Kein Grund zum Feiern

Erstveröffentlicht: 
23.09.2016
CDU und Verfassungsschutz sehen in Gegnern der Einheitsfeier eine Gefahr

 

Ein Dresdner Solidaritäts-Bündnis mobilisiert gegen die Einheitsfeier in Dresden. Die Leipziger CDU und der Chef des Verfassungsschutzes sehen darin »linksextreme Gewalt«.

 

In Leipzig wird sich mal wieder gestritten. Ursprung des Ganzen sind die am 3. Oktober geplanten Einheitsfeierlichkeiten in Dresden. In der ganzen Stadt ist unter dem Motto  »Brücken verbinden« ein umfangreiches Programm für ein »weltoffenes, bürgernahes und buntes Deutschlandfest« geplant. Doch Deutschland feiern tun eben nicht alle. Das aus verschiedenen linksradikalen Gruppen bestehende Dresdner Bündnis »Solidarity without limits« ruft daher zum Gegenprotest auf, Gruppen aus ganz Deutschland mobilisieren nach Dresden.

 

Aus Leipzig wird der Protest von der Gruppe »the future is unwritten«, die Teil des kommunistischen Bündnisses »Ums Ganze« ist, organisiert. Die Info-Veranstaltung dazu soll im soziokulturellen Zentrum Conne Island stattfinden. Im Ankündigungstext heißt es: »Die Brücken, die hier gebaut werden, verbinden völkische, rassistische und nationalistische Kräfte zu einem Konsens von Abschottung, Armut und Ausgrenzung. Also: Let’s crash their party!«

 

Warum die deutschen Einheitsfeiern schon seit jeher kritisch zu betrachten sind, war schon vergangenes Jahr im kreuzer zu lesen. Durch den diesjährigen Standort Dresden erhält die Feier jedoch eine noch größere Problematik. Zum einen ist Dresden, das Umland und Sachsen generell seit Monaten Dreh- und Angelpunkt rassistischer Proteste und Übergriffe, die nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in ihrer Art und Weise eine beängstigende Form angenommen haben. Nicht umsonst gibt Sachsen im bundesweiten Diskurs kein besonders gutes Bild ab, denn der Freistaat hat ein klares Nazi-Problem. Zum anderen demonstriert mit Pegida an eben diesem 3. Oktober die Bewegung, die dem florierenden Rassismus einen idealen Nährboden bereitet und einen erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen sowie politischen Rechtsruck geleistet hat. Es sollen auch weitere Demos angekündigt worden seien, so dass es am dem Tag der Deutschen Einheit zu extrem rechten Veranstaltungen kommen könnte.

 

Auch im Jahresbericht zur deutschen Einheit der Bundesregierung wird dieses Bild gezeichnet. Dieser dokumentiert einen eklatanten Unterschied rechter und rassistischer Übergriffe in den neuen Bundesländern im Vergleich zu Westdeutschland. Fünf Mal häufiger wurden hier solche Straftaten dokumentiert. Iris Gleicke, Ostbeauftragte der Bundesregierung, sagte, der »Rechtsextremismus in all seinen Spielarten« stelle eine »sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder« dar. Im Bericht wird von »besorgniserregenden Entwicklungen« gesprochen.

 

Angesichts der Kritik an den Einheitsdiskursen einerseits und dem Rassismus-Problem in Sachsen andererseits überrascht es daher kaum, dass Linke gegen die Veranstaltung protestieren wollen. Doch für CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski ist das eine Provokation. In der Bild-Zeitung erzürnt er sich über die Proteste und darüber, dass die Infoveranstaltung im kommunal geförderten soziokulturellen Zentrum Conne Island stattfinden soll. Für ihn ein klares Indiz, dass sich hier »Linksextremisten organisieren« und zur Gewalt aufrufen. Als Konsequenz fordert er die Streichung jeglicher Fördergelder. Mit Wirkung. Einen Tag später verkündet das Kulturamt, es will »umgehend das Gespräch« suchen.

 

Das Conne Island reagiert prompt mit einer Stellungnahme. In dieser erklären die Macher, warum sie es angesichts der rechtsmotivierten Angriffe, des Wahlerfolges der AfD und den Ereignissen in Bautzen »nur zu verständlich« finden, dass es »Menschen gibt, die den 3. Oktober nicht feiern wollen« und dazu aufrufen, die Einheitsfeiern in Dresden in Form eines angemeldeten Protests »kritisch zu begleiten«. Weiter heißt es, dass sie die »kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zuständen« unterstützen. Den Diskurs um die Mobilisierung, wie er derzeit in Leipzig geführt wird, kritisieren sie scharf. Denn »dass demokratische Prozesse und politische Meinungsbildung durch Populismus, wie ihn die Bild-Zeitung und Herr Maciejewski betreiben, delegitimiert werden«, sei problematisch. Schon zuvor gab es verbale Angriffe auf das soziokulturelle Zentrum seitens der CDU. Die Abgeordnete Bettina Kudla sagte schon Anfang des Monats in Bezug auf das Conne Island, es dürfe »keine Subventionierung der linken Szene« geben.

 

Wer das Conne Island kennt, weiß, wie viel Demokratie fördernde Arbeit hier geleistet wird, von Workshops über Diskussionsveranstaltungen bis hin zu kulturellen Angeboten. Bereits mehrfach wurde der dahinter stehende Projekt Verein e.V. für sein Engagement gegen Rechts geehrt oder sogar für den sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert. Doch auch wenn die Veranstaltungen, die dort stattfinden, nicht in einer Linie mit den politischen Forderungen der CDU stehen, zu einer pluralistischen Demokratie gehört eben auch, andere Meinungen neben sich zu ertragen. Einem soziokulturellen Zentrum jedoch die Gelder zu streichen, ist nicht besonders demokratieförderlich.

 

Der Diskurs verschärft sich weiter, als die Bild-Zeitung am Donnerstag ein Interview mit dem Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, veröffentlicht. Hier argumentiert er, die »größte Gefahr« gehe »von Autonomen« aus. Deren Straftaten würden aber »im Unterschied zum Rechtsextremismus« von der Öffentlichkeit jedoch oft ausgeblendet. Basierend auf extremismustheoretischen Argumenten wird die größte Gefahr also auch beim Verfassungsschutz von Links gesehen.

 

Die mobilisierende Gruppe »the future is unwritten« kritisiert die aufflammenden Diskurse ebenfalls. Den Vorwurf, sie riefen zur Gewalt auf, sehen sie der Uninformiertheit der Kritiker geschuldet, »ganz so als ließe entschlossener Protest gegen deutsche Selbstbeweihräucherung kein anderes Mittel außer das der ›Gewalt‹ zu.«

 

Die ganze Geschichte könnte in einer Chronik über Leipziger Debatten stehen. Linke planen eine Demo, die CDU wettert dagegen, die Boulevardpresse schreit: »Achtung, extremistische Gewalt!«. Das alles ist nicht neu. Tatsächlich gerät so aber erneut aus dem Blick, worum es eigentlich geht: den 3. Oktober. Eine kritische Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen und eine Debatte darüber, warum diese nicht für jeden ein Grund zum Feiern sind, würde der Stadt jedenfalls besser tun, als die nächste aufgeheizte Gewaltdebatte.