Eigentlich wollten Peter und Michael (Namen geändert, d. Red.) Freunde in Rochlitz besuchen. Als sie sich am Freitag, 7. Mai, in Geithain auf den Weg machten, ahnten sie noch nicht, welch dramatischen Verlauf der milde Frühjahrsabend nehmen sollte.
Um kurz nach 20 Uhr hielten der 18-jährige Michael und sein 15-jähriger 
Begleiter an der Total-Tankstelle in der Peniger Straße. Während die 
beiden Michaels Auto betankten, fiel ihnen ein dunkler VW-Golf auf, der 
erst auf der Straße vorbeifuhr, um dann zu wenden und sich in die 
Tankstellenausfahrt zu stellen. 
Dann ging alles ganz schnell: Ein junger Mann stieg aus dem Golf aus und
 ging langsam auf Peter zu. Kurz bevor er vor ihm stand, begann er, auf 
ihn zuzulaufen, sprang ihm gegen den Brustkorb und schlug ihm gezielt 
ins Gesicht. "Das war 'ne Sache von ein, zwei Sekunden", erinnert sich 
Peter. "Einmal durchgezogen, und das war's." Während der Täter mit 
seinen Kameraden flüchtete, schleppte sich Peter schwerstverletzt in den
 Tankstellenshop. Erst als ihm die Verkäuferin einen Spiegel reichte, 
sah er das Ausmaß seiner Verletzungen. "In meiner Stirn war eine Delle. 
Aus Nase, Ohren und Mund lief Blut. Ich sah sogar Blut in meinen Augen."
	                                    
									Michael fuhr seinen Freund mit dem eigenen Auto sofort ins 
nächste Krankenhaus nach Rochlitz. Da die Ärzte dort seine Verletzungen 
nicht behandeln konnten, wurde er noch am Abend in eine Chemnitzer 
Klinik verlegt. Die Diagnose der Ärzte: Nasennebenhöhlenfraktur. Zu 
diesem Zeitpunkt schwebte der junge Mann in Lebensgefahr. 
"Ein Arzt sagte zu mir, ich könne jeden Augenblick sterben. Das werde 
ich nie vergessen." Erst am Sonntagmorgen retteten die Mediziner in 
einer Notoperation Peters Leben. Seitdem fixieren Titanplatten seine 
rechte, vordere Schädelseite. Eine lange OP-Narbe zieht sich einmal quer
 über seinen Vorderschädel. Weite Teile seines Hinterkopfes kann er 
nicht mehr spüren. "Das fühlt sich an, als ob man eine Badekappe tragen 
würde", beschreibt Peter das Gefühl, das ihn wohl Zeit seines Lebens 
begleiten wird. Hinzu kommen die psychischen Belastungen. Manche 
Gewaltopfer leiden auch noch Jahre nach der Tat an den Folgen.
Der mutmaßliche Täter ist schnell identifiziert: der 19 Jahre alte 
Albert R. aus Lunzenau hatte sich eine Viertelstunde vor dem Übergriff 
im Tankstellenshop ein belegtes Brötchen gegönnt. Die Aufzeichnungen der
 Überwachungskameras führten zu seiner Identifizierung. Als er sich eine
 Stunde nach der Tat bei derselben Tankstelle ein kühles Bier kaufen 
möchte, um mit seinen Freunden anzustoßen, weist ihn die Verkäuferin ab.
 Mit seiner Identifizierung steht fest, dass die Gewalttat politisch 
motiviert gewesen ist.Der Lunzenauer, dem Kontakte ins Freefight-Milieu 
nachgesagt werden, gehört der militanten Neonazi-Szene an. In der 
Vergangenheit besuchte er immer wieder Veranstaltungen von NPD und 
"Freien Kräften". Zuletzt wurde er im prägnanten Hardcore-Outfit, mit 
Piercings in Unterlippe und Nase sowie zentimetergroßen Fleischtunneln 
in beiden Ohren und langem roten Kinnbart am 24. April auf einer 
JN-Demonstration anlässlich des "Elbeday" in Torgau gesehen. 
Am Montag, 10. Mai, holten ihn die Ermittler von der Arbeit ab und 
führten ihn dem Haftrichter vor. Seitdem sitzt der mutmaßliche Täter in 
der JVA Zwickau in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz 
wirft Albert R. schwere Körperverletzung vor. Möglicherweise kommt auch 
eine Anklage wegen versuchten Totschlags in Frage. Der Täter nahm den 
Tod seines Opfers zumindest billigend in Kauf.
Dass ausgerechnet der 15-Jährige der Gewaltattacke zum Opfer fiel, ist 
nicht allein dem Zufall geschuldet. Wenige Wochen zuvor erst wurde der 
Jugendliche, der sich auch gern alternativ kleidet, im Internet an den 
Pranger gestellt: Sein Foto sowie seine Adresse wurden auf einem 
überregionalen Portal der rechten Szene veröffentlicht. Auf dem Portal 
finden sich reihenweise Fotos von Journalisten und von Gegnern 
rechtsradikaler Gewalt. Die meisten Bilder entstanden am Rande diverser 
rechtsradikaler Aufmärsche und Demonstrationen.
	                                    
									Wer verbirgt sich hinter solchen Webseiten? Im Falle der 
besagten Website führt die Spur unter anderem direkt zur sächsischen 
NPD. Nach einem Bericht des Fachportals "Recherche Nord" soll der 
Eilenburger NPD-Funktionär Kai Rzehaczek für die Inhalte der Seite 
mitverantwortlich sein. Der Eilenburger Stadtrat und Betreiber eines 
rechten Online-Versandhandels gilt als ein Bindeglied zwischen dem 
Internetprojekt und der regionalen Szene. 
Nach Angaben der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und 
Demokratie Sachsen e.V. ereigneten sich im Jahr 2009 allein in Sachsen 
263 rechtsmotivierte Übergriffe. Auch Peter und Michael wurden schon vor
 dem 7. Mai immer wieder von Neonazis bedroht. Im vergangenen Dezember 
erreichte die beiden per E-Mail ein anonymer Drohbrief. Zeitgleich 
erschien im Internet ein Videoclip, in welchem unter der Losung 
"Geithain bleibt braun" Fotos von alternativ gekleideten Jugendlichen 
gezeigt worden sind. Ein weiterer Brief lag im April in Michaels 
Briefkasten. "Wenn du nicht mit deinen Aktionen aufhörst, dann sieht 
dein Auto aus wie unten angeführt". Darunter ist ein ausgebrannter Pkw 
abgebildet. In der Nacht zum 4. April beschmierten Unbekannte das 
Garagentor von Peters Eltern mit dem Schriftzug "Peter, Wir kriegen 
dich". 
Doch bei Drohgebärden blieb es nicht. "Allein in den letzten zwei 
Monaten wurden in Geithain drei Autos von Neonazis demoliert", berichtet
 Peter. Allein zweimal traf es Michaels Pkw: "Mir wurden Nummernschilder
 geklaut und wiederholt die Seitenspiegel abgetreten", ärgert sich der 
junge Mann. Nachdem er am Samstagabend nach dem Übergriff seinen Freund 
im Krankenhaus besucht hatte, verfolgten ihn ein paar dubiose Gestalten 
im Auto von Rochlitz bis nach Hause. Kaum hatte er seinen Wagen auf dem 
Grundstück seines Elternhauses geparkt, versuchten ihn die Verfolger aus
 dem verriegelten Fahrzeug zu ziehen. Erst als seine Mutter den 
Angreifern lautstark mit der Polizei drohte, suchten sie das Weite


