Tödliche Skinheadattacke auf Soldaten war keine rechte Gewalt

Erstveröffentlicht: 
17.09.2016

Göttingen. Die tödliche Gewaltattacke zweier rechtsextremer Skinheads auf den 21-jährigen Wehrpflichtigen Alexander Selchow vor 25 Jahren in Rosdorf (Kreis Göttingen) wird in der Polizeistatistik nicht als „Todesfall rechter Gewalt“ geführt.

 

Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort des niedersächsischen Innenministeriums auf eine mündliche Anfrage der Grünen im Landtag hervor.

 

Das Opfer Alexander Selchow war in der Neujahrsnacht 1990/1991 in Rosdorf von einem Ziehsohn des niedersächsischen Landesvorsitzenden der rechtsextremen FAP, Karl Polacek, mit fünf Messerstichen so schwer verletzt worden, dass er wenig später daran starb.

 

Der Täter, der 18-jährige Skinhead Oliver S., war bereits vorher an zahlreichen Angriffen und Überfällen auf politisch Andersdenkende und Ausländer beteiligt gewesen. Er wurde damals wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Jugendstrafe verurteilt, der mitangeklagte 18-Jährige Swen S. erhielt wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung vier Wochen Arrest.

 

Beide Angeklagte waren nach Überzeugung des Gerichts in der Silvesternacht losgezogen, um „Linke zu misshandeln“ und „plattzumachen“. Dabei stießen sie auf Alexander Selchow, mit dem sie vorher bereits verbal aneinandergeraten waren. Dieser hatte sie als „Nazi-Schweine“ beschimpft, weil von dem Balkon der Wohnung, in der die Skinheads Silvester feierten, dauernd Knaller vor die Wohnung seiner Großmutter geworfen wurden.

 

Die Grünen hatten sich nun danach erkundigt, was aus der von der Innenministerkonferenz beschlossenen Überprüfung von „Altfällen“ geworden ist. Nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sollte die Polizei prüfen, ob möglicherweise auch bei anderen Taten aus den Jahren 1990 bis 2011 ein rechtsextremer Hintergrund übersehen worden ist.

 

Bei der Nachfrage ging es noch um einen zweiten Fall, der sich am 8. Mai 1991 bei Gifhorn ereignet hatte: Skinheads hatten den 23-jährigen Punk Matthias Knabe angegriffen und auf eine Bundesstraße gehetzt. Dort wurde er von einem Auto angefahren und tödlich verletzt.

 

Nach Angaben des Innenministeriums erfüllen beide Straftaten nicht die Kriterien für eine Aufnahme in die Statistik der „Politisch motivierten Kriminalität (PMK) – rechts“. Es müssten aufgrund der Umstände und der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tat „aufgrund bestimmter Indikatoren wie ihrer Herkunft, Nationalität, Volkszugehörigkeit, ethnokulturellen Zugehörigkeit, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung gegen Personen gerichtet“ sei.