Sind die Ostdeutschen fremdenfeindlicher als die Menschen im Westen? Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Stanislaw Tillich und Dietmar Woidke, verteidigen ihre Landsleute gegen diesen Vorwurf. Linken-Chefin Katja Kipping sieht die Schuld dagegen im „jahrelangen Behördenversagen“.
Berlin. „Die überwältigende Zahl der Menschen ist im Osten genauso wie im Westen weltoffen, tolerant und demokratisch“, sagte Tillich dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, zu dem diese Zeitung gehört. Dass es besonders heftige Debatten und eine starke Verunsicherung gebe, „hängt aber auch mit den Transformationserfahrungen der Menschen zusammen, zu denen über Jahre Arbeitslosigkeit, eine geringere Absicherung und immer wieder Veränderungen gehörten“.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem RND zur Bilanz im Einheitsbericht der Bundesregierung: „Alle Rechtsextremen, die schwarz-rot-goldene Fahnen schwingen verunglimpfen unsere gesellschaftlichen Werte. Eine einseitige Fokussierung auf die Zunahme von rechtsextremen Übergriffen in Ostdeutschland wird der Situation aber nicht gerecht.“
Kipping: Ostdeutsche sind „dramatisch“ benachteiligt
Die Linkspartei macht dagegen „jahrelanges Behördenversagen im Kampf gegen rechts“ für die alarmierende Bilanz im Regierungsbericht zum Stand der Deutschen Einheit verantwortlich. „Es sind die Folgen des Leugnens, Wegschauens, der finanziellen Unterstützung durch V-Leute und der Repression gegen Linke und Antifaschisten“, sagte Partei-Vorsitzende Katja Kipping. Sie verwies dabei auf den NSU-Skandal und auf die Ausschreitungen von Hoyerswerda bis Heidenau. „Rassismus und Rechtsextremismus haben keine feste Adresse, aber sehr wohl Ursachen.“
Zur wirtschaftlichen Bilanz meinte Kipping, auch 26 Jahre nach der Deutschen Einheit sei „die dramatische Benachteiligung“ für die Menschen in Ostdeutschland immer noch Alltag. „Die Wirtschaftsleistung des Ostens ist immer noch um mehr als ein Viertel geringer als im Westen und auch die Löhne und Renten liegen deutlich unter Westniveau.“
Die Bundesregierung hatte am Mittwoch ihren Jahresbericht zur Deutschen Einheit vorgelegt. „Der Rechtsextremismus in all seinen Spielarten stellt eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar“, sagte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke. Im Ausland werde sie überall auf diese Entwicklung angesprochen. Im Tourismus – etwa in Sachsen – gebe es teils deutliche Rückgänge, sagte die SPD-Politikerin bei der Vorstellung des Jahresberichts zum Stand der deutschen Einheit.