Steckbriefe auf Indymedia - OAZ ermittelt: Identitäten mutmaßlicher Connewitz-Angreifer im Netz aufgetaucht

Erstveröffentlicht: 
07.02.2017

Unbekannte haben detaillierte Informationen über 215 Personen veröffentlicht, die an dem Überfall von Hooligans und Rechtsextremen auf Connewitz am 11. Januar 2016 beteiligt gewesen sein sollen. Sicherheitsbehörden ermitteln wegen Datenschutzverstößen.

 

Leipzig. Sie kennen ihre Namen, ihre Fotos, Geburtsdaten und die Anschrift der Arbeitsstelle: Unbekannte haben detaillierte Informationen über 215 Personen veröffentlicht, die an dem Überfall von Hooligans und Rechtsextremen auf Connewitz am 11. Januar 2016 beteiligt gewesen sein sollen. Sicherheitsbehörden ermitteln unter anderem wegen Datenschutzverstößen.

 

Die Staatsanwaltschaft und das auf Extremismusfälle spezialisierte Operative Abwehrzentrum (OAZ) rätseln schon seit Wochen, wie brisante Infos aus dem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den rechtsextremen Krawallen abfließen konnten. Ende Dezember waren im Leipziger Süden Plakate der Antifa aufgetaucht, auf denen mutmaßlich die Namen der 215 Tatverdächtigen aufgelistet waren. Seither laufen die Ermittlungen, teilte am Dienstag OAZ-Sprecherin Kathleen Doetsch auf LVZ-Anfrage mit. Anhängig ist auch eine Kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Ronald Pohle wegen „widerrechtlicher Weitergabe persönlicher Daten“.

 

Auf Indymedia legen unbekannte Verfasser in einem Ausmaß nach, dass am Dienstag dem Vernehmen nach auch in Sicherheitskreisen für Erstaunen sorgte. Die Steckbriefe umfassen neben Fotos und Wohnort auch Freizeitaktivitäten – viele der genannten Hooligans betreiben Kampfsport – sowie die berufliche Tätigkeit. Hinzu kommen Auswertungen der Profile in sozialen Netzwerken. „Diese aktuelle Veröffentlichung wird in die laufenden Ermittlungen einfließen“, erklärte die OAZ-Sprecherin.

 

Klar ist: Die Tatverdächtigen sind potenzielle Ziele für Vergeltungsaktionen. Bereits im November hatten Unbekannte die Wohnung eines Rechtsextremen in Großzschocher gestürmt und verwüstet. Dieser werde „nicht das letzte Nazischwein sein, das für faschistische Organisation und Angriffe, wie den am 11.1. zur Rechenschaft gezogen wird“, hieß es danach in einem Bekennerschreiben auf dem linken Szeneportal Indymedia. Ende Januar der nächste Anschlag: In Neukieritzsch fackelten Unbekannte das Auto eines Mannes ab, der ebenfalls zu den Tatverdächtigen gezählt wird. Auch da folgte ein Bekenntnis zur Selbstjustiz: Staatliche Institutionen hätten „scheinbar wenig Interesse an einer Anklage der Täter vom Überfall auf Connewitz“, so die anonymen Verfasser.

 

Die Behörden verweisen hingegen auf den außerordentlichen Umfang des Verfahrens: Allen 215 Beschuldigten müsse eine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Aktuell dauern die Ermittlungen noch an, teilte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz am Dienstag auf Nachfrage mit. Weil weitere Racheaktionen der Antifa nicht auszuschließen sind, wurden die zuständigen Polizeireviere informiert und sensibilisiert, so Kathleen Doetsch. „Konkrete gefährdungsrelevante Erkenntnisse liegen uns derzeit nicht vor.“

 

Die Rechercheure nutzten ihren Coup unterdessen für einen Spendenaufruf: „Antifaschistische Arbeit kostet Zeit und Geld“, so die Verfasser. „Besonders vorliegendes Projekt gestaltete sich sehr ressourcenintensiv.“

 

Von Frank Döring