Demonstranten erinnern an die asylfeindlichen Ausschreitungen vom August 2015. Sie provozieren und werden provoziert.
Heidenau. Ein Block zumeist schwarz gekleideter junger Leute zieht am Sonntagnachmittag durch Heidenau. Es ist der Tag, der Heidenau vor einem Jahr in die Medien brachte. Ihn nutzt die Antifa für ihre Demo. Am Tag der Ausschreitungen und Krawalle vor dem zur Erstaufnahmeeinrichtung umfunktionierten ehemaligen Praktiker-Baumarkt ruft sie auf den Heidenauer Straßen Sprüche wie „Heidenau Scheiße“. Es gibt immer wieder rechte Provokationen. Der erste Pöbler geht schon zu Beginn der Demo am Nord-Bahnhof auf den schwarzen Block zu. Die Polizei drängt ihn schnell ab. So wie es die nächsten rund drei Stunden sein wird. Dank des konsequenten Auftretens der Polizei bleibt es ruhig. Das ist wohl die wichtigste Nachricht des Tages.
Etwa 150 Teilnehmer sind dem Aufruf der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel gefolgt und demonstrieren gegen Rassismus. Die meisten sind kurz vor Beginn mit dem Zug gekommen, viele aus Leipzig. Sie tragen Transparente mit Aufschriften wie „Das Schweigen in der sächsischen Provinz brechen“, „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ und „Niemand ist vergessen, nichts wird vergeben“. Ein roter Opel Astra mit Ostholsteiner Kennzeichen trägt die Lautsprecherboxen. In den Reden vorm Rathaus und am Praktiker geht es um das Versagen der Politik, das Zerschlagen rechter Strukturen. Der bei den Stadtratssitzungen dieses Jahr bisher immer unentschuldigt fehlende und eigenen Aussagen zufolge aus der NPD ausgetretene Rico Rentzsch taucht am Rand der Demo auf. Andere Rechte liegen fotografierend auf der Lauer.
An der Ecke Thälmannstraße ein kurzer Zwischenfall. Ein Mann im Imbiss zeigt den Hitlergruß. Die linken Demonstranten bestehen bei der Polizei darauf, dass seine Personalien aufgenommen werden. Tumult später auch kurz hinterm Praktiker. Doch es ist nur ein weißer Audi mit Leipziger Kennzeichen über die Fußgängerinsel gefahren. An der Drogenmühle kommen Gäste einer Familienfeier auf die Straße, um zu sehen, was los ist. Sie werden von einer jungen Frau angeschrien. „Wo waren Sie voriges Jahr?“ Die Feiernden bitten, sie in Ruhe zu lassen.
Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) hatte am Mittag in einer Pressekonferenz klar gesagt, was er von der Demo hält: „Völlig überflüssig.“ Sie helfe weder Heidenau noch den Flüchtlingen und auch keiner politischen Richtung. Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) war am Vormittag nach Heidenau gekommen, um mit Opitz zu reden und sich dann der Presse zu stellen. Auch sie hat kein gutes Gefühl in Hinblick auf die Demo. Ihr mache die Spaltung der Gesellschaft Sorge, eine Spaltung, die auch mit so einer Demo betrieben werde. Dem entgegen habe man in den vergangenen zwölf Monaten Projekte zur Integration gesetzt. Opitz kündigt an, weiter auf Gespräche mit den Heidenauern zu setzen. Vor allem auch mit denen, die zu ihm gekommen sind und sich dafür entschuldigt haben, dass sie vor einem Jahr bei einer rechten Demo mitgelaufen sind. Jener Demo, die vor dem Praktiker eskalierte.
Ein älterer Heidenauer begleitet den Antifa-Protestzug eine ganze Weile. „Das könn’se vergessen“, sagt er. Er habe sich mal ansehen wollen, was das für eine Truppe sei. Er macht sich Sorgen um die Stadt, deren Einwohner er immer noch gern ist. Sprüche aus dem Demozug wie „Freital, Dresden, Heidenau: Scheiße“ tun ihm weh.