Wer glaubt, der Ku-Klux-Klan sei ein rein US-amerikanisches Phänomen, irrt. Die Journalisten Frederik Obermaier und Tanjev Schultz kommen in "Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland" zu einem ganz anderen Ergebnis und weisen in ihren Recherchen sogar Verbindungen zum rechtsextremen NSU nach.
Von Mirko Smiljanic
Ist der Ku-Klux-Klan 
tatsächlich in Deutschland präsent? Männer mit Kapuzen über dem Kopf, 
die für das "Überleben der weißen Rasse" kämpfen? Brennende Kreuze in 
Gärten und auf Lichtungen? Er ist es - trotz der zum Teil kruden 
Ideenwelt. Ein Blick ins Glossar des Buches "Kapuzenmänner. Der 
Ku-Klux-Klan in Deutschland" verdeutlicht das. Auf sieben Seiten 
übersetzen Frederik Obermaier und Tanjev Schultz gängige Begriffe aus 
der Welt des Klans. "Asgard" ist das Leitungsgremium des Ordens; "Grand 
Wizard", Großer Hexenmeister, nennt sich der Chef eines 
Klan-Ortsverbandes; "Klavern" heißen Klan-Ortsgruppen; "Kloran" das 
heilige Buch mit allen Regeln und Ritualen und so weiter und so fort. 
Ein Game-of-Thrones-Drehbuch voller harmloser Fantasiebegriffe? Leider 
nein! Auf Seite fünf des Glossars erscheint das Kürzel "NSU", 
Nationalsozialistischer Untergrund. Der deutsche Ableger des in den USA 
gegründeten Geheimbundes ist eng mit der rechtsextremen Szene verwoben.
 
 "Die sich dem Klan anschließen oder mit ihm sympathisieren, das sind 
aus meiner Sicht und Sicht meines Mitautors Frederik Obermaier einfach 
ganz klar Rassisten. Es gibt immer mal so Rechtfertigungsstrategie, man 
interessiere sich für irgendwelche christlichen Geschichten, für Mythen,
 für Geheimbündelei, aber im Kern geht es immer wieder um Rassismus, um 
die angebliche weiße Rasse, um Ariertum, und das steht eigentlich im 
Mittelpunkt aller Aktivitäten." 
Schwierige Recherche in der Szene
Tanjev
 Schultz, Professor für Journalismus an der Universität Mainz, und 
Frederik Obermaier, Redakteur bei der 'Süddeutschen Zeitung', beobachten
 seit Jahren die Ku-Klux-Klan-Szene. Keine einfache Recherche. Der Klan 
produziert zwar martialische Bilder und verfolgt rassistische Ziele, 
anders als rechtsextreme Gruppierungen und Organisationen hat er 
hierzulande aber einen schwachen Organisationsgrad. 
 
 "Durch die
 gesamte Geschichte des Ku-Klux-Klans zieht sich, dass es ganz viele – 
in den USA viele, in Deutschland nicht ganz so viele – Untergruppen 
gibt, Verbände, die sich teilweise auch Konkurrenz machen, sich manchmal
 auch spinnefeind sein können, sich dann aber auch an anderen Stellen 
zusammenarbeiten wo es Überlappungen gibt." 
Nordische Sagengestalten standen hoch im Kurs
Auf
 260 Seiten, unterteilt in einen Prolog, neun Kapitel und dem schon 
erwähnten Glossar, beschreiben Obermaier und Schultz den Klan von seinen
 Anfängen in den USA, über erste Kontakte ins Deutschland der 20er-Jahre
 des letzten Jahrhunderts, bis hin zu seinen Aktivitäten der letzten 
Jahre. Der Ku-Klux-Klan fasste Fuß in Deutschland in einer von Rassismus
 geprägten Zeit, nordische Sagengestalten standen hoch im Kurs. Die 
Bedeutung des brennenden Kreuzes erklärte 1925 ein deutsches 
Klanmitglied so:
 
 "Das Kreuz bedeutet die brennende Liebe zu den
 Mitmenschen, insbesondere zu den Brüdern und Schwestern der 
germanischen Rasse. Der Totenkopf sollte die Treue, die von jedem 
Mitglied durch den Eid gelobt war, verkörpern. Das später eingeführte 
weiße Kleid sollte die Reinheit, Wahrheit und Unschuld 
versinnbildlichen." 
Amerikanischen GIs brachten den Klan nach Deutschland
Die Autoren nutzten alle verfügbaren Informationsquellen: Zeitungsartikel und die leider eher magere Literatur über den Klan, Gerichtsakten und Material des Bundeamtes für Verfassungsschutz, Interviews mit Aussteigern und verdeckt gedrehte Videos usw.
Frederik Obermaier 
und Tanjev Schultz haben ihre Wurzeln im investigativen Journalismus, 
was dem Buch zugutekommt. Es liefert eine Fülle von Informationen, es 
ist flüssig und spannend geschrieben, und bringt manchen erstaunlichen 
Zusammenhang ans Licht.
 
 "Nach Ende des Zweiten Weltkrieges 
knüpften die Rassisten diesseits und jenseits des Atlantiks schnell 
wieder neue Bande. Man kann sogar sagen: Mit den amerikanischen GIs, den
 in der westlichen Besatzungszone und dann in der Bundesrepublik 
stationierten Soldaten, kommt der Klan überhaupt erst so richtig nach 
Deutschland."
Spätestens seit den 50er-Jahren hatten deutsche 
Behörden Hinweise auf Aktivitäten des Ku-Klux-Klans. Die meisten 
Kontakte ließen sich noch in die Vereinigten Staaten zurückverfolgen, 
Mittelsmänner waren in Deutschland stationierte GIs. Das änderte sich in
 den 60er-Jahren.
 
 "Im Januar 1966 werden an Wänden der Toilette
 im Münchner Amerikahaus drei brennende Kreuze gepinselt. An die Türen 
pinseln die unbekannten Täter Naziparolen. Die Polizei vermerkt in ihren
 Akten, dass 'Ausdrucksweise und Wortstellung' auf einen Täter hinweise 
würden, 'der nicht Amerikaner' ist."
Detailliert recherchierten 
Obermaier und Schultz auch Geschichte und Umtriebe des Klans im 
Deutschland der Nachwendezeit. Erschreckend ist der Fall eines 
nigerianischen Lehrers, den ein Mob in den 90er-Jahren in einer 
brandenburgischen Diskothek fast gelyncht hat.
 
 "Einer der 
Anführer dieses Mobs, der dann auch verurteilt wurde, wurde dann später 
angeworben als V-Mann des Verfassungsschutzes, dann führt diese Spur bis
 hin zum Kreise des NSU, wo er Informationen geliefert hat, es gibt da 
alle möglichen komischen Querverbindungen, und wir sehen, dass auch die 
Sicherheitskräfte in vielerlei Hinsicht verwoben sind mit diesen 
Geschichten des Ku-Klux-Klans, teilweise um den natürlich auszuheben, 
teilweise sind da aber auch Personen, die eine sehr ungute dubiose 
Doppelrolle gespielt haben." 
Verbindungen zum rechtsterroristischen NSU
In Baden-Württemberg waren zwei Polizisten Mitglied des Ku-Klux-Klans, weitere Beamte hatten Kontakt zu Klanmitgliedern. Wie tief die Verbindung des Klans mit der rechtsextremen Szene in Deutschland reicht, schildern die Autoren im Kapitel "Feiern vor dem Feuer: Die Kreise des NSU".
"Sehr geehrte Frau Zschäpe,[...] So beginnt ein Schreiben, das ein Kriminalobermeister des Thüringer Landeskriminalamtes am 1. August 1996 aufsetzt. [...] Die Polizei hatte Fotos beschlagnahmt, auf denen Mitglieder der rechten Szene vor einem brennenden Holzkreuz posieren, Bier tranken und den rechten Arm in die Höhe streckten."
Mit auf dem Bild: Beate Zschäpe, angeklagt in München unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Der Ku-Klux-Klan ist mittlerweile fest verankert in Deutschlands rechter Szene. Wer diese Szene in ihrer ganzen Breite verstehen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Unbedingt lesen!
Frederik Obermaier und Tanjev Schultz: "Kapuzenmänner. Der Ku-Klux-Klan in Deutschland"
dtv, 260 Seiten, 16,90 Euro.
