In der Flüchtlingsdebatte sind sich Union und SPD schon länger einig: Die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien sind als sichere Herkunftsländer einzustufen. Die Entscheidung darüber im Bundesrat ist vor der Sommerpause verschoben worden. Präsident der Länderkammer ist im Moment Sachsens Ministerpräsident Tillich. Er war jetzt in Marokko, um über die Flüchtlingsproblematik zu reden. Kurz vor Ende seiner Reise hat er mit uns gesprochen.
Der Ratskammerpräsident des marokkanischen Parlaments hatte Stanislav Tillich eingeladen. Der sächsische Ministerpräsident und Bundesratspräsident war dieser Einladung gefolgt, um vor Ort über die gestiegene Zuwanderung aus den nordafrikanischen Staaten zu sprechen.
In Marokko habe man sich sehr kooperationsbereit gezeigt, sagte Tillich MDR AKTUELL kurz vor seiner Rückreise:
Alle marokkanischen Behörden, die ich gesprochen habe, sind bereit, vollumfänglich zu kooperieren.
Stanislav Tillich, sächsischer Ministerpräsident
Für die Behörden sei es "auch eine Frage der Ehre", illegal nach Deutschland eingereiste Menschen wieder nach Marokko zu holen. "Das ist hier immer wieder betont worden", sagt Tillich.
Auch Deutschland muss "liefern"
Zurzeit werden in Deutschland nur 0,2 Prozent der Asylbewerber aus Marokko anerkannt. Aber die Abschiebung ist schwierig. Beispiel Sachsen: In diesem Jahr wurden im Freistaat 525 Marokkaner zur Ausreise aufgefordert. Nur 54 sind tatsächlich abgeschoben worden.
Deshalb fordert Tillich eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko. Ein wichtiger Punkt seien digitale Fingerabdrücke, die in Marokko schon selbstverständlich sind.
Wir brauchen den digitalen Austausch von Fingerabdrücken, der hier in Marokko selbstverständlich ist. Bislang sind diese in Deutschland in der Mehrzahl in Papierform erfasst worden. Hier müssen wir liefern.
Stanislav Tillich
Gleichzeitig müsse Deutschland mit Marokko vereinbaren, dass provisorische Pässe, die beispielsweise durch Botschaften oder durch deutsche Ausländerbehörden für Personen ohne gültige Reisepapiere ausgestellt werden, von Marokko länger anerkannt werden. Demnächst gibt es weitere offizielle Gespräche und eine extra Arbeitsgruppe.
Marokko begrüßt Einstufung als "sicher"
Als Voraussetzung für eine bessere Kooperation mit Marokko nannte Tillich auch am Ende dieser Reise noch einmal die Anerkennung des Landes als sicheres Herkunftsland. Der Bundesrat müsse das umsetzen, auch um die Bemühungen des Landes um Reformen und Demokratisierung zu respektieren.
Tillich sagt: "Alle marokkanischen Gesprächspartner haben mir beteuert, dass sie es auch als gewisse Wertschätzung ansehen, dass wir sie als sicheres Herkunftsland betrachten. Aber gleichzeitig sehen sie es auch als Voraussetzung, gerade auch für diejenigen, die auf Facebook, Twitter oder YouTube unterwegs sind, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu gehen, weil die Chance auf Anerkennung gleich Null ist."
Marokko sage von sich aus, es sei ein Land, wo Menschenrechte gewährleistet seien. Davon sind im deutschen Bundesrat längst nicht alle überzeugt. Die Linken werden auf jeden Fall dagegen stimmen, auch viele Grüne lehnen eine pauschale Einstufung Marokkos als sicheres Herkunftsland ab.