Leitkultur In Sachsen soll ein umstrittenes Institut gegründet werden, bezahlt aus Bundesmitteln
DRESDEN taz | Es soll den klangvollen Namen „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ tragen, in Sachsen angesiedelt werden und bis 2022 vom Bund insgesamt 37 Millionen Euro erhalten. So hat es der Bundestag mit dem Haushalt 2017 im vergangenen November beschlossen.
Was steckt dahinter? Auf Nachfrage zu diesem Projekt stößt man entweder auf völlige Unkenntnis, auf Spekulationen oder auf auffallend ausweichende Antworten. So ist bislang nicht einmal das SPD-geführte sächsische Wissenschaftsministerium offiziell informiert worden. Beim Koalitionspartner der CDU in Sachsen kursieren vielmehr Befürchtungen, hier solle mit Bundesgeldern ein konservativer Thinktank installiert werden.
Mit dabei: Pegida-Patzelt
Für eine solche Vermutung sprechen eine Reihe von Indizien. Als Drahtzieher der Institutsgründung gilt der sächsische CDU-Generalsekretär und Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer. Er ist unter anderem verantwortlich für einen gemeinsam mit der CSU im September 2016 in Berlin vorgestellten „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“. Die Begriffe Halt und Orientierung spielen darin eine zentrale Rolle. Maßgebliche Autoren dieses Aufrufs sind der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität (TU) Dresden und Joachim Klose, der Landesbeauftragter für Sachsen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ist.
Beide haben im Mai 2016 ein Buch über Pegida herausgegeben. In diesem Zusammenhang war bereits von der Gründung eines Pegida-Instituts die Rede. Kretschmer versucht angesichts kursierender Gerüchte die Institutsgründung als ein „völlig gängiges, wissenschaftsgeleitetes Verfahren“ darzustellen.
An der TU Dresden, die mit Patzelt als Gründungsvater immer wieder als Standort genannt wird, wisse man davon jedoch lediglich vom „Hörensagen“, so ein Sprecher zur taz. Solche Überlegungen seien allerdings für die Universität interessant, „weil es sich dabei um eine weitere Stärkung unserer Geistes- und Sozialwissenschaften handeln würde“.
Patzelt selbst bezeichnet das Institut als ein „ungelegtes Ei“. Joachim Klose möchte sich an Spekulationen nicht beteiligen und auch mit Anfragen nicht mehr behelligt werden. Nach Informationen aus den Reihen der SPD im Bundestag sollen aber beide Kontakt mit dem Bildungsministerium von Johanna Wanka (CDU) in Berlin gehabt haben. Kretschmer und die CDU-geführte Dresdner Staatskanzlei seien die weiteren Eckpunkte des Dreiecks, in dem die Institutsgründung vorangetrieben werde.
Wankas Ministerium antwortet nur ausweichend auf Nachfragen und zieht sich auf das frühe Stadium der Planungen zurück. Zunächst sei ein Fachgespräch geplant. Im Büro der sächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Simone Raatz erwartet man nun eine Projektausschreibung. Immerhin seien für das laufende Jahr bereits eine Million Euro vorgesehen, 2018 könnte das Institut bereits über drei Millionen verfügen. Ab 2021 könnte der Jahresetat sogar zehn Millionen Euro betragen.
In Sachsen hofft SPD-Hochschulpolitiker Holger Mann darauf, dass das geplante Institut „nicht in den Geruch einer einseitig parteipolitisch orientierten Veranstaltung kommt“. Aus demselben Grund möchte sein Kollege Falk Neubert von der Landtagsfraktion der Linken das Institut lieber an die geisteswissenschaftlich orientierte Leipziger Uni vergeben.
Die Grüne Claudia Maicher verlangt ein transparentes Verfahren. Die Oppositionspolitikerin hat eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Alle erinnern an die politisch intendierte Gründung des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden 1993, das in heftige Turbulenzen geriet.
Michael Bartsch