Wie nah war und ist der Verfassungsschutz an Rechtsextremisten dran? Auch um diese Frage geht es bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen. Offenkundig sickerten mancherorts Informationen nur spärlich durch - Beispiel Zwickau.
Zwickaus Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) ist nach eigener Darstellung nie vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz über die rechtsextreme Szene in der Stadt informiert worden. Alle Kenntnisse über Gruppierungen wie dem «Freien Netz Zwickau» habe sie aus Medien und Recherchen ihres eigenen Pressebüros gewonnen, sagte Findeiß am Montag im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages in Dresden. «Ich hatte noch nie Kontakte zum Landesamt für Verfassungsschutz.»
Sie selbst habe sich aber auch nicht die Behörde gewandt, um Kenntnis zu erlangen. Zwickau war der letzte Unterschlupf des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU). Findeiß zufolge hat der NSU dem Image der Stadt geschadet: «Die Bezeichnung "Zwickauer Terrorzelle" hat uns sehr gestört.» Man habe das Bundeskanzleramt gebeten, darauf hinzuwirken, dass dieser Begriff nicht mehr verwendet wird.
Zwickau im Zentrum der Aufmerksamkeit
Zwickau war international in die Schlagzeilen geraten, nachdem der NSU - bestehend aus Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe - Anfang November 2011 aufgeflogen war. Das Trio wird für zehn Morde, vorwiegend aus rassistischen Gründen, verantwortlich gemacht. Mundlos und Böhnhardt begingen Selbstmord. Zschäpe steht als einzige Überlebende des NSU derzeit in München vor Gericht.
Nach dem Auffliegen des Trios hatte Zschäpe laut Anklage die Zwickauer Fluchtwohnung angezündet und zerstört, um Spuren zu verwischen. Der Untersuchungsausschuss des Landtages soll mögliche Versäumnisse der sächsischen Regierung und von Behörden im Umgang mit dem NSU näher unter die Lupe nehmen.
Eine Stadt sollte wegen der begangenen Verbrechen nicht stigmatisiert werden, sagte Findeiß. «Das ist ein Thema, dem wir uns in Deutschland insgesamt annehmen müssen». Zwickau habe ein Problem mit rechtsextremen Erscheinungen wie jede Stadt in Deutschland: «Wir haben unsere Probleme so wie andere auch.»
Demokratische Kräfte zusammenstehen
Die Aufklärung der NSU-Verbrechen habe bei manchen Menschen nicht zu einer Veränderung ihrer Ideologie geführt. Wichtig sei, dass die demokratischen Kräfte in einer Stadt und eines Landes zusammenstehen und zeigen, dass Demokratie die beste Staatsform sei. Da gebe es noch viel zu tun - auch in Zwickau, unterstrich Findeiß.
Auf die Frage, ob Zwickau in der Frühlingsstraße 26 - dem Unterschlupf des NSU - eine Gedenkstätte für dessen Opfer geplant habe, antwortete die Oberbürgermeisterin, man habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der sächsischen Regierung vorgeschlagen, in Zwickau ein Dokumentationszentrum zum NSU zu errichten. Das sei abgelehnt worden. Es werde aber noch über eine mögliche Erweiterung der bestehenden Gedenkstätte für Opfer des NS-Regimes diskutiert.
Findeiß zufolge hatte der damalige Zwickauer Polizeichef empfohlen, das Haus in der Frühlingsstraße abzureißen, damit der Ort nicht zu einer Kultstätte der Rechtsextremen wird. Die Stadt habe später das zerstörte Haus für 200.000 Euro von einem Privaten gekauft und hauptsächlich mit Fördermitteln des Landes für weitere 65.000 Euro abreißen lassen.