Ein Kongress zu selbstverwalteten Betrieben hat in Thessaloniki seine Türen geöffnet
 – Vom 28. bis 30. Oktober findet in den Fabrikhallen von Vio.Me in 
Thessaloniki der 2. Euromediterranean „Workers Economy“ Kongress statt. 
Vio.Me war im Jahr 2013 besetzt worden, nachdem der Besitzer monatelang 
die Arbeiter_innen nicht bezahlt hatte. Nun produziert der ehemalige 
Baustoffbetrieb in Selbstverwaltung ökologische Reinigungsmittel und 
beteiligt sich an den vielfältigen sozialen Protesten in der Stadt. Ein 
passender Ort also, um selbstverwaltete Betriebe und politische 
Kollektive aus über 16 Ländern willkommen zu heißen. Dutzende 
Initiativen stellen hier ihre Organisierungskonzepte und Erfahrungen vor
 und nutzen den Raum der Konferenz zum Austausch und zur internationalen
 Vernetzung. Neben einer Vielzahl europäischer Kollektive geben auch 
mehrere Betriebe aus Südamerika einen Überblick über ihre Aktivitäten. 
Vor
 über 150 Besucher_innen wurde der Kongress am Freitag mit einer 
Eröffnungsrede von einem Arbeiter des Vio.Me-Kollektivs, einem Vertreter
 vom Organisationskomitee des Kongresses, Andres Ruggeri aus Argentinien
 und Benoit Borrits von der „Association pour l´Autogestion“ aus 
Frankreich eröffnet. In vier größeren Veranstaltungen berichteten 
unterschiedliche Kollektive von ihrer Entstehung und ihren Prinzipien. 
Eines ist dabei mehr als klar geworden: Alle setzen auf Selbstverwaltung
 und basisdemokratische Entscheidungsstrukturen.
Neben 
verschiedenen Akteur_innen aus den sozialen Bewegungen Griechenlands, 
verfolgen auch Delegationen aus Ex-Jugoslawien, Spanien, Deutschland und
  anderen
 Ländern die Debatten. Durch Liveschaltungen wurden interaktive 
Rundgänge in einzelnen Betrieben möglich. In den Pausen herrschte reger 
Austausch, welcher wegen der Sprachenvielfalt manchmal nur mit Händen 
und Füßen geführt werden kann. Aber ein würdevolles Lächeln war es, das 
alle verbunden hat.
anderen
 Ländern die Debatten. Durch Liveschaltungen wurden interaktive 
Rundgänge in einzelnen Betrieben möglich. In den Pausen herrschte reger 
Austausch, welcher wegen der Sprachenvielfalt manchmal nur mit Händen 
und Füßen geführt werden kann. Aber ein würdevolles Lächeln war es, das 
alle verbunden hat.
Bereits am ersten Tag ist uns klar geworden: 
Selbstverwaltete Betriebe gibt es viele- und keiner ist wie ein anderer.
 Allein in Frankreich arbeiten bereits rund 51.000 Menschen in 
Kollektiven, in Argentinien sind es über 60.000, welche so ihren 
Lebensunterhalt bestreiten. Was die vorgestellten Betriebe allerdings 
eint, ist die Entstehung aus einem erbittert geführten Arbeitskampf, in 
dem sich die Belegschaft politisierte und radikalisierte. Sei es die 
Besetzung der Arbeitsstätten oder die Beteiligung an Demonstrationen. 
Die Bandbreite der Aktionen ist vielfältig.
Am
 zweiten Tag der Euromediterranean „Workers Economy“ Konferenz fanden 
sich mit über 250 Besucher_innen deutlich mehr Leute als am Vortag in 
der Haupthalle des selbstverwalteten Betriebs Vio.Me ein. Im Unterschied
 zum ersten Tag wurden verschiedene Fragen der Selbstverwaltung 
konkreter diskutiert. So erläuterten Vertreter_innen des Sozialen 
Zentrums „Micropolis“ aus Thessaloniki, welche Schwierigkeiten sich beim
 Aufbau einer sozialen, auf Solidarität beruhenden, Ökonomie auftun. 
Hier wurde deutlich, welche Zusammenhänge und Ähnlichkeiten zwischen 
einer selbstverwalteten Kooperative und der Organisierung sozialer 
Bewegungen bestehen. Dazu werden wir in den nächsten Tagen noch einmal 
ausführlicher berichten. 
Eine Vertreterin des „Women‘s Economy 
Committee of Rojava“ sprach während einer Video-Liveschaltung über die 
Situation der Selbstverwaltung im syrischen Kanton Rojava und die 
konkrete Umsetzung einer auf den Prinzipien von Basisdemokratie und 
Ökologie basierenden Wirtschaft für eine ganzen Region. Mit den Worten: 
„We would be more than happy to have you here.“ – Wir würden uns sehr 
freuen euch hier zu sehen – beendete sie ihren Beitrag. Diese Einladung 
wurde mit langem Beifall beantwortet.
Lebendige Diskussionen 
entwickelten sich ebenfalls zu den Schwierigkeiten der antagonistischen 
Selbstverwaltung von Arbeiter_innen und wie selbstverwaltete Betriebe 
unsere gesellschaftlichen Beziehungen verändern können. Welche Rolle 
fällt den Projekten zu, um die Prozesse zur gesellschaftlichen 
Veränderung voranzutreiben? Wie können die Betriebe in die lokalen und 
globalen Strukturen integriert werden? Müssen sich alle vernetzen oder 
doch in autonomen Zellen agieren? Alle Beteiligten sind mit diesen 
Fragen konfrontiert und versuchen für sich Wege zu finden, diese 
Herausforderungen zu lösen. Von
 der etwas gehemmten Atmosphäre des ersten Tages ist nichts mehr zu 
spüren, was sicherlich auch ein Ergebnis der gemeinsamen 
Abendveranstaltung mit traditioneller griechischer Rembetikomusik ist. 
Viele Teilnehmer_innen bringen sich in die Diskussionen ein, es werden 
Kontakte getauscht und gemeinsame Veranstaltungen vereinbart. Auch wir 
nutzen die Gelegenheit, um vieles über praktische Problemlösungen beim 
Aufbau von Gegenmacht zu lernen. Das Fabrikgelände von Vio.Me ist nicht 
mehr nur der Arbeitsplatz der Arbeiter_innen von hier, sondern gerade 
ein Schmelzofen verschiedenster Ideen, Träume und Hoffnungen. Die 
Menschen vom Kongress bewegen sich durch die Hallen, als seien es die 
Ihren – und das stimmt sogar… durch die unglaubliche Gastfreundschaft 
der solidarischen Arbeiter_Innen von Vio.ME.
Von
 der etwas gehemmten Atmosphäre des ersten Tages ist nichts mehr zu 
spüren, was sicherlich auch ein Ergebnis der gemeinsamen 
Abendveranstaltung mit traditioneller griechischer Rembetikomusik ist. 
Viele Teilnehmer_innen bringen sich in die Diskussionen ein, es werden 
Kontakte getauscht und gemeinsame Veranstaltungen vereinbart. Auch wir 
nutzen die Gelegenheit, um vieles über praktische Problemlösungen beim 
Aufbau von Gegenmacht zu lernen. Das Fabrikgelände von Vio.Me ist nicht 
mehr nur der Arbeitsplatz der Arbeiter_innen von hier, sondern gerade 
ein Schmelzofen verschiedenster Ideen, Träume und Hoffnungen. Die 
Menschen vom Kongress bewegen sich durch die Hallen, als seien es die 
Ihren – und das stimmt sogar… durch die unglaubliche Gastfreundschaft 
der solidarischen Arbeiter_Innen von Vio.ME.
Auf der 
Abschlussveranstaltung des 1. Tages berichtete ein mexikanischer Lehrer 
der CNTE über die Situation und die Kämpfe dort. Seit Monaten wehren 
sich die Lehrer_innen und ihre Unterstützer_innen gegen eine neue 
Bildungsreform. Da uns sein Vortrag sehr beeindruckt hatte, verabredeten
 wir uns zu einem längeren Interview mit ihm, das wir in den nächsten 
Tagen nachreichen werden.
Nach dem morgendlichen Kaffee ging es 
auch am dritten Tag direkt in die Debatte. Im ersten Panel diskutierten 
verschiedene Vertreter_innen von Initiativen der Selbstverwaltung 
öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen aus Frankreich, Spanien 
und Griechenland die Schwierigkeiten beim Vertrauensaufbau 
selbstorganisierter gemeinschaftlicher Daseinsfürsorge. Gerade in 
Griechenland ist das Thema der Privatisierung gerade hochaktuell, denn 
erst Ende September beschloss die sozialdemokratische Syriza entgegen 
ihrer Wahlversprechungen den Verkauf der öffentlichen Wasserwerke.
Auch
 ein Arbeiter des ehemals besetzten Radiosenders ERT3 schilderte seine 
Erfahrungen mit der aktuellen Regierung. Trotz großspuriger 
Ankündigungen beendete Syriza die Selbstorganisierung der Medienanstalt 
sehr abrupt. Heute existiert der Sender zwar wieder, wurde aber zum 
Regionalsender degradiert. Auch die alte hierarchische Firmenleitung 
wurde wieder eingesetzt und die Programmgestaltung unterliegt wieder 
einigen wenigen. Neben weiteren Workshops zur Nachhaltigkeit 
selbstverwalteter Betriebe und einer abschließenden Vollversammlung 
aller anwesenden Betriebskollektive bildete ein kleinerer Workshop zur 
Zukunft der Arbeit den Abschluss. Brick Lanes Debates, ein loser 
Zusammenschluss aus London, führte anhand der Frage, welche sozialen und
 technologischen Entwicklungen unsere Wahrnehmungen der Arbeit 
verändern, durch die Debatte. In Kleingruppen diskutierten wir in eher 
politisch theoretischem Rahmen, was der Begriff der Arbeit für uns 
bedeutet. Bezeichnend für unser Verständnis von Arbeit war die 
anschließend gemeinsam erarbeitete Charakterisierung des Begriffs.  Neben
 sozialer Ausgrenzung fielen Assoziationen wie Angst & Zwang nicht 
nur einmal. Auch das Verhältnis zur Automatisierung der Arbeit wurde in 
solchen Kleingruppen erläutert.
Neben
 sozialer Ausgrenzung fielen Assoziationen wie Angst & Zwang nicht 
nur einmal. Auch das Verhältnis zur Automatisierung der Arbeit wurde in 
solchen Kleingruppen erläutert.
Den Abschluss der Debatte bildete
 ein Überblick über neue Formen der Ausbeutung in Form des von 
Unternehmen wie Uber, Foodora oder helpling propagierten Plattform 
Capitalism. Für die Zukunft müssen wir uns sicherlich vermehrt mit 
dieser Form der vollkommen individualisierten Ausbeutung 
auseinandersetzen. Einen ersten Vorgeschmack darauf bilden derzeit die 
Kämpfe der Taxifahrer_innen mit dem multinationalen Konzern Uber und die
 aktuellen Kämpfe der Zusteller_innen des europäischen „Start-Ups“ 
Foodora in Italien.
Abseits der Veranstaltungen hatten wir auch 
Zeit uns mit einem Teil der Organisator_innen über die Finanzierung des 
Kongresses zu unterhalten. Um die 8000 Euro wurden benötigt um dieses 
Zusammentreffen auf die Beine zu stellen. Die meisten Ausgaben 
entstanden durch Flugkostenunterstützung für die von weither angereisten
 Aktivist_innen aus Lateinamerika und der Türkei. Ein größerer Teil des 
Geldes kam von 2 Gewerkschaften, die „Solidarité“ aus Frankreich und die
 Gewerkschaft der selbstverwalteten Ärzte aus Griechenland. Auf eine 
angebotene Finanzierung durch Parteien verzichteten die 
Organisator_innen ganz bewusst. Auch einige der größeren Gewerkschaften 
aus Griechenland wurden als direkte Spendengeber abgelehnt. Ihnen wurde 
es allerdings freigestellt, Produkte aus der selbstverwalteten 
Produktion zu erwerben und dadurch den Kongress zu unterstützen. Auch 
die Nachbarschaftszentren und selbstorganisierten Projekte in 
Thessaloniki sammelten Geld und letztendlich kam durch den Verkauf von 
Getränken und Spenden auf dem Kongress genug Geld zusammen, um alle 
Kosten zu decken. Ganz ohne von irgendwem abhängig zu sein.
Die Genoss_innen der radikalen linken | berlin welche im Rahmen der „gewerkschaftliche Reisegruppe gegen Spardiktat und Nationalismus“, auch bekannt als Griechenland Soli-Reisegruppe, in Thessaloniki unterwegs sind, informieren über den 2. Euromediterranean „Workers Economy“ Kongress. In den kommenden Tagen werden auf lowerclassmag.com weitere Interviews und Hintergrundberichte zu einzelnen sozialen Bewegungen und Projekten vor Ort erscheinen.

