Sachsens Innenminister Markus Ulbig besteht weiterhin auf der Abschiebung einer irakischen Familie, die sich im ostsächsischen Herrnhut im Kirchenasyl befindet. Die 17 Christen waren zu Beginn dieses Jahres in einem Pilotprojekt von der tschechischen Regierung aus dem Nordirak ausgeflogen worden. Weil sie sich in Tschechien nicht willkommen fühlten, reisten sie nach Sachsen, um hier Asyl zu beantragen. Dies wurde ihnen mit Verweis auf die Zuständigkeit der tschechischen Behörden versagt und die Abschiebung angeordnet. Sie flüchteten ins Kirchenasyl.
Innenminister Ulbig erklärte, Menschen aus Kriegsgebieten müsse "es egal sein, ob jemand auf tschechischer oder auf deutscher Seite anlandet". Es gehe um den Schutz an sich. "Und der wird ihm auf tschechischer Seite genauso gewährt wie auf deutscher." Es gebe in Europa in diesem Punkt kein "Wahlrecht". Das "Schlupfloch" Kirchenasyl müsse bei einer Überarbeitung der europäischen Dublin-Verordnung geschlossen werden.
Asyl bei Brüdergemeinde
Anders sieht das die Brüdergemeine Herrnhut. Sie gewährt den 17 Irakern seit Juli Kirchenasyl und will so ihre Abschiebung nach Tschechien verhindern. Man fürchte, dass die neun Erwachsenen und acht Kinder bei einer Rückführung nach Tschechien letztlich doch wieder im Irak landeten. Aus Tschechien sei der Familie signalisiert worden, sie wegen "vermeintlicher Undankbarkeit" zurück in ihre Heimat abschieben zu wollen, teilte die Brüdergemeine im Juli mit.
Dass den Irakern in Tschechien Ungemach droht, meint auch Jan Talafant, der mit seiner Organisation "Generation 21" Anfang des Jahres insgesamt 153 christliche Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Tschechien geholt hat. "Falls sie zurückkehren sollten, dann würde sich die öffentliche Meinung in Tschechien konkret gegen diese Familie stellen", sagte Talafant.
Medienbericht sorgt für Aufschrei
Den Christen sollte in Jihlava (Iglau) ein Neuanfang ermöglicht werden. Doch nach der Ankunft der Iraker kippte die Stimmung in der 50.000 Einwohner großen Stadt. Talafant macht dafür die Reportage eines privaten Fernsehsenders mitverantwortlich. Darin schien sich das Familienoberhaupt der irakischen Großfamilie über die bereitgestellte Wohnung zu beschweren. Der Aufschrei war groß. Es stellte sich aber heraus, dass die Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen wurde.
"Es ist hier meiner Meinung nach zur Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Medien gekommen - und das hat eine unangenehme Atmosphäre für die Flüchtlinge geschaffen", beklagt sich Talafant. Bei der Medienaufsicht in Prag seien danach zahlreiche Programm-Beschwerden von Politikern und Aktivisten gegen den Bericht eingegangen. Eine Entscheidung sei bis heute nicht gefallen.
Hintergrund Kirchenasyl
Kirchenasyl ist die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne
legalen Aufenthaltsstatus. Dies geschieht vor allem dann, wenn nach
Einschätzung der Kirchgemeinden durch die Abschiebung eine Gefahr für
Leib und Leben der Flüchtlinge oder nicht hinnehmbare soziale oder
inhumane Härten drohen.
Während des Kirchenasyls werden alle in
Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären
Gesichtspunkte geprüft. Es soll nachgewiesen werden, dass Entscheidungen
von Behörden überprüfungsbedürftig sind und ein neues Asylverfahren
erfolgversprechend ist. In allen Fällen werden die Behörden und Gerichte
über den Aufenthalt unterrichtet.
Nach Angabe der ökumenischen
Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" gab es in Sachsen im gesamten
Jahr 2015 sechs Fälle von Kirchenasyl, bei denen acht Personen
aufgenommen wurden. Aktuell gewährt die Katholische Kirche in Sachsen in
zwei Fällen Kirchenasyl, die Evangelische Landeskirche in vier Fällen.
Rechtlich gibt es auch in den Räumlichkeiten der Kirchen keinen Schutz
vor dem Zugriff der Behörden.