Das Karlsruher Urteil lässt die NPD-Verantwortlichen erst einmal aufatmen. Gefährlich ist es trotzdem für die Partei: Die Richter wiesen auf die Möglichkeit hin, ihr staatliche Gelder zu entziehen - eine Idee, die bereits vor zehn Jahren diskutiert wurde.
Von Patrick Gensing, tagesschau.de
Die Bundesländer sind mit ihrem Antrag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD zwar gescheitert, doch eine Hintertür hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen. Die Richter attestierten der Partei eine Wesenverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, die die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestätige. Da aber nicht einmal die Möglichkeit bestehe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele erreichen könne, könne die NPD "trotz verfassungsfeindlicher Gesinnung grundsätzlich weiterhin das Parteiprivileg in Anspruch nehmen", sagte der Präsident des höchsten deutschen Gerichts, Andreas Voßkuhle.
Ob andere Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll seien, wie etwa der Entzug der staatlichen Finanzierung der Partei, habe der Gesetzgeber zu entscheiden, betonte das Gericht.
Seit zehn Jahren im Gespräch
Genau diese Idee ist alles andere als neu. Im Jahr 2007 hatte eine Arbeitsgruppe aus Verfassungsschützern und Juristen Vorschläge erarbeitet, wie die Auszahlung an die NPD gestoppt oder sogar Geld zurückgefordert werden könnte. Auftraggeber war der damalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) als Vorsitzender der Innenministerkonferenz.
In einem als vertraulich klassifizierten Bericht der "Arbeitsgruppe Finanzquellen der rechtsextremistischen Kreise" wurden ein Entzug und eine Rückforderung staatlicher Finanzmittel bei rechtsextremen Stiftungen und Vereinen vorgeschlagen, wenn dort verfassungsfeindliche Bildungsinhalte vermittelt würden. Auch staatliche Parteienzuschüsse sollen im Fall der NPD nicht mehr tabu sein: "Man könnte erwägen, strafbewehrtes Verhalten von (führenden) Parteifunktionären mit dem (teilweisen) Entzug der staatlichen Teilfinanzierung zu belegen", zitierte damals "Der Spiegel" aus dem Bericht.
"Hürde niedriger als ein Parteiverbot"
Ein Jahr später war es der damalige Innensenator von Niedersachsen, Uwe Schünemann von der CDU, der die Idee erneut ins Spiel brachte. Ein entsprechendes Gutachten wurde bei dem Hannoveraner Staatsrechtler Volker Epping in Auftrag gegeben. Der Professor sollte klären, unter welchen Voraussetzungen der NPD staatliche Zuschüsse vorenthalten werden können.
Volker schlug laut einem Bericht der "taz" eine Änderung des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes vor. Er vertrat die Auffassung, dass die Chancengleichheit der Parteien nicht der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Artikels 79, Absatz 3 des Grundgesetzes unterliege. Daher seien unter Berufung auf das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" Gesetzesänderungen möglich, die es erlaubten, verfassungsfeindlichen Parteien die staatliche Parteienfinanzierung zu verwehren. Die Hürden seien niedriger als für ein Parteiverbot.
Eine Arbeitsgruppe wird eingesetzt ...
Im Jahr 2009 setzten die Innenminister dann eine Arbeitsgruppe ein, um den Zufluss öffentlicher Mittel an die NPD zu untersuchen und zu prüfen. 2012 stellten die Innenminister der Union dann eine "Erklärung gegen Extremismus" vor. Sie kündigten an, unter anderem prüfen zu wollen, ob extremistische Parteien von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden könnten. Der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bezeichnete dies aber als schwierig. Danach verschwand der Vorstoß in der Versenkung, könnte nun aber wieder aktuell werden, da das Bundesverfassungsgericht der NPD die Verfassungsfeindlichkeit attestiert hat.