Der Landtagsuntersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie wird den amtierenden und den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Maaßen und Fromm, erst Anfang kommenden Jahres befragen. Das ergibt sich aus dem bisherigen Fahrplan für Zeugenvernehmungen. Offen ist allerdings die Frage wo? Die Suche nach einem geeigneten Raum für eine geheime Befragung gestaltet sich schwierig.
von Uta Deckow
Die 18 Mitglieder des sächsischen NSU-Untersuchungsausschusses tagen für gewöhnlich in einem großen Beratungsraum im Landtag. Für öffentliche und selbst geheime Sitzungen war das bislang kein Problem. Geht es aber um Aussagen zu geheimen Verschlusssachen, wie bei der Vernehmung von Maaßen und Fromm zu erwarten, dann bedarf es eines zumindest abhörgeschützten Raumes. Bei der Suche danach gab es viele böse Überraschungen.
800.000 Euro für einen Raum?
Der als abhörsicher geltende Raum im Sächsischen Landtag ist für eine Beratung mit 30 Personen, wie sie dann zu erwarten wäre, zu klein. Diese Erkenntnis hatten Landtagsverwaltung und die Obleute des Ausschusses schon in der vergangenen Legislaturperiode. Geprüft wurde also der Bau eines neuen abhörgeschützten Raumes in der Tiefgarage des Landtages: Die zunächst vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien und Baumanagement veranschlagten Kosten in Höhe von 300.000 Euro schienen realisierbar, das Präsidium des Landtages favorisierte den Bau. "Dann aber, als es konkreter wurde, explodierten die Kosten - die Schätzung der SIB lag plötzlich bei etwa 800.000 Euro. Das war nicht vertretbar für den Bau eines einzigen Raumes", sagt der Sprecher des Landtages Ivo Klatte.
Rohwer: "Es wird langsam eng"
Alternativen wurden gesucht - ein weiterer Raum im Landtag hätte
umgerüstet werden können. Aber auch da schien der finanzielle Aufwand zu
groß, der Raum eigentlich auch zu klein für diesen Zweck. Nun wurde ein
als abhörsicher geltender Besprechungsraum im sächsischen
Innenministerium als Alternative favorisiert. Bei der Begehung habe
sich, auch zur Überraschung der Staatsregierung, herausgestellt, dass
der Raum entgegen der bisherigen Annahme eben nicht abhörsicher sei, so
Klatte.
Ausschussvorsitzender Lars Rohwer sagte MDR SACHSEN: "Es
wird langsam eng, der Ausschuss diskutiert aktuell ja den weiteren
zeitlichen und inhaltlichen Fahrplan. Wir warten jetzt auf die
Ergebnisse der Prüfung eines Raumes im Landesamt für Verfassungsschutz."
Nun also beim Verfassungsschutz
Vor zwei Wochen haben die Experten den Raum beim Sächsischen Verfassungsschutz besichtigt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schreibt konkrete Auflagen vor, unter denen Räume als gesichert gegen illegales Abhören gelten, neben baulichen Schutzmaßnahmen, regelmäßigen Lauschabwehr-Überprüfungen und anderes mehr. Das Protokoll der Besichtigung liege noch nicht vor, so Klatte. Aber man gehe davon aus, dass dieser Raum genutzt werden könne.
Köditz: "Ich bin da nicht begeistert"
Die Vertreter des Verfassungsschutzes durch Landtagsabgeordnete in den Räumen des Verfassungsschutzes vernehmen? "Ich bin da nicht begeistert," sagt die stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende, Kerstin Köditz von den Linken. Im Falle von Maaßen und Fromm werde sie das aber akzeptieren: "Damit wir vorankommen." Im Falle von Mitarbeitern des Sächsischen Verfassungsschutzes könne sie sich das allerdings nicht mehr vorstellen. "Ich frage mich aber, in welchen Räumen in Zeiten der vielbeschworenen Terrorgefahr die sächsische Staatsregierung Besprechungen zu geheimen Verschlusssachen abhält?"
Handlungsbedarf besteht offensichtlich. Laut Klatte sind Landtagsspitze und Staatsregierung im Gespräch darüber, ob nicht die Staatsregierung einen abhörgeschützten Raum für größere Besprechungen schafft, den dann im Bedarfsfall auch der Landtag nutzen könnte.
Warum sollen Maaßen und Fromm aussagen? Der Obmann der CDU-Fraktion, Steve Ittershagen, hatte im April erklärt, den amtierenden Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen sowie dessen Vorgänger Heinz Fromm als Zeugen zu laden. Grund sind Medienberichte, nach denen zwei der drei mutmaßlichen NSU-Terroristen in Firmen eines V-Mannes des Bundesamtes für Verfassungsschutz gearbeitet haben sollen. Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen demnach während ihrer Zeit im Untergrund in Zwickau für den Neonazi Ralf Marschner tätig gewesen sein - der wurde unter dem Decknamen "Primus" als V-Mann geführt. Es geht um Fragen, die auch schon den Bundestags-Untersuchungsausschuss beschäftigen. Beispielsweise: Gab es V-Leute, aber auch V-Mann-Führer, die Informationen zur Raubserie und den Mordanschlägen hatten?