Kundgebung: Freitag, 3.2.2017 um 19:30 Uhr - Vor dem Haus der "Burschenschaft Thuringia", Konstantin-Uhde-Strasse 10 (Univiertel) - Für den 3. Februar lädt die „Burschenschaft Thuringia“ zu einem „Zeitzeugenvortrag“ ein. Was sich hinter dieser zunächst harmlos klingenden Veranstaltung verbirgt, zeigt der letzte Vortrag dieser Art: Am 4. Juni 2016 sprach auf dem Haus der Burschenschaft bereits ein „Veteran des zweiten Weltkrieges“ über seine „Erlebnisse“ unter anderen in der Waffen-SS. Unter den Gästen: militante Nazis, Anhänger*innen der „Identitären Bewegung“ (IB), Mitglieder der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) und der „Burschenschaft Germania“.
„Shake Hands“ mit Nazis
 Der Blog recherche38.info berichtete über dieses Stelldichein der extremen Rechten: „Vor
 der Tür begrüßten sich Aktivisten der »JN Braun-schweig« [= 
Jugendorganisation der NPD], der »Identitären Bewegung« und der »Jungen 
Alternative« freundschaftlich mit Handschlag und gingen gemeinsam ins 
Haus der »Thuringia«. Philipp Losse von der IB hatte als Gastgeschenk 
sogar ein Fass Wolters für den anschließenden Umtrunk mitgebracht, das 
er gemeinsam mit Patrick Jäcker von der »Jungen Alternative« ins Haus 
trug (...) Nicht nur Phillip Losse hatte sich für den Besuch des 
‚Zeitzeugenvortrages’ auf dem Haus der »Burschenschaft Thuringia« extra 
in Schale geworfen, auch Felix Hauschild von der »JN Braunschweig« hatte
 die übliche Szenekleidung im Schrank gelassen, sich in einen dunklen 
Anzug gezwängt und eine Krawatte umgebunden (…)“
„Bürgermitglied“ mit rechten Kontakten
 Patrick Jäcker ist kein einfaches Mitglied der „Jungen Alternative“ 
(JA), sondern sitzt im Bezirksvorstand Braunschweig und ist von der AfD 
als „Bürgermitglied“ für zwei Ausschüsse des Rates der Stadt 
Braunschweig benannt. Jäcker trat bereits als Redner beim PEGIDA-Ableger
 BRAGIDA in Erscheinung und nahm an Demonstrationen der „Identitären 
Bewegung“ teil. Während sich die JA ebenso wie die AfD offiziell von den
 „Identitären“ und „Rechtsextremisten“ distanziert, pflegen Funktionäre 
wie Patrick Jäcker oder der Bezirksvorsitzende Lars Steinke weiter ihre 
Kontakte.
Scharnier „Thuringia“
 Der 
„Burschenschaft Thuringia“ kommt dabei eine besondere Scharnierfunktion 
zu: Mit Veranstaltungen wie dem angekündigten „Zeitzeugenvortrag“ mit 
einem „Veteran des zweiten Weltkrieges“ versucht sie als Bindeglied 
zwischen den verschiedenen extrem rechten Spektren von der militanten 
Naziszene, über die „Neue Rechte“ bis hin zu rechtspopulistischen und 
ultrakonservativen Kreisen zu wirken. Dabei ist für diese sicher von 
Vorteil, dass zur „Aktivitas  [= studierende Mitgliedern] der 
„Thuringia“ , Mitglieder der JA als auch der JN zählen, sie über ihre 
„Alten Herren“ durchaus Einfluss auf elitäre Kreise in Gesellschaft, 
Wirtschaft und Politik haben und zum über den „Arbeitskreis 
Braunschweiger Burschenschaften“ auch mit Burschenschaften wie der 
„Germania“ verbunden sind, deren aktive Burschen eher CDU-nah sind, aber
 teilweise auch Sympathien für die AfD zeigen.
Vorsitz in der „Deutschen Burschenschaft“
 Die „Burschenschaft Thuringia“ gehört als letzte der Braunschweiger 
Verbindungen zum Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB), deren 
Vorsitz sie in diesem Jahr innehat. Eine große Zahl von 
Burschenschaften, darunter auch die „Burschenschaft Germania 
Braunschweig“ haben die DB in den letzten Jahren verlassen, weil diese 
immer mehr von völkischen und extrem rechts orientierten 
Burschenschaften dominiert wurde. Trotz des Austritts aus der DB und 
öffentlichen Distanzierungen vom „Rechtsextremismus“ sind die „Germanen“
 allerdings weiterhin mit der „Thuringia“ verbunden. Dies zeigt nicht 
nur der Besuch der Aktivitas der „Germania“ beim Zeitzeugenvortrag, 
sondern auch das gemeinsame Niederlegen eines Kranzes der 
„Arbeitsgemeinschaft Braunschweiger Burschenschaften“ am 
„Volkstrauertag“ im letzten Jahr. Die Teilnahme der „Thuringia“, der AfD
 und einer handvoll JN-Anhänger*innen an der Gedenkveranstaltung des 
„Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge“ führte zu Schlagzeilen, wie 
„Volkstrauertag: Gedenkfeier von Rechten unterwandert?“ (news38.de) und 
der Versicherung von Stadt und Volksbund die Teilnahme der „Thuringia“ 
als auch der JN künftig zu unterbinden.
Neurechte Traditionen
 Bereits in der Vergangenheit organisierte die „Thuringia“ immer wieder 
Veranstaltungen mit Referent*innen aus der Braunzone zwischen 
Konservatismus, Neuer Rechte und Faschismus. In den 90er Jahren 
beteiligten sich Burschen der „Thuringia“ (u.a. zusammen mit Mitglieder 
der „Burschenschaft Germania“, des RCDS und der Jungen Union) am 
„Arbeitskreis Junger Konservativer an der TU Braunschweig“. Dieser 
Leserkreis der „Jungen Freiheit“ [= neurechte Wochenzeitung] orientierte
 sich an den Theorien und Diskussionen der „Neuen Rechten“ und hatte 
sich auf die Fahnen geschrieben "die Konservative Revolution im 
Deutschen Volke voranzutreiben". Die „Neue Rechte“ ist eine Strömung , 
die vor allem von Intellektuellen aus dem rechtskonservativen bis 
faschistischen Milieu getragen wird und seit den 70er Jahren versucht 
die Grenzen zwischen „demokratischem Konservatismus“ und 
„antidemokratischem Rechtsextremismus“ aufzulösen. Ihren historischen 
Bezugspunkt sieht die „Neue Rechte“ weniger im „Nationalsozialismus“, 
sondern in antiliberalen, antidemokratischen, faschistischen Strömungen 
in der Weimarer Republik, die unter dem Sammelbegriff „Konservative 
Revolution“ gefasst werden.
Von den Denkzirkeln ins Netz und auf die Straße
 Was jahrelang meist eher isoliert in den intellektuellen Zirkeln der 
„Neuen Rechten“ an Theorien diskutiert und an Strategien erdacht und 
ersonnen wurde, scheint heute mit dem zunehmend aggressiver auftretenden
 Rassismus und völkischen Nationalismus aus der Mitte der bürgerlichen 
Gesellschaft, dem Aufkommen der PEGIDA-Bewegung, der 
Anti-Flüchtlingsproteste und den Wahlerfolgen der AfD Früchte zu tragen.
 Und tatsächlich haben Theorien und Strategien der „Neuen Rechten“ 
starken  Einfluss sowohl auf PEGIDA, die „Identitären“ und die AfD. So 
schreibt Albrecht von Lucke auf NDR.de unter dem Titel „Die neue 
konservative Revolution“ treffend: „Das rechte Gift der 1920er- und 
30er-Jahre ist wieder da - krude Verschwörungstheorien und 
antiwestliches Denken, anti-parlamentarische Systemkritik von rechts und
 ein neuer Rassismus, zum Teil kaschiert als Anti-Islamismus (…) Und 
dazu gesellt sich - oft in ein und derselben Person - der alte 
Antisemitismus, meist nur dürftig versteckt hinter dem Hass auf das 
angebliche jüdische Finanzkapital. (…)“.
 Da wittern natürlich auch 
die Burschen der „Thuringia“ Morgenluft und schmieden mit an einer neuen
 „Volksbewegung“, bei der die Grenzen und Abgrenzungen zwischen 
konservativen, rechtspopulistischen und faschistischen Strömungen 
aufgehoben werden sollen.
Rechte Geschichtsverdrehung
 Im Weg steht dabei allerdings immer wieder eins: Die Erinnerung daran, 
wie aus den konservativen und faschistischen Strömungen der Weimarer 
Republik am Ende die Verbrechen des „Nationalsozialismus“, der 
Angriffskrieg der Wehrmacht und der Holocaust entstanden. Wer heute 
daran arbeitet NS-Begriffe wie „völkisch“ oder „Volksgemeinschaft“, wie 
„Lügenpresse“ oder „Volksverräter“ wieder „positiv“ (Frauke Petry) zu 
besetzen, der muss dafür auch diese Verbrechen verharmlosen, verdrehen 
oder leugnen. Und so werden „Zeitzeugen“ eingeladen, die noch immer 
beseelt von ihrer „Landserromantik“ vom angeblich „heroischen 
Freiheitskampf“ der Nazimörder ihren Enkeln im Geiste erzählen …
Antifaschistisches Plenum & Offenes Antifa Treffen (OAT), www.antifacafebraunschweig.blogsport.eu
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