Gewaltbereite Demonstranten aus der linksextremistischen Szene haben am 12. Dezember 2015 einen Aufmarsch von knapp 150 Neonazis in Leipzig zum Anlass für Ausschreitungen genutzt. Die Randalierer errichteten Barrikaden, warfen mit Pflastersteinen und zündeten Pyrotechnik. Mindestens 69 Polizisten und etliche Demonstranten wurden zum Teil schwer verletzt. Der Sachschaden ging in den sechstelligen Bereich. Wie ist der Stand der Ermittlungen ein Jahr nach dem Vorfall? MDR SACHSEN hat nachgefragt.
Die schweren linksextremen Krawalle vor einem Jahr in Leipzig haben
bisher für drei Täter Konsequenzen. Auf Anfrage von MDR SACHSEN teilte
die zuständige Staatsanwaltschaft mit, dass von den registrierten
Straftaten bisher drei vor Gericht verhandelt wurden. Dabei ging es bei
einem Täter um Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
und versuchter Körperverletzung, bei dem zweiten um versuchte Nötigung
und einem dritten um Beleidigung eines Polizeibeamten. Alle drei wurden
demnach rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt.
Ein weiteres
Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt. Ein Fall sei mit
einem Strafbefehl und einer Geldstrafe abgeschlossen worden.
Zahlreiche Ermittlungsverfahren eingeleitet
Wie die Staatsanwaltschaft Leipzig MDR SACHSEN mitteilte, konnte die Polizei mehr als 100 Verdächtige nach den Krawallen identifizieren. Insgesamt wurden 166 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich hierbei in 115 Fällen um mutmaßlich linksmotivierte Straftaten, in 14 Fällen um mutmaßlich rechtsmotivierte Straftaten und in 37 Fällen um Verfahren mit nicht eindeutig geklärter bzw. noch aufzuklärender Motivation.
Die Situation war so, dass wir eine Vielzahl von Straftaten und Tatorten hatten. Man konnte damals die Karl-Liebknecht-Straße vom Stüdplatz in Richtung Süden gehen und kam von einem Tatort zum anderen. Jedes einzelne, beschädigte Geschäft war für sich genommen ein Tatort.
Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz
Identifizierung dutzender Täter
Von den 166 Verfahren richten sich 61 Ermittlungsverfahren gegen einen oder mehrere namentlich bekannte oder identifizierte Tatverdächtige und 105 Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Tatverdächtige. Identifiziert wurden, so die Staatsanwaltschaft, insgesamt 104 Tatverdächtige identifiziert. Dabei seien im Ergebnis der bisherigen Ermittlungen 90 Tatverdächtige als mutmaßlich politisch linksmotiviert und 13 Tatverdächtige als mutmaßlich politisch rechtsmotiviert eingeschätzt worden. In einem Fall sei keine eindeutige Zuordnung möglich gewesen.
Wir haben hier eine dreistellige Zahl von Tatverdächtigen und Beschuldigten. Wir müssen jetzt versuchen die Straftaten, die wir erfasst haben, diesen Personen zuzuordnen. Ich bin optimistisch, die einfachen, kleineren Straftaten aufzuklären, sondern auch die schwereren Straftaten.
Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz
Es wird weiter ermittelt
Bis jetzt wurden 63 Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Den Randalieren werden unter anderem Landfriedensbruch, schwerer Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz vorgeworfen. Die Ermittlungen dauerten derzeit an, so die Staatsanwaltschaft. Im Fokus stünden die Verfahren zu den Tatvorwürfen des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall und der gefährlichen Körperverletzung gegen mutmaßlich politisch linksmotivierte Gewaltstraftäter. Diese seien laut Staatsanwaltschaft weit fortgeschritten und kurz vor dem Abschluss.
Es gab im Zuge der Ermittlungen Durchsuchungsmaßnamen gegen einzelne Beschuldigte. Das zeigt auch, dass wir mehrere Monate nach der Tat nach wie vor sehr intensiv dabei sind, hier die Ermittlungen durchzuführen. Die Durchsuchungsmaßnahmen fanden Ende August 2016 statt und richteten sich insgesamt gegen fünf Personen.
Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz
OB Jung hofft auf Ergebnisse
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung äußerte sich unzufrieden über den bisherigen Stand der Ermittlungen. Teile der linksautonomen Szene organisieren sich offenbar auf eine Art, die die Ermittlungsmethoden der Polizei scheitern lasse, sagte Jung MDR SACHSEN. Diese kleinen Zellen seien technisch perfekt organisiert. Der Polizei fehle es teilweise an technischen Möglichkeiten, um überhaupt Ermittlungserfolge zu erzielen. Dazu zähle auch die Überwachung des Datenverkehrs dieser Gruppen, so Jung.
Angkündigte Härte des Rechtsstaats bleibt bislang aus
Sachsen Innenminister Markus Ulbig hatte sich nach den Krawallen überzeugt gezeigt, dass die Täter schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Die Krawalle in Leipzig zeigten einmal mehr, wie radikal und gewalttätig die politische Auseinandersetzung geworden sei. Ulbig betonte damals außerdem, wer Polizisten angreife, weil er die Rechtsstaatlichkeit ablehne, werde diese in aller Härte zu spüren bekommen. "Es darf null Akzeptanz, null Toleranz und null Verschonung vor Strafe für die linken Gewalttäter von Leipzig geben. Ich bin überzeugt, dass die Justiz nun die Verfahren gegen die mehr als 20 Festgenommenen genauso konsequent durchführt und die Täter schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden."
Der Artikel ist am 8.12.2016 aktualisiert worden. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hatte in einer Mitteilung am 07.12.2016 von Konsequenzen für nur einen Täter gesprochen, dann aber ihre Informationen am 08.12.2016 revidiert und konkretisiert.