Die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König über die Folgen des gescheiterten NPD-Verbots für den Kampf gegen Rechts.
Frau König, ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für NPD und die Neonazi-Szene ein Erfolg?
 
Die
 Neonazis in Thüringen und auf Bundesebene feiern das natürlich. Sie 
ärgern sich aber gleichzeitig über die Begründung, etwa darüber, dass 
eine ethnisch definierte ‚Volksgemeinschaft‘ als verfassungsfeindlich 
erachtet wird. Grundsätzlich: Für die NPD ist es ein kurzzeitiger 
Erfolg, der mittel- und langfristig nichts an der zunehmenden 
Bedeutungslosigkeit ändert.
Sie sind seit Jahrzehnten auch auf lokaler Ebene gegen Neonazis aktiv. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für Menschen, die sich ähnlich engagieren ganz konkret?
 
Für viele hatte sich mit einem
 NPD-Verbot die Hoffnung verbunden, dass es eine argumentative Grundlage
 liefern könnte – zum Beispiel im Fall von Kindergärtnerinnen, die in 
der NPD sind. Das Urteil vom Dienstag wird aber am Engagement der Leute 
vor Ort nichts ändern. Allerdings wird es weiterhin schwierig sein, der 
NPD etwa Räume zu entziehen, weil das Verbot zum zweiten Mal gescheitert
 ist. 
Aber liefert die ausdrückliche Einstufung der NPD als verfassungsfeindlich nicht auch eine Hilfe für solche Auseinandersetzungen?
 
Das sind letztlich 
juristische Einzelfallentscheidungen. Man kann die Urteilsbegründung 
sicher heranziehen, das muss sich im konkreten Fall noch zeigen.
Sie sind selbst immer wieder Ziel von Drohungen: Im Verbotsantrag ging es auch um eine „Atmosphäre der Angst“, die von der NPD ausginge. Könnten nach dem Urteil jetzt weitere Hemmungen fallen?
 
Das 
klingt jetzt vielleicht hart, aber die Angsträume, die auch durch 
NPD-Vertreter mit erzeugt werden, wären durch ein Verbot nicht 
verschwunden. Dieser Atmosphäre der Angst muss gesellschaftlich 
entgegengewirkt werden, durch geschlossenen Agieren gegen Rassismus, 
Antisemitismus, Rechtsextremismus, die zunehmende Menschenfeindlichkeit.
 Da geht es nicht nur um die NPD. 
Dennoch: Befürchten Sie, die NPD könnte jetzt auf noch radikalere Positionen setzen? Ein erneutes Verbotsverfahren droht ja erst einmal nicht.
 
Es
 gab in den letzten Jahren eine Strategie der Zurückhaltung in der 
Öffentlichkeit. Während das Verbotsverfahren lief, wurde etwa intern 
ausgegeben, sich nicht öffentlich mit Straftätern zu solidarisieren – 
zum Beispiel mit dem ehemaligen NPD-Kader Ralf Wohlleben, der im 
NSU-Prozess angeklagt ist. Diese Zurückhaltung werden sie jetzt wieder 
aufgeben und sicher wieder stärker ihre Positionen in die Öffentlichkeit
 tragen. Aber gesellschaftlich ist das nicht das Problem. 
Wie meinen Sie das?
 
Die
 Radikalisierung in der Gesellschaft ist längst da und läuft nicht in 
erster Linie über die NPD, sondern über die AfD. In Thüringen werden 
Björn Höcke und seine Partei von den Neonazis auf den Straßen als 
parlamentarischer Arm bezeichnet. Die AfD hat längst Teilpositionen der 
NPD übernommen, zumindest in Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel
 ist das erwähnte Konzept der ethnischen reinen ‚Volksgemeinschaft‘, da 
braucht man sich nur die Reden von Herrn Höcke anzuhören.
Was heißt das für zukünftiges Engagement gegen Rechts?
 
Weitermachen.
 Es gilt, weitere Partner zu gewinnen, die sich klar bekennen und ihren 
Blick nicht nur eindimensional auf die NPD richten, sondern auch sehen, 
welche Rolle die AfD inzwischen spielt. Zivilgesellschaftliches 
Engagement gegen Rechts muss unterstützt werden, durch entsprechende 
Fonds der Landesregierungen, auf Justiz-Ebene und von der Polizei, die 
repressive Maßnahmen umsetzen muss, dort wo sie den Zugriff hat.
