Ein ehemaliger Beamter des Landespolizeipräsidiums hat den hessischen Verfassungsschutz scharf kritisiert. Die Ermittlungen nach dem Mord am Kasseler Internetcafébetreiber Halit Yozgat seien behindert worden.
Der Ex-Polizist sagte im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags, der hessische Verfassungsschutz habe die Ermittlungen nach dem Mord an Yozgat im Jahr 2006 behindert. Hätte man die Quellen des verdächtigen Verfassungsschützers Andreas Temme direkt befragen können, wären die Ermittlungen schneller gewesen, erklärte der pensionierte Polizeibeamte Karlheinz Schaffer am Freitag in Wiesbaden. Der 62-Jährige arbeitete 2006 als Referent im Landespolizeipräsidium.
Die Vernehmung der Temme-Quellen wurde vom Landesamt für Verfassungsschutz aber blockiert. Das Verhältnis zum hessischen Verfassungsschutz sei damals gespannt gewesen. Schaffer sprach im Ausschuss sogar von "Gurkentruppe". Nach seiner Einschätzung sei bei den Ermittlungen gegen Temme von Seiten des Landesamtes "gemauert" und "geschwiegen" worden.
"Polizei und Medien als Feinde bezeichnet"
Ihm sei zu Ohren gekommen, dass der damalige Verfassungsschutzpräsident Lutz Irrgang die "Polizei und die Medien" als Feinde bezeichnet habe. "In dieser Reihenfolge", sagte Schaffer.
Die Polizei habe nach dem Mord an Yozgat mögliche weitere Taten befürchtet, auch in Hessen. Umso wichtiger wäre es gewesen, die V-Leute qualifiziert zu befragen, sagte der Zeuge. Dabei hätten die Ermittler selbstverständlich dafür gesorgt, dass die Quellen geschützt und nicht enttarnt werden.
"Ich habe selbst sieben Jahre V-Personen der Polizei geführt", betonte Schaffer. Das Angebot des Landesamtes, dass Verfassungsschützer die V-Leute im Beisein von als Praktikanten getarnten Polizisten befragen, sei zurecht abgelehnt worden. Das wäre vor Gericht nicht verwertbar gewesen.
Ausschuss untersucht Ermittlungen
Der Landtagsausschuss untersucht, ob bei den Ermittlungen nach der Ermordung des deutsch-türkischen Internetcafé-Besitzers Yozgat in hessischen Behörden Fehler gemacht wurden. Für die Tat wird der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) verantwortlich gemacht.
Zur Tatzeit oder kurz davor war der damalige Verfassungsschützer Temme in dem Kasseler Café. Er geriet vorübergehend unter Verdacht. Daher wollten die Ermittler der Mordkommission die von ihm betreuten V-Leute direkt befragen. Mit Verweis auf den Staatsschutz wurde dies vom damaligen Innenminister und heutigem Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) abgelehnt.
Der Ausdruck "Gurkentruppe" des früheren Polizisten für den Verfassungsschutz bei seiner Aussage vor dem Ausschuss am Freitag erinnert an eine Bewertung der Linken-Landtagsabgeordneten Janine Wissler. Sie hatte den Verfassungsschutz im Juli in einer Landtagsrede als "Nulpenverein" bezeichnet und war dafür gerügt worden.
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Ex-Polizeipräsident abgetaucht
Währenddessen hat der NSU-Ausschuss auch ganz logistische Probleme. Man versuche derzeit, den früheren Landespolizeipräsidenten Norbert Nedela als Zeugen zu laden, sagte CDU-Obmann Holger Bellino am Freitag. Das gestalte sich schwierig, weil dieser gerade auf einer Weltreise sei. Nedela war nach 40 Jahren im Polizeidienst im November 2010 vom damaligen Innenminister Boris Rhein (CDU) entlassen worden. Als Grund wurden Differenzen in Fragen der Polizeiführung genannt.