"Ich habe in dieser Phase meines Lebens gelernt, dass Parteipolitik ab und zu auch ein richtig schmutziges Geschäft sein kann", sagt Frank Richter zu seiner Zeit als Chef der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Und er gibt zu, dass er mit seiner Titulierung als "Pegida-Versteher" gut leben kann, denn er nahm schon immer bevorzugt Vermittlerrollen ein. Für den MDR blickt der Theologe noch einmal zurück – und voraus auf seine neue Aufgabe.
von Wolfram Nagel
Acht Jahre stand der Theologe Frank Richter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung vor. Ab 1. Februar übernimmt er eine neue Aufgabe als Geschäftsführer der Stiftung Dresdner Frauenkirche. Bekannt geworden war der Katholik als Vermittler zwischen Polizei und Demonstranten am 8. Oktober 1989 auf der Prager Straße. Der Begriff "Friedliche Revolution" ist auch mit seinem Namen verbunden. Frieden und Versöhnung sind für ihn christliche Kernbegriffe auch in einer säkularen Gesellschaft.
"Ja, die Bekanntheit meiner Person hängt mit dem 8.Oktober 1989 
zusammen Aus solch einer Bekanntheit erwächst Verantwortung, das ist 
klar, ich werden daran gemessen, ob ich glaubwürdig bin, ich werde daran
 gemessen, ob ich wahrhaftig bin, ich will nicht das Denkmal meiner 
selbst sein, sondern so wie damals hier und heute das tun, was in meiner
 Kraft steht. Der christliche Glaube, für den die Frauenkirche ja auch 
steht, ermöglicht zugleich, das menschliche Maß zu erkennen, mit der 
Begrenztheit des menschlichen Maßes auch umzugehen."
| Frank Richter
Das Angebot, an die Dresdner Frauenkirche zu wechseln, habe er nicht ausschlagen können, sagt Frank Richter. Es hätte zehn Gründe gegeben, Direktor der Landeszentrale zu bleiben, aber elf Gründe, diese neue Aufgabe zu übernehmen.
"Ich bin angesprochen worden. Der Vertrauensvorschuss hat mich sehr 
gerührt. Es geht um Bildungsarbeit mit besonderem Schwerpunkt auf 
Friedens- und Versöhnungsarbeit. Ich rutsche automatisch wieder in die 
Nähe von Kirche. Geschäftsführer ist kein Pfarrer, gleichwohl kann ich 
natürlich viel unbefangener von Gott reden, als ich das hier in der 
politischen Bildung tun konnte."
| Frank Richter
Frank Richter wurde 1960 in Meißen geboren, wuchs in Großenhain auf und studierte nach dem Abitur katholische Theologie in Neuzelle und Erfurt. 1987 wurde er zum Priester geweiht. Doch 2005 verließ er die römisch-katholische Kirche. Er arbeitete als Referent für Religion und Ethik am Comenius-Institut in Radebeul und als Lehrer an einem hessischen Gymnasium. 2009 wurde Richter Direktor der Landeszentrale für Politische Bildung.
"Ein Parteibuch ist kein Hinderungsgrund, überparteilich zu agieren,
 ich hab auch eines. Aber kein Parteibuch zu besitzen ist nun auch weiß 
Gott kein Schaden für eine überparteiliche Bildungsarbeit."
"Die 
politische Bildung hat mir viel Freude gemacht. Mit dem Team im Haus 
hier zusammenzuarbeiten, hat mir sehr viel Freude gemacht. Manches 
tickte hier, als ich kam, mit allem Respekt der Vorgängerzeit gegenüber,
 sehr autoritär. Und ich glaube, ich habe dazu beigetragen, Abläufe, 
Personen, Mitarbeiter zu emanzipieren. Man kann andere Menschen nur 
emanzipieren und sie aus autoritären Denk- und Verhaltensmustern 
herausholen, wenn man selbst als Direktor mit Kontrollverlust leben kann
 und leben will. Es hat keinen Zweck, sich aufzuregen, dass ein Esel 
nicht läuft, wenn man ihn an der kurzen Leine hält."
| Frank Richter
Wie schon 1989 machte sich Frank Richter auch in den Jahren als Direktor der Landeszentrale einen Namen als Vermittler zwischen verschiedenen politischen Lagern. So versuchte er, seit Ende 2014 Diskussionen mit Anhängern und Gegnern der Pegida-Bewegung zu moderieren.
"Mit dem Begriff Pegida-Versteher kann ich sehr gut leben. Man muss verstehen, mit welchen Menschen man es zu tun hat."
"Die
 Landeszentrale hatte 2014 bereits Erfahrungen hinter sich, durch das 
Projekt Kommune im Dialog, das bereits 2013 begonnen hatte. Und mit 
diesem Projekt waren wir im ganzen Land unterwegs. Der Dresdner 
Politikbetrieb kriegt oft nicht mit, was im ländlichen Raum los ist, wir
 hatten es bereits mitbekommen. Als Pegida 2014 erkennbar wurde, wussten
 wir schon, was da auf die Straße dringt, denn wir hatten das bereits 
bei vielen Veranstaltungen im ländlichen Raum gehört und gesehen."
| Frank Richter
Heftig kritisiert wurde Frank Richter, als er im Januar 2015 Lutz Bachmann und Kathrin Oertel die Türen für eine Pressekonferenz öffnete. Dazu steht er bis heute. Die Landeszentrale für politische Bildung sei eine überparteiliche Einrichtung, so der scheidende Direktor.
"Da war eine Ausnahmeentscheidung, die nehme ich auch auf mich, die 
habe ich selbstständig getroffen. An einem Punkt gebe ich meinen 
Kritikern unumwunden recht: Ich hätte, kurz nachdem Frau Oertel und Herr
 Bachmann vor die Presse getreten sind, sofort den Gegnern von Pegida 
dieselbe Möglichkeit einräumen müssen. Diese Überparteilichkeit hat ja 
gerade auch geholfen, in schwierigen Auseinandersetzungssituationen, 
beispielsweise um Pegida, eine Lücke auszufüllen, die so schnell und 
vielleicht auch so gut niemand anderes ausfüllen konnte. Das heißt, ich 
empfehle allen, die darüber zu entscheiden haben, wer künftig die 
Landeszentrale führt, nach einer Persönlichkeit zu suchen, die diese 
Überparteilichkeit bewahrt."
| Frank Richter
Zusammen mit dem Oberbürgermeister Dirk Hilbert und dem Superintendenten von Dresden-Mitte, Christian Behr, hat Frank Richter mehrere große Foren in der Dresdner Kreuzkirche moderiert. Es ging um Themen wie "Rettung des Abendlandes", die Flüchtlingspolitik oder auch die Medien. Als "Pegida-Versteher" wurde er belächelt und angefeindet. Nur in einem Fall spricht Frank Richter davon, wirklich gescheitert zu sein. Im Vorfeld der Landtagswahl 2014 wollte er Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien zu einer Diskussionsrunde in der Landeszentrale versammeln. Auch die NPD. Alle hätten zugesagt. Doch kurz vorher habe sich einer nach dem anderen zurückgezogen – für ihn ein Desaster.
"Ein Schuldiger für dieses Dilemma musste gesucht werden und das war
 ich, obwohl ich mich doch eigentlich bemüht hatte, alles bestens 
vorzubereiten. Ich habe in dieser Phase gelernt, dass Parteipolitik ab 
und zu auch ein richtig schmutziges Geschäft sein kann."
| Frank Richter
Doch all die Jahre habe er sich von einer wichtigen Maxime leiten lassen. Ein Wort von Wolfgang Böckenförde, dem ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts, habe ihn die ganze Zeit begleitet:
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, 
die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, 
um der Freiheit willen, eingegangen ist."
"Das heißt, wir können 
die beste politische Ordnung haben, die es auf dieser Welt gibt, und 
Deutschland hat die beste Ordnung, die dieses Land je hatte, diese beste
 Ordnung wird uns nichts nützen, wenn die Menschen die Ethik und die 
geistigen Grundlagen dieser Ordnung innerlich nicht nachvollziehen 
können, wenn sie nur das Eigenwohl im Blick haben, wenn sie diese 
Ordnung ausschließlich für die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen 
nutzen und die Orientierung auf das Allgemeinwohl, auf die Solidarität 
und auf den Zusammenhalt dieser Gesellschaft aus dem Auge verlieren. 
Wenn das geschieht und ich glaube, das ist in den vergangenen Jahren 
zunehmend geschehen, dann nutzt uns auch diese gute Ordnung nichts."
| Frank Richter
Frank Richter sieht seine neue Aufgabe in der Frauenkirche darin, das Bewusstsein für das Gemeinwohl zu schärfen.
"Ich werde in Zukunft mehr für die ethisch-geistigen Grundlagen 
unseres demokratisch verfassten Gemeinwesens tun können, als ich das 
hier in der Landeszentrale tun konnte …"
"Die Frauenkirche, die 
in sich eine Dreiteilung hat - einen unterirdischen, einen irdischen und
 einen überirdischen Bereich - sie versucht, diese drei Dimensionen, die
 ja die Dimensionen in unserer Seele sind, zusammenzuhalten. In der 
Frauenkirche wird man intensiver an diesen fundamentalen Dingen, an den 
ethisch geistigen Grundlagen, wie ich sie gerne nenne, erinnert, als in 
der Politik."
| Frank Richter
Und an Ideen mangelt es Frank Richter nicht. Ganz praktisch will er die Möglichkeiten der wieder aufgebauten Kuppelkirche nutzen. Und er nennt ein Beispiel:
"Wir haben ja in diesem Jahr 30 Jahre Städtepartnerschaft 
Hamburg-Dresden, beide Städte haben jeweils für sich eine 
Städtepartnerschaft mit St. Petersburg. Das könnte man doch 
zusammendenken, zumal 2017 an das erinnert wird, was landläufig die 
große sozialistische Oktoberrevolution genannt wird, die hat ja etwas 
eingeläutet für das 20. Jahrhundert, was weiß Gott nicht so viel mit 
Frieden, Versöhnung und Umgang mit Menschenrechten zu tun hatte."
| Frank Richter
