Die Führung der AfD-Jugend ist offenbar deutlich stärker von rechts unterwandert als bisher angenommen. Recherchen von BZ und ZDF belasten den Chef der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier.
Von Sebastian Kaiser
Wie weit rechts steht der Parteinachwuchs der Alternative für Deutschland? Aussteiger berichten, die Junge Alternative (JA) sei von Rechtsextremen infiltriert. Die Ergebnisse eines Rechercheteams des ZDF-Magazins Frontal 21 und der Badischen Zeitung belasten auch den Chef der AfD-Jugendorganisation, Markus Frohnmaier. Sie erhärten den Verdacht, dass er in der German Defence League (GDL) aktiv war, einer gewaltbereiten Organisation aus dem Dunstkreis der Hooligan-Szene. Er selbst bestreitet die Vorwürfe.
Markus Frohnmaier wird dem strammrechten Flügel der AfD zugerechnet – er ist zugleich die große Nachwuchshoffnung. In seinem Wahlkreis in Villingen-Schwenningen verpasste er zwar im März den Einzug in den baden-württembergischen Landtag. Dennoch hat der 25-Jährige früh Karriere gemacht. Er gilt als Vertrauter des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke und ist seit diesem Jahr Pressesprecher von Partei-Chefin Frauke Petry. Mitte Juli wurde er auf einem Bundeskongress als JA-Vorsitzender bestätigt.
Doch immer wieder stand Frohnmaier auch in der Kritik. Nach der Kölner Silvesternacht beispielsweise, als er sagte, dass Politiker wie die Grüne Claudia Roth "hier mittelbar mitvergewaltigt" hätten. Umstritten ist auch eine Rede, in der Frohnmaier im Oktober 2015 in Erfurt ausrief: "Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!"
Frohnmaier ging schon juristisch gegen Vorwürfe vor
Von Zeit zu Zeit wurden in Zeitungsartikeln auch Verdächtigungen geäußert, die Frohnmaier in die Nähe der islamfeindlichen German Defence League rückten. Er selbst stritt diese Vorwürfe stets ab. Mitunter ging er dagegen auch juristisch vor.
"Die German Defence League ist eine Organisation, die in Erscheinung getreten ist, als die AfD noch unbedeutend war", sagt der Extremismusforscher Alexander Häusler. Die Partei stehe unter anderem mit dem Hooligan-Milieu in Verbindung. Es gebe Schnittmengen zu rechtsextremen Bewegungen wie Pro-NRW oder Pro-Deutschland. Die Organisation sei vor allem bei antimuslimischen Demonstrationen aufgetreten. Später seien Kontakte zur Identitären Bewegung sowie zum radikalrechten Flügel der AfD aufgebaut worden, so Häusler weiter. Im Bremer Verfassungsschutzbericht von 2014 heißt es, es handle sich um eine "rechtsextremistische Gruppierung".
In einem Internet-Archiv haben Reporter von Frontal 21 und der Badischen Zeitung nun aussagekräftige Daten einer inzwischen abgeschalteten Homepage der German Defence League aus dem Jahr 2011 gefunden. Diese Daten lassen kaum noch Zweifel zu, dass Frohnmaier wohl doch mit der German Defence League in Verbindung stand. Sie führen auf Umwegen auf die aktuelle Facebook-Seite des Nachwuchspolitikers. Darauf aufmerksam gemacht hatte – ohne bislang weiter beachtet worden zu sein – der Blogger Andreas Kemper im Oktober 2015.
Die Ereignisse liegen mehr als fünf Jahre zurück. Markus Frohnmaier ist damals 20 Jahre alt. Die AfD existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht. In England macht die "English Defence League" von sich reden. Sie ist islamfeindlich, gilt als äußerst gewalttätig und rekrutiert ihre Mitglieder aus dem Umfeld der Hooliganszene. Für junge Rechte in Deutschland ist sie ein Vorbild – die German Defence League wird ins Leben gerufen. War auch Frohnmaier bei dieser Organisation, die sich der Rettung des Abendlandes vor dem politischen Islam und einer angeblichen linksextremistischen Meinungsdiktatur verschrieben hat?
Ein Lorbeerkranz auf die Brust tätowiert
Auf einer inzwischen abgeschalteten Homepage der German Defence League in der Fassung vom 12. Februar 2011 taucht als Ansprechpartner ein "Cornel Craiovesti" auf. Die Craiova (deutsch: Krajowa) ist eine Region in Rumänien. Frohnmaier wurde dort geboren. In einer Version der Seite vom 16. März 2011 heißt der "Ansprechpartner" nun "Cornel Frohnmaier" – Cornel ist der zweite Vorname Frohnmaiers. Hat der Nachwuchspolitiker Tarnnamen verwendet, um seine Aktivitäten im Internet zu verschleiern? Ein weitere Parallele ergibt sich aus alten Facebook-Screenshots. Demnach hat Frohnmaier den Namen seiner Facebook-Seite im Oktober 2015 von Cornel Frohnmüller in Markus Frohnmaier verändert.
Ein IT-Spezialist hat im Auftrag des ZDF und der Badischen Zeitung weitere Hinweise im Netz gefunden: So ist auf der alten Seite der German Defence League noch immer der Facebook-Account von Cornel Craiovesti verlinkt. Auch nachdem der Name in Cornel Frohnmaier verändert wurde, blieb der entsprechende Link unverändert. Auch dies spricht dafür, dass die Facebook-Konten von Cornel Frohnmaier und Cornel Craiovesti identisch sind. Und so geht es weiter: Ein Facebook-Post von Cornel Craiovesti mit dem Titel "Luckes später Triumph" ist heute noch zu finden. Nur der Verfasser heißt jetzt Markus Frohnmaier.
Auf einem Foto, das auf Facebook gepostet wurde, ist Frohnmaier zu sehen, der lächelnd mit dem Zeigefinger auf einen Lorbeerkranz deutet, den er auf seine Brust tätowiert hat. Die Silhouette des Lorbeerkranzes zeigt auffällige Übereinstimmungen mit einem Logo der German Defence League, das auch im Internet kursiert und ebenfalls mit einem Lorbeerkranz umrankt ist. Unklar ist, ob es sich dabei um das offizielle Zeichen der GDL handelt. Lorbeerkränze sind in der rechten Szene ein häufig gebrauchtes Symbol.
Im Interview bestreitet Frohnmaier jeden Kontakt zur German Defence League. Ihre Internetseite sei ihm unbekannt, ebenso wie die dort aufgeführte Mailadresse "Cornel@g-dl.org". Seine Tätowierung stehe nicht für eine politische Aussage: "Das ist ein Tattoo, das hab’ ich mir mit 16, 17 machen lassen. Ich bin froh, dass es keine Pusteblume geworden ist."
Fördermitglied der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit"?
Es gibt ein weiteres Dokument, das Frohnmaier belastet. Es ist den Reportern anonym zugespielt worden. Es soll sich um eine Mitgliederliste der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" handeln, die in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Frohnmaier ist als Fördermitglied aufgelistet. In dem Dokument findet sich wieder die Email-Adresse "Cornel@g-dl.org". In der Spalte "frühere Mitgliedschaften" ist unter anderem die "German Defence League" eingetragen. Vieles spricht für die Echtheit des Dokuments.
Auf das Dokument und eine Mitgliedschaft in der "Freiheit" sowie in der German Defence League angesprochen, sagt Frohnmaier: "Wer so etwas behauptet, gegen den wird rechtlich vorgegangen." Er habe nie Geld an die Freiheit überwiesen und sei auch kein Mitglied dieser Partei gewesen. Lediglich in der CDU sowie der Jungen Union sei er engagiert gewesen.
Markus Frohnmaier hat in Tübingen Jura studiert. Er gründete eine AfD-Hochschulgruppe, aus der 2014 der Landesverband der Jungen Alternative in Baden-Württemberg hervorging. 2015 wird Frohnmaier Bundesvorsitzender der JA. Ehemalige Mitglieder und Gruppierungen wie die Autonome Antifa Freiburg werfen der Jungen Alternative vor, von rechten Burschenschaftlern und Aktivisten der Identitären Bewegung, einer rechtsextremen Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, unterwandert zu sein. Kommt auch Frohnmaier aus dem rechtsextremen Lager?
Frauke Petry will sich zu Frohnmaier nicht äußern
Inzwischen hat sich ein Zeuge gemeldet. Ein ehemaliges JA-Mitglied. Er habe in den Anfangszeiten der Jungen Alternative eng mit Frohnmaier zusammengearbeitet. Dieser habe mitunter mit seiner GDL-Vergangenheit geprahlt – so bei einer Veranstaltung der JA vor zwei Jahren. Es habe auch eine Handy-Aufnahme gegeben. Versuche die Datei zu besorgen, seien aber fehlgeschlagen. Frohnmaier rückt solche Aussagen gerne ins Licht einer angeblichen Verschwörung ehemaliger JA-Mitglieder. Es seien Mitglieder der heutigen Alfa-Partei des ausgetretenen AfD-Gründers Bernd Lucke, die Falschbehauptungen über Parteifreunde aufstellen und Dossiers verschicken würden, sagt er.
Und die AfD? Es gibt viele in der Partei, die hinter vorgehaltener Hand erzählen, Frohnmaier sei in der German Defence League aktiv gewesen. Genaueres will keiner wissen. Es stört offenbar auch niemanden. Auch nicht Frauke Petry. Zu ihrem Pressesprecher will sie sich nicht äußern. "Haben Sie Interesse an objektiver Berichterstattung?", fragt sie im Vorbeigehen und rauscht davon. Die German Defence League – sie scheint inzwischen zum Nimbus von Frohnmaier zu gehören, zu seinem inoffiziellen Markenkern. Sie passt zum Bild des "Frontmaiers", wie Parteifreunde ihn gerne nennen.