+++ Hausbesetzung in Tübingen +++ „Wielandshöhe“ auf dem Österberg wieder bewohnt +++ Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal ließ bewohnbares Haus nach Abbruch von Verhandlungen mit sozialen Initiativen seit Frühjahr 2016 leerstehen +++
+++Update Samstag, 29.10.:
Verhandlungen haben stattgefunden +++ Besetzung bleibt bis Sonntag +++ Einigung auf Neuregelung des Verkaufs +++
Seit Donnerstagabend, 27. Oktober 2016, ist das seit März leerstehende Haus „Wielandshöhe“ in der Stauffenbergstraße 10 auf dem Österberg wieder belebt. Die Besetzung ist eine Reaktion auf den großen Leerstand von Wohnraum bei gleichzeitiger Wohnungsnot und massiv steigenden Mietpreisen in Tübingen. Verhandlungen verschiedener sozialer Initiativen mit der Eigentümerin des Hauses, der Evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal, verliefen im Sommer ohne Ergebnis. Die „Wielandshöhe“ wird in den kommenden Tagen Raum bieten, um über Leerstände und hohe Mieten, Wohnbedürfnisse und konkrete Wohnutopien zu sprechen. Es haben bereits verschiedene Gruppen und Initiativen zugesagt, sich an Workshops und Diskussionen zu beteiligen.
+++Programm+++
Freitag, 28.10.
15 Uhr Workshop des Wohnraumbündnis
18 Uhr Offenes Plenum
20 Uhr Poetry Slam
22 Uhr Film „Mietrebellen“
Samstag, 29.10.
ab 14 Uhr Essen für alle / Kinderprogramm / Workshops
16 Uhr Immobiliendialog für alle: „Wie wollen wir wohnen?“, Podium mit Tübinger Initiativen
17:30 Hausführung
18 Uhr Offenes Plenum
20 Uhr Konzert
Sonntag, 30.10.
11 Uhr Brunch – bringt Kuchen mit!
+++Kontakt+++
Initiative Freelandshöhe, Wielandshöhe, Stauffenbergstr. 10, 72074 Tübingen
Email: freelandshoehe@riseup.net
Homepage: http://freelandshoehe.tumblr.com/
Twitter: https://twitter.com/freelandshoehe
+++weitere Informationen über das Haus „Wielandshöhe“ (ehemals „Haus Luginsland“), die gescheiterten Verhandlungen, Leerstand und steigende Mieten in Tübingen+++
+++Das Haus „Wielandshöhe“+++
Das Haus wurde 1902 als „Haus Luginsland“ von der gleichnamigen nicht-farbentragenden und nicht-schlagenden studentischen Verbindung erbaut. Die denkmalgeschützte Jugendstilvilla befindet sich in bester Tübinger Lage auf dem Österberg, zwischen weiteren Verbindungshäusern. 1936 löste sich die Verbindung Luginsland unter dem Druck des Nationalsozialismus auf, Haus und Grundstück wurden 1937 angesichts der drohenden Enteignung durch die Nazis an die Evangelische Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal verkauft. Aus dieser Zeit stammt auch ein bis heute gültiges formales Vorkaufsrecht des Vereins Alter Tübinger Luginsländer (VATL) im Falle eines Weiterverkaufs des Hauses. Nach einer Nutzung als Lazarett und Seniorenheim beherbergte das Haus zuletzt die geriatrische Tagesklinik des Universitätsklinikums Tübingen.
Die Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal ist immer noch Eigentümerin des Gebäudes. Sie hat ihren Sitz in Herrenberg, engagiert sich in der Krankenpflege und betreibt mehrere Einrichtungen zur Altenhilfe und ein Tagungshotel.
+++Leerstand und Verhandlungen 2016+++
Durch den Umzug der psychiatrischen Tagesklinik wurde das Haus Anfang 2016 leer. Es fanden Verhandlungen mit der Diakonieschwesternschaft über Mietverträge statt, an denen der Verein Alter Tübinger Luginsländer (VATL), eine Wohnprojektinitiative des Mietshäuser Syndikats sowie die Stadtverwaltung Tübingen beteiligt waren. Absicht war es, sozial verträglichen Wohnraum, kombiniert mit Wohnraum für geflüchtete Tübinger Neubürger*innen zu schaffen. Bis zum Sommer waren diese Verhandlungen im Sande verlaufen und von der Diakonieschwesternschaft nichts mehr über ihre Vermietungsabsichten zu hören. Das in bewohnbarem Zustand befindliche Haus stand seither ungenutzt leer.
Es ist zu befürchten, dass die Diakonieschwesternschaft derzeit einen gewinnbringenden Verkauf der Wielandshöhe vorbereitet. Vermutlich wird dabei keine Initiative zum Zuge kommen, die günstige Mieten sowie Sozialverträglichkeit zum Ziel hat.
+++Leerstand + Wohnungsnot = Hausbesetzung+++
Über 150 Gebäude, sowie eine unbekannte Anzahl von Wohnungen stehen in Tübingen leer. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich - der Skandal ist der gleiche und wird vom Haus „Wielandshöhe“ auf den Punkt gebracht: Leerstand trotz Bewohnbarkeit und Wohnungsnot, drohender teurer Verkauf trotz interessierter sozialer Initiativen.
Aufgrund des Immobilienbooms in angesagten Städten sind auch in Tübingen in den letzten Jahren die Mieten stark gestiegen. Nicht zuletzt sind auch in diesem Wintersemester wieder viele neue Studierende nach Tübingen gekommen, die dringend bezahlbaren Wohnraum suchen. Ebenso betroffen sind Eltern mit Kindern, Arbeitslose, deren Mietzuschüsse immer weniger für den Tübinger Wohnungsmarkt ausreichen, sowie generell Menschen mit niedrigem Einkommen. Tübingen fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, immer mehr Menschen können sich das Wohnen in Tübingen nicht mehr leisten.
In den letzten Jahrzehnten haben Hausbesetzungen das Recht auf Wohnen durch selbstorganisierten Einzug in leerstehende Häuser immer wieder aktiv umgesetzt. Sie waren erfolgreich. Zahlreiche ehemalig besetzte Häuser, sowie aus Besetzungsinitiativen entstandene Einrichtungen sind aus Tübingen nicht mehr wegzudenken: Das Jugendzentrum Epplehaus, die Studierendenwohnheime Münzgasse 13 oder Schimpfeck und die Wohnprojekte Schellingstraße 6 und Ludwigstraße 15 sind Beispiele hierfür.