig Organisationen" gebe, "die sich sofort um den Papierkram von so genannten Asylanten kümmern".

 

Die "etablierten Politiker" würden dabei "in erster Linie an sich" denken, weshalb das Geld, das eigentlich da ist nicht an das deutsche Volk gehe. Sie fordert einen "Neuanfang, in dem wieder Politik von Deutschen in erster Linie für Deutsche gemacht wird."

 

Die gebürtige Ingolstädterin tritt nicht nur immer wieder als Anmelderin von rechten Kundgebungen in Erscheinung, sondern ist mittlerweile fest in die Südthüringer Neonazi-Szene eingebunden. Ihre ideologische Färbung trägt sie ungeniert nach außen: mit Teilnahmen am Rudolf-Heß-Gedenkmarsch, Selfies vor Nazi-Plakaten oder einem angeblichen Hakenkreuz-Tattoo. Auf Facebook postete sie vergangenen September ein Video, in dem sie in aller Öffentlichkeit den Hitlergruß zeigte. Der Blog "Thüringen rechts außen" belegt ihre Teilnahme an zahlreichen Neonazi-Aufmärschen, von Fackelmarsch zu Thügida-Kundgebung. Erst im November schrieb sie auf Facebook: "den Holocaust gab es NUR am deutschen Volk."

 

Beide Interviews stammen von einer Autorin, die als "Anna" auftritt. Monique Schober beschreibt sie als "engagierte Frau", die „die Verhältnisse, die unter Merkel in Deutschland Einzug gehalten haben, scharf kritisiert". Auch andere Artikel, die unter diesem Namen oder Pseudonym veröffentlicht werden, schlagen in eine ähnliche ideologische Kerbe.

 

So wird das Interview mit Schober eingeleitet, es seien "Leute, wie Sie und ich, die den Wildwest-Zustand im Land nicht länger hinnehmen wollen – darunter unglaublich viele Frauen." Dabei werden die von "Anna" hochgelobten Frauen ganz klar als unterrepräsentiert dargestellt. Laut ihr blieben solche Frauen blieben "meist im Hintergrund", beklatscht würden stattdessen "obszöne Kampagnen selbsternannter Feministinnen, die mal eben mit nacktem Busen irgendwelche Veranstaltungen stürmen und sich dem Beifall der Mainstream-Medien sicher sein können", wie sie in einem Artikel zum Internationalen Frauentag schreibt.

 

Was ein emanzipierter Feminismus bedeutet, scheint "Anna" nicht verstanden zu haben – das Ausspielen verschiedener Frauen gegeneinander gehört jedenfalls nicht dazu. Aber es passt zum eigentlich grundkonservativen neurechten Bild der starken deutschen Frauen, die sich durchsetzen müssen. Das Hervorheben weiblicher Stärke ist kein seltenes Phänomen rechter Propaganda. Die eigene Ideologie unter vermeintlich meinungs- und weltoffener Berichterstattung zu verstecken, übrigens auch nicht.

 

Eine Studie der Jacobs Universität Bremen hat im Auftrag der Arbeits- und Forschungsstelle Rechtsextremismus und Radikalisierungsprävention am Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI) kürzlich die Bedeutung neuer Medien für den politischen Extremismus untersucht. Dabei fanden die Forscher heraus, dass "rechtsextreme Ideologien im Internet nicht etwa allgemein öffentlich verbreitet werden, sondern nur versteckt und implizit", wie es in dem Aufsatz zur Studie heißt. Die Soziologin Jessie Daniels nannte solche Seiten, die zwar rechte Inhalte verbreiten, sie aber nicht offenlegen "cloaked websites", also verhüllte Webseiten. Typisch sei dabei, dass sie als legitime Quelle auftreten und oftmals für Werte wie Wahrheit, Aufklärung und Bildung stehen, de facto jedoch rechte Propaganda verbreiten.

 

Medienpsychologin Özen Odag, Teil der Forschungsgruppe der Universität Bremen, spricht im Gespräch mit Broadly davon, dass viele extremistische Webseiten ihr Publikum durch vorgebliche differenzierte Themen wie Meinungsfreiheit, Menschenrechte oder Mutterschaft ansprechen. "Es scheint eine Taktik zu sein, wie rechte Webseiten ihre potentielle Leserschaft anlocken", sagt sie. Laut der Studie funktioniere dies vor allem deshalb, weil "die Inhalte nicht vordergründig, sondern nur auf subtile Art und Weise rassistisch sind."

 

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Zielgruppe von Frauenpanorama. Rechte Organisationen und neonazistische Verbände sind meist männlich geprägt – Frauen sind in der Szene eher unterrepräsentiert. Und doch macht die Sonderstellung der Frau als Argumentationsgrundlage Sinn. Die Kommunikationswissenschaftlerin Josephine Schmitt von der Universität Köln sieht in dem Vorschalten von Frauenthemen zum Näherbringen rechter Propaganda simple Mechanismen.

 

"Es geht darum, eine emotionale Verbindung mit den vermittelten Inhalten/Werten zu schaffen, zum Beispiel durch die Fokussierung auf bestimmte Themen wie Kinder oder Kindesmissbrauch oder die Verwendung von Fallbeispielen, mit denen eine Identifizierung einfach erscheint." Die Frauen werden dabei als Zielgruppe gebraucht. "Sie sollen ja den 'Erhalt des Volkes bzw. der deutschen Rasse' maßgeblich ermöglichen", so Schmitt.

 

Die Frau als Garant für die deutsche Identität. Damit dies funktioniert, müssen aber auch explizit Frauen Identifikationsmöglichkeiten geboten werden - bei Frauenpanorama vor allem über Themen wie Familie, Nachwuchs und Kochen.

 

Doch nicht nur die hoch persönlichen Geschichten der Frauen "von nebenan" bieten Anlass zum Bonding: Insbesondere über das Narrativ betrügerischer Männer will die Webseite ein unsichtbares Band zwischen den alleingelassenen Frauen generieren. Immer wieder bieten Artikel auf Frauenpanorama demnach auch Content für Betrogene. Ob Strategien, wie man die Fremdgeher erwischt oder die Frage, ob es den Männern in den Genen liege, zu betrügen: das Thema ist auf der Seite omnipräsent. Kaum überraschend, liegt dem Ganzen doch eine Argumentation zugrunde, die eine enorme Zweigeteiltheit zwischen den biologischen Geschlechtern Mann und Frau konstruiert und ihnen jeweilige Verhaltensweisen attestiert – auch das etwas, das mit emanzipatorischem Feminismus wenig zu tun hat.

 

Eine Inhaltsanalyse der Homepage zeigt dann auch folgerichtig: Die meistbenutzten Worte sind Untreue, Frauen, Fremdgehen und Alleinerziehende.

 

Zurückzuführen sind die Animositäten gegen vermeintlich notorische Fremdgeher womöglich auf die Gründerin der Webseite, Linda-Tabea Vehlen. Die in Leipzig lebende 46-Jährige ist nicht neu im Internetgeschäft, sondern hat bereits eine andere zündende Idee an den Start gebracht. Nachdem sie 2009 ihrem damaligen Partner mithilfe eines Privatdetektivs auflauerte und herausfand, dass er sie betrügt, gründete sie die Online-Plattform "Wen datet er noch". Was klingt wie das Drehbuch einer Daily Soap, spülte Vehlen beachtliche Summen in die Kasse. Sie selbst sprach 2014 in einem VICE-Interview von "extrem viel Geld", um das es da gehe.

 

Die Idee war der Aufbau einer Datenbank, in der Frauen die (Klar-)Namen und Pseudonyme von Männern eintragen können, deren Treue sie in Frage stellen. Gegen Geld kann man dann nach diesem Namen suchen. Vehlen selbst findet, ihr Betrugs-Aufdeck-Portal sei "wie eine gute Freundin." So wundert es auch nicht, dass auch bei Frauenpanorama der Mann als Feindbild immer wieder eine Rolle spielt und mehrfach auf den Bezahlservice hingewiesen wird.

 

Sonderlich medienscheu schien Vehlen in der Vergangenheit nicht gewesen zu sein, Fragen zu den Inhalten auf Frauenpanorama wollte sie auf Anfrage allerdings nicht beantworten. Auch lassen sich keine offensichtlichen Verbindungen Vehlens zur rechten Szene finden. Dass ihr auf Facebook Artikel wie "AfD will Flüchtlinge ohne Pass in Lager stecken" gefallen, könnten zwar ein Hinweis auf ihre Gesinnung geben, sind aber noch kein Beleg dafür. Vehlens Online-Präsenz und ideologische Überzeugungen bleiben daher undurchsichtig.

 

Die Frau als Einzelkämpferin gegen fremdgehende Männer als dominantes Narrativ des Frauenpanoramas. Wenn es dabei bliebe, könnte man die Homepage als einen weiteren Beitrag im Meer aus verschrobenen Weltbildern, rückschrittlichen Gender-Vorstellungen und wirren Verschwörungsideen abspeichern. Doch durch die Einbettung rechter Propaganda in den vermeintlichen Frauen-Content wird sie gefährlich. Indem sich die Seite wie ein Gespräch mit der netten Freundin von nebenan präsentiert, wird der Leserin vermittelt: Ich bin für dich da, du kannst mir vertrauen. Das wird vor allem dann problematisch, wenn man die politischen Nuancen nicht einschätzen kann.

 

Wenn rechtsgesinnte ihre Ideologie durch die Beiträge bestärkt sehen, ist das eine Sache. Eine andere ist, wenn nichtsahnende Frauen auf eine Seite stoßen, die sich als vermeintlichen Ratgeber und nettes Magazin präsentiert, dabei aber kaum merklich rechte Propaganda lanciert. In dieser Wohlfühlzone ist man als Leserin schnell verleitet zu glauben, was man liest. Tatsächlich werden aber statt gut gemeinten Unterstützungsangeboten vor allem einfache Feindbilder präsentiert, denen man die Schuld an der eigenen Misere geben kann – seien es nun Männer, "obszöne" Feministinnen oder Geflüchtete.