Der nordhessische AfD-Abgeordnete Gottfried Klasen hetzt im Internet gegen Juden. Erinnerungen an den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon werden wach.
Am Antisemitismus scheiden sich in der AfD nicht nur die Geister. Die Stuttgarter Landtagsfraktion gespalten, der Bundesvorstand zerstritten, durch die Partei ein Riss: Am Umgang mit den antisemitischen Äußerungen des baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon hat sich eindrucksvoll gezeigt, welche Sprengkraft diesem Thema für die rechtspopulistische Partei innewohnt. Die hessische AfD ist deshalb um eine klare Linie bemüht. „Wir sind der Meinung, dass wir jemanden wie Herrn Gedeon nicht in unseren Reihen dulden können“, sagte Landesvorsitzender Peter Münch der Frankfurter Rundschau. Darüber herrsche im Landesvorstand Einigkeit.
„Juden infiltrieren Parteien“
Wer auch in der hessischen AfD jemanden wie Gedeon finden will, muss allerdings nicht lange suchen. Gottfried Klasen aus dem nordhessischen Zierenberg sitzt für die AfD im Kasseler Kreistag, war sogar kurzzeitig ihr Vize- Kreisvorsitzender – und macht aus seinem antisemitischen Weltbild kein Geheimnis. Für ihn hat der Zentralrat der Juden die „politische Meinungsbildungshoheit sowie die politische Kontrolle über Deutschland“. Er infiltriere alle Parteien, auch die AfD, um diese Kontrolle nicht zu verlieren. „Seine Fleischtöpfe muss man ja nun schließlich hüten, damit man sich auch in Zukunft üppig daraus bedienen kann.“
Das verkündete der 67-Jährige vor rund einem Monat via Facebook. Es ist nicht sein einziges einschlägiges Statement in dem sozialen Netzwerk. So kommentierte Klasen einen Bericht über den polnischen Großvater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der im Ersten Weltkrieg möglicherweise gegen das Deutsche Reich gekämpft haben könnte: „Na ja, polnische Juden halt …“ Von Juden war in dem Artikel freilich nirgends die Rede. Oder er teilte ein boshaft erfundenes Zitat des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin, in dem dieser sich vorgeblich über die Herrschaft der jüdischen „Herrenrasse“ ausließ: „Im Vergleich zu uns sind andere Rassen wie Vieh, sie sind der Abfall der Menschheit. […] Sie werden unsere Füße lecken und uns wie Sklaven dienen.“ Eine plumpe antisemitische Fälschung, in die Welt gesetzt, um Angriffe auf Juden zu legitimieren. Klasen nahm sie für bare Münze und verbreitete sie weiter. Da verwundert es wenig, dass er sich auch strikt gegen einen Parteiausschluss von Wolfgang Gedeon aussprach.
Auf Anfrage der FR schickt Klasen eine dreiseitige Antwort-E-Mail, in der er sich gegen sämtliche Vorwürfe verwahrt. Nur dass er auf das gefälschte Begin-Zitat hereingefallen sei, räumt er ein – und rechtfertigt sich damit, dass es im Text einer jüdischen Journalistin zu finden sei (was freilich ebenfalls nicht stimmt). Ansonsten beteuert der Unternehmensberater mit Doktortitel: „Sowohl die AfD insgesamt, als auch ich persönlich, lehnen jede Form von Extremismus, Fanatismus und Rassismus entschieden ab.“ Der Frankfurter Rundschau unterstellt er deshalb unredliche Arbeitsweise: Es soll „in gewissen Journalistenkreisen“ üblich sein, erklärt er, „durch die Kumulation an sich unzusammenhängender Einzelfakten“ ein „völlig falsches“ Bild einer Person zu erzeugen.
Nur unzusammenhängende Einzelfakten? Der AfD-Politiker war nach eigenen Angaben rund 20 Jahre lang Mitglied der CDU. Heute träumt er von Schauprozessen gegen seine Ex-Parteifreunde: „Käme z.B. die AfD in Regierungsverantwortung“, so postete er, „müssten einige dieser Herrschaften noch schnell auswandern, um nicht in die Nasenlöcher gefasst und so vor Gericht gezerrt zu werden.“
Seit 2013 gehört Klasen der AfD an und orientiert sich immer mehr nach Rechtsaußen: Neben vielen Gliederungen von AfD und Pegida spendierte er bei Facebook auch etlichen eindeutig rechtsextremen Seiten und Organisationen ein „Gefällt mir“ – bis hin zur NPD.
„Gruppen edler Menschen“
In der E-Mail an die FR verweist er auf „Pläne einiger US-amerikanischer Politiker (mit jüdischen Wurzeln) zur Vernichtung der deutschen Bevölkerungsstruktur“ und nennt als angeblichen Beleg dafür auch den „Kaufman-Plan“ – eine Erfindung der NS-Propaganda: Das in den USA weitgehend ignorierte Pamphlet eines Einzelgängers, in dem die Zwangssterilisierung aller Deutschen nach Kriegsende vorgeschlagen wurde, war von Nazi-Deutschland zum offiziellen „Plan“ und Beweis jüdisch-amerikanischer Vernichtungsabsichten stilisiert worden.
Mit dem Verweis will Klasen erklären, warum er ein Statement veröffentlichte, das eine ideologische Nähe zum NS-Rassenwahn durchscheinen lässt: „Es wird immer Gruppen edler Menschen geben, die keine Verbindung mit Menschen anderer Rassen eingehen“, schrieb er, „so wie auch Edelmetalle nicht mit anderen Materialien reagieren.“ Es war die Reaktion auf ein Posting, in dem ein „international geplanter Völkermord“ durch gezielte „Rassenvermischung“ behauptet wurde. Verfasst hatte das ein Mann, der in der hessischen AfD kein Unbekannter ist: Peter Ziemann aus Wiesbaden war 2013 als Schatzmeister in den Landesvorstand gewählt worden – und hatte sein Amt schon nach wenigen Tagen wieder verloren, weil durch die Frankfurter Rundschau bekannt geworden war, dass er im Internet wüste antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet hatte.
Seither ist Ziemann kein AfD-Mitglied mehr. Hetzerische Facebook-Beiträge aber verfasst er weiterhin wie am Fließband. Klasen liest und kommentiert sie häufig – ohne zu widersprechen. Ganz im Gegenteil: Man ist sich einig. Als Ziemann „radikale Strategien“ zum Kampf gegen „das Establishment“ forderte, das den „Austausch der europäischen Völker“ durch muslimische Einwanderer anstrebe, stimmte Klasen ausdrücklich zu – und verwies dabei auf das „Recht auf Widerstand“, das das Grundgesetz bei einer Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung erlaubt.
Vor wenigen Tagen zitierte Ziemann dann aus dem Buch „Der totale Widerstand“ von Hans von Dach. Klasen antwortete: „Ja, die Bücher dieses Schweizers Majors sollte man gelesen haben.“ Das genannte Werk trägt den Untertitel „Kleinkriegsanleitung für jedermann“ und erklärt detailliert den bewaffneten Guerillakampf – von Sabotageaktionen über Sprengstoffanschläge bis zum „lautlosen Erledigen eines Wachtpostens“.