Volksverhetzende Klänge

Erstveröffentlicht: 
09.09.2016

Ein 33-jähriger Allgäuer muss sich seit Donnerstag vor Gericht verantworten. Mit seinem Rechtsrock-Label „Oldschool Records“ produziert und vertreibt er Tonträger und Textilien mit teils eindeutig neonazistischem Inhalt. Im Sortiment: Die CDs von „Ultima Ratio“, der früheren rechtsextremen Band seines Verteidigers.

 

Von Sebastian Lipp

 

Die Anklage wirft dem 33-jährigen Benjamin E. unter anderem vor, als „Oldschool Records“ 88 Produktionen mit volksverhetzendem und Gewalttaten billigendem Charakter im In- und Ausland vertrieben zu haben. Größere Mengen der Tonträger wurden auch an Szene-Händler zum Weiterverkauf abgesetzt. Oft in Verbindung mit der Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie Hitlergruß, dem Hakenkreuz oder Symbolen der SS. Die Polizei ermittelte rund 900 Verkäufe der fragwürdigen CDs, auf denen zum Teil auf die sogenannten „14 Words“, einen bei Rassisten und Neonazis verbreiteten Glaubenssatz des US-amerikanischen Rechtsterroristen David Lane, Bezug genommen wird.

Der Angeklagte äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Stattdessen erklärte am Donnerstag vor dem Amtsgericht Memmingen E.s Verteidiger Alexander Heinig es als zutreffend, dass sein Mandant der Betreiber des Neonazi-Labels im Unterallgäu ist. Er sei aber stets bemüht gewesen, sich vor einer Strafverfolgung zu schützen, indem er etwa verbotene Symbole vor dem Versand überklebte und den Bundesanzeiger nach Indizierungen prüfte, um entsprechendes Material auszulisten. Auch habe er „Rechtsgutachten“ eingeholt. Teile der nun beanstandeten Waren seien nach früheren Durchsuchungen in anderen Verfahren wieder zurückgegeben worden.

 

Verhandlungstermine bis März

Heinigs Ansicht nach sei die Anklage mangelhaft und könne einer genauen Prüfung nicht Stand halten. Zur Begründung führte er ein anderes Verfahren an, das wegen des Vertriebs teilweise gleicher Tonträger geführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz habe hier eine Einstellung verfügt, für seinen Mandanten E. forderte Heinig auch eine direkte Einstellung. Das Memminger Gericht wies dies zurück. Zur Klärung wurden vorerst Verhandlungstermine bis März angesetzt.

Eine Verfahrenseinstellung wegen vermeintlich mangelhafter Anklage hatte Rechtsanwalt Heinig bereits im vergangenen Jahr gefordert, als er zusammen mit seinem Kollegen Steffen Hammer Mitglieder der als kriminelle Vereinigung angeklagten „Autonomen Nationalisten“ (AN) Göppingen verteidigte. Die beiden als Szene-Anwälte geltenden Strafverteidiger kennen eine Zusammenarbeit nicht nur als Juristen. Als Bassist halfAlexander Heinig Anfang der 90er Jahre bei Hammers Band „Noie Werte“ aus. Das berichten Frank Buchmeier und Thomas Kuban in der Online-Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“ (7.2.2013). Weiter heißt es dort:  „Hammer gilt als ein Star der europäischen Rechtsrockszene, Heinig als B-Promi. Auf Videos sieht man ihn in Flecktarnhose mit Bierflasche in der Hand bei einem Grillfest von Rechtsextremen (Kreuzritter für Deutschland) in Waiblingen oder bei einem Neonazikonzert am gleichen Ort. Alexander Heinig steht hinten auf der Bühne und grölt: ‚Nigger, Nigger, out, out . . .’“

 

Tonträger von „Alex & Co.“ zum zehnjährigen Bestehen

Im Jahr 2003 erschien ein Album von Heinigs Band „Ultima Ratio “, das bei „Oldschool Records“ im Unterallgäu erhältlich ist. Das letzte Album von „Ultima Ratio“ stammt aus dem Jahr 2007 und wird ebenso bis heute durch den Angeklagten vertrieben. Der Tonträger von „Alex & Co.“ sei zum zehnjährigen Bestehen von „Ultima Ratio“ erschienen, heißt es in E.s Online-Shop. Die Band „Noie Werte“ wurde 2010 aufgelöst, „Ultima Ratio“ ist nicht aktiv.

Der Angeklagte Benjamin E. ist nicht nur geschäftlich mit der regionalen Neonazi-Szene verwoben. Von der rechten Skinhead-Kameradschaft „Voice of Anger“ selbst veröffentlichte Partyphotos auf ihrer inzwischen abgeschalteten  Homepage zeigen E. 2008 etwa beim Spanferkelgrillen der Gruppe. Das Fahrzeug, mit dem der Angeklagte zu seinem Prozess in Memmingen anreiste, parkte nach dem Erwerb eines neuen Clubhauses durch „Voice of Anger“ dort. Das Kennzeichen des Autos enthält die Zahlenfolge „1488“. In Neonazi-Kreisen steht die Zahlenkombination „14“ für die oben erwähnten „14 Words“ von David Lane: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.“ Die „88“ benutzen Neonazis häufig als Chiffre für „Heil Hitler“. Benjamin E. gilt als Führungsfigur von „Voice of Anger“.