Pöbelnde Demonstranten haben die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Dresden gestört. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Montagmittag trotzdem von einem Tag der Freude und Dankbarkeit und rief zu gegenseitigem Respekt auf. Bundestagspräsident Norbert Lammert warb beim Festakt in der Semperoper für ein weltoffenes, vielfältiges und optimistisches Deutschland. «Wir leben in Verhältnissen, um die uns fast die ganz Welt beneidet», sagte er.
Die Kanzlerin, Bundespräsident Joachim Gauck und andere Gäste wurden vor dem Festakt von mehreren hundert Demonstranten beschimpft und angepöbelt, darunter vor allem Anhänger des Pegida-Bündnisses. Sie riefen «Volksverräter», «Haut ab» und «Merkel muss weg». Auch Trillerpfeifen ertönten. Pegida-Chef Bachmann hatte zu "Raucherpausen" in der Innenstadt aufgerufen. Die Frau des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD) brach in Tränen aus, als sie durch die aufgebrachte Menge ging.
Polizei toleriert Störaktionen
Die
 Polizei tolerierte die Versammlungen und Störaktionen, da "die 
Sicherheitslage nicht gefährdet sei." Zudem sei die Polizei nicht "für 
bunte Bilder verantwortlich", sagte ein Sprecher bei uns im Interview 
(siehe unten). Später äußerte sich die Polizei nochmals detailiert zum 
Neutralitätsgebot. Dabei ging es auch um eine Durchsage beim Start der 
Pegida-Kundgebung. Da die Lautsprecheranlage bei Pegida defekt war, 
verlaß die Polizei die Auflagen und wünschte "einen erfolgreichen Tag". Später teilte die Polizei dazu mit: "Die Äußerung am Ende entspricht nicht unserer Philosophie und wird einer Überprüfung unterzogen."
Bis zu 5000 bei Pegida
Nach
 dem Festakt nahmen 4000 bis 5000 Menschen an einem Pegida-Aufmarsch 
quer durch die Stadt teil, so die Schätzung von Journalisten und der 
Studentengruppe "Durchgezählt". Zu Zusammenstößen mit Gegendemonstranten
 kam es dabei nicht. Mehrere Gegendemonstranten wurden am Pirnaischen 
Platz von Polizisten umringt und eingekesselt. 2600 Polizisten sind zum 
Tag der Einheit in Dresden angerückt, darunter Beamte aus 13 
Bundesländern, sowie Spezialkräfte. Auch Dächern in der Altstadt wurden 
Scharfschützen postiert.
Demonstrationen am Blauen Wunder
Am
 Blauen Wunder versammelten sich am Montagnachmittag etwa 300 Menschen 
bei der Festung Europa-Kundgebung von Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana 
Festerling. Dabei trat auch der Sänger der Hooligan-Band "Kategorie C" 
auf. Auch die Schweriner AfD-Politikerin Petra Federau sprach bei der 
Demonstration. Im Vorfeld wurde ein Mann von der Polizei festgesetzt, da
 er einen Teleskopschlagstock bei sich trug. Bei der Gegenveranstaltung 
unter dem Motto "BuntesWunder" auf Loschwitzer Elbseite versammelten 
sich mehrere hundert Menschen, sie entrollten am Blauen Wunder ein 
großes Banner. Die Polizei trennte beide Seiten auf der Brücken Mitte.   
Merkel ruft zu gegenseitigem Respekt auf
 Merkel ging in einer kurzen Stellungnahme am Rande des Festaktes nicht 
direkt auf die Störer ein, rief aber zur Dialogbereitschaft auf. 26 
Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es neue Probleme, sagte sie. «Und 
ich persönlich wünsche mir, dass wir diese Probleme gemeinsam, in 
gegenseitigem Respekt, in der Akzeptanz sehr unterschiedlicher 
politischer Meinungen lösen und dass wir auch gute Lösungen finden.»
Nach
 einem ökumenischen Gottesdienst in der Dresdner Frauenkirche fand die 
zentrale Feier in der Semperoper statt. Die Festrede hielt 
Bundestagspräsident Lammert, der von den Deutschen vor allem mehr 
Selbstbewusstsein, Optimismus und Zufriedenheit mit dem Erreichten 
verlangte. «Das Paradies auf Erden ist hier nicht. Aber viele Menschen, 
die es verzweifelt suchen, vermuten es nirgendwo häufiger als in 
Deutschland», sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die hunderttausenden
 Flüchtlinge im Land.
Lammert monierte, dass die Deutschen das 
Bild ihres eigenen Landes viel zu negativ zeichneten. «Wir können und 
dürfen durchaus etwas mehr Selbstbewusstsein und Optimismus zeigen», 
sagte er. Deutschland könne sich «durchaus eine kleine Dosis 
Zufriedenheit» erlauben, wenn nicht sogar ein Glücksgefühl. Das heutige 
Deutschland sei sicher nicht perfekt, aber in besserer Verfassung als je
 zuvor.
Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) 
warnte in seiner Rede vor den Gefahren des Populismus. «Beschämt erleben
 wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und Gewalt», sagte der 
Bundesratspräsident. «Das ist menschenverachtend und zutiefst 
unpatriotisch. Dem stellen wir uns alle entgegen.»
Merkel trifft Imam aus Dresden-Cotta nach Sprengsatz-Anschlag
Bereits
 am Sonntag sorgten ein Brandanschlag auf drei Polizeifahrzeuge sowie 
Pöbeleien gegen Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) für Aufregung. Vor 
einer Woche hatten Unbekannte Sprengstoffanschläge auf eine Moschee und 
das Kongresszentrum verübt, wo am Montagnachmittag der Empfang des 
Bundespräsidenten stattfand. Merkel traf am Montagmittag am Rande der 
Feierlichkeiten die Familie des Imams der Moschee auf der Hühndorfer 
Straße.
