Spannung lag in der Luft, der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Etwa 200 Zuhörer waren am Dienstag in die Katholische Akademie in Dresden gekommen. Unter dem Thema "Angst ums Abendland" trafen der Vizechef der AfD, Alexander Gauland, und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, aufeinander. Die Kontrahenten schenkten sich nichts, blieben aber bei einer argumentativ-sachlichen Auseinandersetzung.
Während Gauland und Sternberg zum Auftakt des Streitgesprächs ihr Entsetzen über die offensichtlich fremdenfeindlichen Sprengstoffanschläge in Dresden zum Ausdruck brachten, zeigten sie für den Rest des Abends wenig Übereinstimmung. Vor allem in der Frage, welche Auswirkungen das Leben von Muslimen in Deutschland auf den Alltag der Deutschen haben könnte, bestanden völlig gegensätzliche Auffassungen.
Angst vor Veränderung
AfD-Vizechef Gauland betonte vor allem, dass er Angst davor habe, dass eine Million muslimischer Einwanderer Deutschland "völlig verändern" könnten. Gauland sagte, Einwanderung könne "der Beginn einer völligen Veränderung sein, die nicht allein mit Humanität abgewendet werden kann". Sternberg dementierte: "Der christliche Geist verbietet Abgrenzungsstrategien." Besonders die Akzeptanz des Scharia-Rechtssystems sei ein Haupthindernis für die Integration, sagte Gauland. Er nannte das islamische Rechtssystem eine "unerträgliche Kultur" und sagte, dass der Islam nicht zum christlichen Abendland passe.
Thomas Sternberg konterte mit der Feststellung, dass die AfD einen "Staatsnotstand herbeiredet". Er könne nicht feststellen, dass in Deutschland etwas zusammenbreche. Im Gegenteil, er finde, dass es "erstaunlich gut läuft". Es gebe viele Strömungen im Islam, die sich sehr voneinander unterscheiden. Außerdem stellte Sternberg fest, dass unter den Flüchtlingen, längst nicht alle religiös fest verankert seien. Die Behauptung einer "Übernahme" entspringe Fantasien und Ängsten.
Sternberg wirft AfD "verbales Zündeln" vor
Während Sternberg seinen Stolz über die Flüchtlingshelfer zum Ausdruck brachte, erklärte Gauland, dass er zwar den Flüchtlingshelfern durchaus Anerkennung zolle. Dennoch gebe es eine Entwicklung, "die ich für schädlich für Volk und Staat halte". Gauland erneuerte außerdem seine Kritik an der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er für völlig falsch halte. Er habe nichts gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, aber er habe etwas dagegen, "wenn es unter dem totalen Kontrallverlust eines schwachen Staates und einer unfähigen Kanzlerin geschieht".
Auch bei der Frage nach der Rolle Deutschlands in Europa gingen die Meinungen zwischen Gauland und Sternberg weit auseinander. Während Gauland die Bedeutung der Leitkultur in den Grenzen des Nationalstaates betonte, entgegnete Sternberg, dass es unmöglich sei Veränderungen in der Gesellschaft aufzuhalten. Deutschland sei "extrem angewiesen" auf offene Grenzen und den Export. Zudem kritisierte Sternberg scharf die Verrohung der Sprache und führte das auf ein permanentes "verbales Zündeln" der AfD zurück. Sternberg sagte, es gebe "Begriffe, die verbieten sich, weil sie die Gesellschaft vergiften" - wie etwa "völkisch" aus der NS-Zeit. Da beginne ein Prozess, "der in Deutschland schon mal zu schlimmsten Ergebnissen geführt hat".
Die Akteure
Thomas Sternberg, Theologe und Germanist, ist Präsident des
Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Landtagsabgeordneter
der CDU in Nordrhein-Westfalen.
Alexander Gauland, Jurist, ist
Mitglied im Bundesvorstand der Alternative für Deutschland und
Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Landtag von Brandenburg.
Moderator Joachim Frank ist Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe.