Tote Frau in Berlin-Mitte Notarzt schildert den Einsatz beim linken Hausprojekt Köpi

Erstveröffentlicht: 
30.12.2016

Eine tote Frau auf dem Hof des Wohnprojekts "Köpi" und viele Fragen. Der Notarzt schildert der B.Z. nun, wie er den Einsatz erlebt hat. Ein Protokoll.

 

von Franziska Klemenz, Maren Wittge und Victor Reichardt

 

Leicht bekleidet liegt sie in der Kälte, regungslos und leichenblass. Ein Anwohner des linken Wohnprojekts „Köpi“ in Mitte ruft von seinem Handy aus Hilfe für die junge Frau. Was dann passierte, schien zunächst unfassbar.

 

Der Notruf geht in der Nacht auf Mittwoch um 22.54 Uhr bei der Feuerwehr ein. Sie soll zur „Reanimation“ in die Köpenicker Straße 137 kommen. Notarzt und Feuerwehr sind kurz darauf vor Ort.

 

Was passierte wirklich in der Nacht?

 

Um 23.06 Uhr bittet die Feuerwehr die Polizei „mit Eile“ nachzurücken, spricht von einer „bedrohlichen Lage“. Ein Großaufgebot eilt herbei, gegen 23.20 Uhr ist eine Hundertschaft mit sechs Einsatzwagen vor Ort. Doch die Tore sind verschlossen, die Polizei kommt nicht rein.

 

Zwei Bewohner treten zur „Verhandlung“ vor die Tür. Erst spricht die Polizei am nächsten Tag davon, dass es keine Probleme gegeben habe. Später räumt eine Sprecherin gegenüber der B.Z. ein: „Es hat ein Gespräch gegeben zwischen dem Einsatzleiter und einem Sprecher der Anwohner. Man einigte sich darauf, dass drei Polizeibeamte das Gelände betreten dürfen.“

 

Bedingung: Die Polizisten dürfen nur aufs Gelände, nicht ins Gebäude.

 

Gegen  23.35 Uhr betreten drei Polizisten endlich den Innenhof des „Köpi“. Auf dem Boden liegt die Frau – regungslos. Sie ist längst tot.

 

Am nächsten Tag erzürnen sich Politiker und Medien darüber, dass der Notarzt nicht zur Rettung durchgelassen wurde, dass man die Frau vielleicht hätte retten können. „Das wirft ein schlechtes Licht auf die Bewohner der Köpi. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man Rettungskräfte nicht an ihrer Arbeit hindert“, sagt etwa Innenexperte Benedikt Lux (Grüne) der B.Z.

 

CDU-Innenexperte Burkhard Dregger mahnt: „Es ist erschreckend. Mir ist unbegreiflich, warum man Ärzte und Rettungskräfte nicht zu einer sichtbar hilfsbedürftigen Person durchlässt.“

 

Die Version kursiert quer durch das Netz – bis sich der Notarzt selbst zu Wort meldet.

 

Im Gespräch mit der B.Z. schildert Gordon Fink, was in der Nacht tatsächlich passiert ist

 

Als Fink ankommt, lassen die Autonomen ihn sofort auf das Gelände. Im Innenhof kniet eine Anwohnerin über der reglosen Frau und versucht verzweifelt, sie zu reanimieren.

 

Die 27-Jährige war kurz vorher auf einer Couch in einem dunklen Eck des Innenhofs entdeckt worden. Als Fink sie umdreht, sieht er ein eindeutiges Zeichen: Totenflecken. Der Frau ist nicht mehr zu helfen. Ihr Herz schlägt wohl schon seit zwei Stunden nicht mehr.

 

„Sie trug Piercings und Tättowierungen, war leicht bekleidet. Vielleicht hatte sie getrunken und ist auf der Couch im Kalten eingeschlafen“, mutmaßt der Notarzt. Die Bewohner der Köpi behaupten, die Frau nur vom Sehen zu kennen. Es handelt sich um keine Bewohnerin, die 27-Jährige ist zu Besuch in Berlin.

 

Funker spricht von „Bedrohungslage“.

 

Weil es sich um einen potenziellen Tatort handelt, lässt Notarzt Fink die Polizei rufen.

 

Damit sie schneller kommt, spricht der Funker der Feuerwehr von einer „Bedrohungslage.“ Fink sagt: „Zwar hat uns niemand bedroht. Aber es fühlte sich bedrohlich an, dass sich im Dunkeln immer mehr vermummte Autonome um uns sammelten. Potenziell hätten wir als Beamte angegriffen werden können.“

 

Um einen Totenschein für die Frau zu holen, geht der Arzt zurück zu seinem Auto. Inzwischen tummelt sich ein Großaufgebot der Polizei vor dem Gelände, die Tore sind versperrt. „Da wurde ich dann auch nicht mehr rein gelassen. Da war aber längst klar, dass die Frau tot ist und es nicht eilt.“

 

Verhandlungen könne man kritisch sehen

 

Für Außenstehende sieht es aus, als wäre der Notarzt eben erst gekommen. Dem war nicht so. Die Verhandlung der Linken mit der Polizei jedoch, so Fink, könne man tatsächlich kritisch sehen.

 

Ebenso die Bereitschaft der Polizei, nach den Regeln von Autonomen zu spielen. Auch Kriminalpolizei und Gerichtsmedizin trauen sich nicht, das Gebäude zu betreten. Ihr Einsatz ist ungewöhnlich schnell beendet, noch vor 1 Uhr rücken alle wieder ab. „Die hatten Angst vor Ärger mit den Linken“, so ein Beobachter zur B.Z.

 

Ein Fremdverschulden wird als Todesursache bislang ausgeschlossen. Einen ähnlichen Fall soll es in der Köpi allerdings schon vor einiger Zeit gegeben haben. Damals wurde eine Leiche einfach mit der Schubkarre auf dem Gehweg abgeladen.

 

Wenn auch keine Rettungskräfte von den Autonomen aufgehalten wurden,  so bleibt doch die Kritik für die Verhandlungen mit der Polizei. „Aktionen wie letzte Nacht zeigen, dass einige Menschen die Grundzüge unserer Demokratie nicht respektieren“, kritisiert etwa Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft Berlin.