AfD-Landesparteitag: Warum Stasi und mangelnde Zahlungsmoral eine Rolle spielen

Erstveröffentlicht: 
14.11.2016

Es waren die Detailinformationen, die den gestrigen Landesparteitag der AfD Mecklenburg-Vorpommern prägten: Etwa, dass ein Landtagsabgeordneter einst bei einem Stasi-Wachregiment diente, oder dass es um die Zahlungsmoral der neuen Landtagsabgeordneten nicht besonders gut bestellt ist. Aber auch dessen ungeachtet gibt die junge Partei weiterhin ein zerstrittenes Bild ab.

 

Bernhard Wildt ist neuer Sprecher der Alternative für Deutschland in Mecklenburg-Vorpommern. Der Unternehmer aus Rügen setzte sich in einer Kampfabstimmung gegen den Neubrandenburger Rechtsanwalt Enrico Komning durch, der dem völkisch-nationalen Flügel der Partei zugerechnet wird. Der früher bereits in der FDP und der „Schill-Partei“ aktive Komning erhielt 66 Stimmen, für Wildt hingegen votierten 124 AfD-Mitglieder. Die AfD führt hierzulande Mitgliederparteitage durch, bei denen alle Parteigänger stimmberechtigt sind. Von dieser Möglichkeit machten 200 von ihnen Gebrauch, dem Vernehmen nach hatte die Parteispitze nur die Hälfte von ihnen tatsächlich erwartet, weshalb der Saal in einem Gägelower Hotel aus allen Nähten platzte. Das Tagungszentrum nutzten vor zwei Wochen bereits Funktionäre der NPD für ein über drei Tage andauerndes Treffen, das auch mit EU-Geldern finanziert wurde.

 

Wildts Wahl ist der erste „Sieg“ des eher gemäßigten AfD-Flügels seit einiger Zeit. Zuletzt sah es eher nach Aufwind für die „Radikalen“ aus, in der Landtagsfraktion besetzen ihre Anhänger die Mehrheit der Führungspositionen. Beobachter sprachen gestern von einer aufgeheizten Stimmung und einer angespannten Atmosphäre. Offensichtlich sitzt das Misstrauen an der Basis tief, wenngleich Parteichef Leif-Erik Holm, der gestern mit knapp 94 Prozent wiedergewählt wurde, die Kontroversen wenig erfolgreich herunterzuspielen versucht. Gemeinsam mit Wildt soll Holm die AfD mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr ausrichten. Bei der Landtagswahl vor fast zehn Wochen hatten die „Blauen“ mit 20,8 Prozent ein Rekordergebnis an der Ostsee eingefahren. Sie wurden aus dem Stand zweitstärkste Kraft, vor der CDU, aber hinter der SPD. Seitdem sitzt sie mit 18 Abgeordneten im Landtag, darunter Holm, Wildt und Komning.

 

„Mit der Stasi relativ wenig zu tun gehabt“

Im Vorfeld des Parteitages hatte der bisherige Sprecher Matthias Manthei erklärt, aus „privaten Gründen“ nicht mehr der Parteispitze angehören zu wollen. Gegen den Greifswalder Amtsrichter, der im Kreistag bereits einem asylfeindlichen Antrag der NPD zugestimmt hatte, gab und gibt es in der Partei Vorbehalte. Bei der Wahl zum Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion konnte er sich erst per Losentscheid durchsetzen.

In der Debatte musste Komning Medienberichten zufolge seine frühere Zugehörigkeit zum Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ der DDR-Staatssicherheit einräumen. Allerdings sagte er, er habe „mit der Stasi relativ wenig zu tun gehabt“. Es bleibt Spekulation, ob dieser Umstand die Kandidatur des Mitgliedes der Greifswalder Burschenschaft „Rugia“ derart geschadet hat, dass seine Wahl für die Mehrheit der stimmberechtigten AfD-Sympathisanten nicht möglich war. Jüngst hatte Komning darüber hinaus mit einem Mandat seiner Anwaltskanzlei Schlagzeilen gemacht. Zu deren Mandanten gehört mit Daniel Fiß ein deutschlandweit bekannter Führungsaktivist der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“.

 

Wo Licht ist, ist Schatten

Neben Holm und Wildt gehören Ulrike Schielke-Ziesing (Schatzmeisterin), Michael Bertram (Beisitzer), der „CDU-Überläufer“ und aktuelle Vorsitzende der Schweriner AfD-Stadtratsfraktion, Hagen Brauer (Beisitzer), der Landtagsabgeordnete Nikolaus Kramer (Beisitzer) und Norina Mittendorf (Beisitzerin) dem Vorstand an. Wie die Ostsee-Zeitung berichtet, habe Petra Federau ihre Kandidatur für das Spitzengremium zurückgezogen. Sie habe dem stellvertretenden Schweriner Kreisvorsitzenden Ulf-Theodor Claassen, einem vor einigen Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilten hochrangigen Polizisten, „charakterloses Gebaren“ und Intrigen vorgeworfen. Ebenfalls nicht mehr im Vorstand vertreten ist Holger Arppe, bislang Aushängeschild des völkisch-nationalen Parteiflügels. Genau wie Federau, die unmittelbar vor der Landtagswahl von der eigenen Mannschaft ob ihrer undurchsichtigen Vergangenheit abgesägt worden war, hatte der wegen Volksverhetzung erstinstanzlich verurteilte Rostocker Galerist auf dem letzten Landesparteitag noch einen Anlauf auf die Sprecherposten der Nordost-AfD unternommen.

Nicht nur an der Wahlurne befindet sich die AfD aktuell im Höhenflug, binnen eines Jahres seien außerdem die Mitgliedszahlen von gut 300 auf 535 gestiegen, gab Manthei bekannt. Außerdem habe der Landesverband nach Informationen der Ostsee-Zeitung Spenden in Höhe von 100.000 Euro verzeichnet. Mit der Zahlungsmoral der neugewählten Landtagsabgeordneten scheint es nach Angaben der Schweriner Volkszeitung indes nicht gut zu stehen – nur fünf der 18 Fraktionsangehörigen führten fünf Prozent ihres Einkommens ab, obwohl ein Parteitagsbeschluss jeden Einzelnen dazu verpflichte.