Lange nichts gehört von den so genannten
Nationaldemokraten. Dem will die umstrittene Partei nun abhelfen: Nach
dem "Kampf um die Parlamente", so sagt die NPD, will sie nun wieder auf
den Straßen um Mitglieder werben - und zur WM schweres Geschütz
auffahren.
Die Provokationen sind meist gezielt, die Folgen werden nicht selten mit
einem Grinsen hingenommen. Wenn die rechtsextreme NPD in den Landtagen
von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu lange aus den Schlagzeilen
ist, hilft sie selbst nach. In Schwerin erteilte das Parlamentspräsidium
NPD-Abgeordneten seit Beginn der Legislatur 345 Ordnungsrufe, 22 Mal
schloss es Provozierer wegen mehrfachen Ermahnungen schließlich von der
Sitzung aus. In Dresden verließ die NPD am Mittwoch geschlossen den
Landtag, Fraktionschef Holger Apfel hält ihn für eine
"pseudodemokratische Narrenbude".
Dennoch wirkte auch diese Aktion inszeniert und
wie ein Beleg für das, was bei den Rechtsextremen derzeit unter dem
Stichwort Strategiewechsel passiert. Ende März formulierte der
sächsische NPD-Landesverband in einem internen Schreiben Grundsätze.
Fazit: Die "großen Wahlschlachten" 2009 sind geschlagen, nach dem "Kampf
um die Parlamente" müsse die NPD nun wieder auf die Straße zurück. Nach
den Worten Apfels soll sich die Arbeit nicht mehr nur auf das "oftmals
parlamentarische Klein-Klein-Spiel beschränken". Vielmehr müsse die NPD
"in der Öffentlichkeit Gesicht und Flagge" zeigen. Die Straße sei
wichtig, weil der NPD anderswo die Debatte verweigert werde.
Vor allem in den Tagen der Fußball-WM wollen die
Rechtsextremen voll auf Angriff spielen. Inzwischen tauchte bereits ein
Aufkleber auf: Der Slogan "Deutschland - Weltmeister der Herzen" soll
unter Fans verteilt werden. Es gehe darum, "weiter mit positiver
Sympathiewerbung um die Herzen unserer Landsleute zu kämpfen", heißt es
im NPD-Deutsch. Die Linken empfahlen den Fußballfans am Donnerstag
vorsorglich, bei den Aufklebern auch das Kleingedruckte zu lesen und
sich nicht zum NPD-Werbeträger zu machen.
Neue StrategiedebatteDas
Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen sieht solche Aktivitäten als
Ergebnis der Strategiedebatte. Es gehe der NPD darum, Aufmerksamkeit zu
erregen. Nach Ansicht von Experten versucht die Partei zugleich,
verlorenes Terrain zurückzuerobern. In Sachsen hatte die NPD bei der
Landtagswahl 2009 erstmals überhaupt den Wiedereinzug in ein Parlament
geschafft. Sie rutschte aber von vormals 9,2 Prozent (2004) der Stimmen
auf 5,6 Prozent ab. Bereits nach der Wahl von 2004 hatten "Freie Kräfte"
ihr den Rücken gekehrt, weil die "Bonzen" nun im Dienstwagen durchs
Land fahren wollten. In Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD 2006 bei der
Landtagswahl 7,3 Prozent erreichte, liegen keine aktuellen Umfragewerte
vor.
Die Fußballszene scheint für die NPD
zur Rekrutierung neuer Leute ein geeignetes Feld. Schon zur WM 2006 bot
die rechtsextreme Partei den hässlichen Prolog für das später als
"Sommermärchen" titulierte Event. Damals hatte die NPD einen
Turnierplaner herausgegeben, auf dem ein Trikot der DFB-Auswahl mit der
Nummer 25 zu sehen war. "Weiß. Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine
echte NATIONAL-Mannschaft!", lautete der Slogan. Die "25" trug Patrick
Owomoyela, damaliger Nationalspieler mit nigerianischem Vater und
dunkler Hautfarbe.
Die Methoden von NPD oder vergleichbaren
Organisationen sind auch im Ligabetrieb nichts Neues. "Derzeit sind
keine Tendenzen erkennbar, dass sie an Vereine andocken wollen, es wird
aber immer wieder vereinzelt versucht", sagt ein Sicherheitsexperte des
Nordostdeutschen Fußballverbandes.
Owomoyela
und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) konnten sich gegen die Hetzkampagne
erfolgreich wehren. Im Hauptverfahren vom April 2009 wurde NPD-Chef Udo
Voigt wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu sieben Monaten Haft auf
Bewährung verurteilt. Auch in diesem Jahr gibt es einen WM-Terminplaner
der NPD - nach dem Urteil gegen Voigt hat sie diesmal auf eine offene
Provokation verzichtet. von Martin Moravec
und Jörg Schurig